Symphony - Live in Vienna
Sarah Brightman / 2009

Das Auge hört auch mit! Dieser alten Showbiz-Weisheit folgend, hat Sarah Brightman der CD mit der Live-Einspielung ihres Studioalbums “Symphony” gleich die DVD mit dem dazugehörigen Konzertmitschnitt hinzugefügt. So wird man Zeuge eines ganz und gar außergewöhnlichen Konzertereignisses, das am 16. Januar 2008 im Wiener Stephansdom aufgezeichnet wurde.


Bei der Musik von Sarah Brightman, nun schon seit vielen Jahren vom deutschen Produzenten Frank Peterson äußerst erfolgreich gestaltet und marktgerecht verwaltet, weiß man nie so recht, ob man sie als kitschig oder schlichtweg als zeitlos schön empfinden soll. Die Industrie nennt das gerne Crossover, um eine Genrebezeichnung zu haben, wo kein Genre ist. In diesem speziellen Fall heißt das: klassische Sopranistin singt gefällige Melodien voller Harmonien, die irgendwo im Niemandsland der Schnittmenge von Pop, Rock und Klassik verortet sind. Aus künstlerischer Sicht ist das zugegebenermaßen zutiefst unverbindlich. Die Aufnahme “Symphony – Live in Vienna” vermittelt allerdings das Gefühl, dass hier jemand genau das macht, was er will und gibt der Unverbindlichkeit etwas, was man ihr freiwillig nie zugestehen würde: Authentizität. Vor allem deswegen, weil der aufgezeichneten Veranstaltung diese gewisse Portion Irrwitz inne wohnt, die seit jeher künstlerische Leidenschaft auszeichnet.

Was die britische Crossover-Sängerin im Stephansdom an produktionstechnischer Entourage um sich versammelt, ist schon als tollkühn zu bezeichnen und wirft unweigerlich die Frage auf, ob die Oberen des Gotteshauses nicht bereits am ersten Tag des Aufbaus die Erteilung der Drehgenehmigung bereuten: Rund um den Altar hat sich ein komplettes Sinfonieorchester, ein großer Chor und – eben ganz Crossover – eine achtköpfige Rockband mit einem ganz und gar nicht fromm aussehenden Drummer einquartiert. In der Mitte thront – erlösergleich die Arme gen Himmel erhoben – sie, die Königin des Crossover und präsentiert hauptsächlich das “Symphony”-Material, natürlich in gesanglicher und produktionstechnischer nahezu makelloser Perfektion.Der österreichische Filmemacher Hannes Rossacher (das –Ro der ehemaligen Falco-Videofilmer DoRo) setzt die Protagonistin und die gewaltige Location mit vielen Kamerafahrten wirkungsvoll in Szene und montiert mittels Überblendungen einen grazil mäandernden Bilderbogen irgendwo zwischen Spiritualität und Rockkonzert – kirchliches Kerzenlicht meets computergesteuertes Light-Design. Der Einzug der Hauptdarstellerin im Mittelschiff der Kathedrale zu den dramatischen Klängen von “Fleurs Du Mal” – von niemand geringerem als dem “Mamma Mia!”-Choreografen Anthony van Laast inszeniert – ist “Herr der Ringe”-reif.

Crossover auch die Duettpartner, die sich angesichts der beeindruckenden Kulisse allesamt in bester gesanglicher Verfassung präsentieren: Allen voran der italienische Tenor Alessandro Safina (der war bereits auf dem “Moulin Rouge”-Soundtrack zusammen mit Ewan McGregor bei “Your Song” zu hören), der Sarah Brightman stimmgewaltig bei den Hits “Sarai Qui” und “Canto Della Terra” unterstützt. Zusammen mit dem argentinischen Countertenor Fernando Lima gibt sie das zuckersüße “Pasión”. Lebhafter geht es zu, wenn die Musiker nicht mal mehr vor der Domorgel zurückschrecken: Im Duett mit Chris Thompson präsentiert die Ur-Christine eine rockige und druckvoll-treibende Version von “The Phantom of the Opera” – im Übrigen hat man solch ein kraftvoll-raues Phantom wie den Sänger der Manfred Mann’s Earth Band seit Steve Harley auch nicht mehr gehört.Aber es sind Songs wie “Sanvean”, die diesen Auftritt und das audiovisuelle Erlebnis auf CD und DVD ausmachen. Dann nämlich folgt die Kamera wie betört dem ätherischen Gesang bis in die höchsten Höhen der gotischen Architektur, um verklärt auf die Diva in ihrem roten Wallekleid herabzuschauen. Das alles ist so stimmungsvoll und von solch getragener Schönheit und Anmut, dass das musikalische Konzept hierin fast erstarrt. Sarah Brightman kokettiert oft mit Gothic-Rock – nach dem überbordenden Wohlklang der letzten Alben würde eine kleine Prise ruppige Erdigkeit wieder einmal für Auflockerung sorgen.

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