Ensemble © Marc Brenner
Ensemble © Marc Brenner

A Strange Loop (2023)
Barbican Centre, London

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Michael R. Jacksons Musical „A Strange Loop“ ist anders. Es ist dunkel, anstrengend, ehrlich, auf den Punkt – ein Meta-Musical über einen schwarzen queeren Schriftsteller, der ein Musical über einen schwarzen queeren Schriftsteller schreibt. Clever inszeniert mit personifizierten Gedanken (‚Thoughts‘), die den Hauptcharakter fortwährend beeinflussen, ist die Show unbedingt empfehlenswert — auch wenn sie sehr amerikanisiert daherkommt.

Usher (Kyle Birch) ist ein übergewichtiger, femininer Schwarzer Mitte zwanzig ohne nennenswertes Liebesleben, der von sechs Gedanken (Nathan Armarkwei-Laryea, Danny Bailey, Eddie Elliot, Sharlene Hector, Tendai Humphrey Sitima und Yeukayi Ushe) gequält wird. Sie verhöhnen ihn wegen seines Versagens als schwarzer Mann, seines armseligen Sexlebens und seines Jobs als Platzanweiser (‚Usher‘) in „The Lion King“.

Wir folgen Usher durch sein Leben in New York, lernen seine Familie kennen, die ihn aufgrund seiner Sexualität ablehnt, erleben ihn beim Flirten und bekommen vorgeführt, wie er immer wieder ausgenutzt und aufgrund seiner Körperfülle als abstoßend empfunden wird. Auch sein Job als Schriftsteller ist nicht von Erfolg geprägt. Usher hasst sich selbst — das wird einem besonders zu Beginn der Show immer wieder vor Augen geführt.

Die Ehrlichkeit und Authentizität der Inszenierung ist beinahe erschreckend und macht einen großen Teil der Beklommenheit aus, mit der man die Show nach grob 1,5 Stunden verlässt. Usher bekommt von seinem Arzt den Ratschlag, dass er endlich rausgehen und Sex haben soll, ansonsten sei die AIDS-Generation umsonst gestorben. Ushers Vater — meist unter starkem Alkoholeinfluss — macht sich lustig über Ushers Schwulsein und fragt immer wieder, ob sein Sohn nicht Sex mit ihm haben möchte, schließlich sei er ja auch ein Mann. Szenen, bei denen man mit Knoten im Hals dasitzt.

Die Show sucht nach Antworten auf die Frage, wie Usher diesen Kreislauf („A Strange Loop“) durchbrechen kann. Regisseur Stephen Brackett und Autor Michael R. Jackson geben Ushers persönlichen Unzulänglichkeiten viel Raum, während sie die Menschen, Orte und Dinge, die ihn einschränken, zuerst bitterernst präsentieren aber letztlich aufs Korn nehmen. Dabei schaffen sie es didaktisch nicht zu übertreiben, sondern sich darauf zu beschränken, die Dinge so zu zeigen, wie sie sind: abstoßend und erschreckend.

Viel Unterstützung bieten dabei die simplen, aber inhaltsstarken Songs von Jackson. „Inner White Girl“ nimmt sich zum Beispiel der Vorherrschaft von weißen Frauen in der medialen Gesellschaft an und drückt gleichzeitig aus, dass die Ideale dieser Gesellschaft schwarze Jugendliche stark einschränken. „Exile In Gayville“ spielt mit den Schwierigkeiten diverser Dating-Apps und führt uns wiederum vor Augen, wie schwer es für Usher ist, seinen Weg im Leben zu finden, denn er ist immer entweder ‚zu fett‘, ‚zu feminin‘ oder ‚zu schwarz‘ — die Oberflächlichkeit von Dating-Apps und deren Benutzern lässt grüßen.

Das Bühnenbild von Arnulfo Maldonado ist simpel und besteht größtenteils aus verschiebbaren Rahmen, die für die Auftritte der ‚Thoughts‘ genutzt werden. Mithilfe der Beleuchtung von Jen Schriever können die Rahmen aber auch einfach und schnell in diverse Spielorte aus Ushers Leben verwandelt werden.

Insgesamt stehen 7 Darstellerinnen und Darsteller auf der Bühne. Kyle Birch — Zweitbesetzung des Usher — spielt seine Rolle großartig. Teils verklemmt, teils frei heraus — er singt und spielt ungemein authentisch.

Die eigentlichen Hauptfiguren der Show sind aber die 6 ‘Thoughts‘. Sie funktionieren nicht nur als stimmgewaltiger Background-Chor, sondern fungieren auch als individuelle Zeigefinger, die Usher immer wieder beeinflussen. Dabei springen sie auch in die Rollen der Eltern, des Arztes, etc. Insbesondere seien hier Danny Bailey und Tendai Humphrey Sitima erwähnt, die Vater und Mutter mit solch schonungsloser Ehrlichkeit spielen, dass man als Zuschauer beinahe angeekelt von diesen Porträts ist und sich beschämt wegdrehen möchte.

Einziger Wermutstropfen: „A Strange Loop“ ist SEHR amerikanisch. Das heißt nicht, dass die Inhalte der Show nicht weltweit ein Publikum finden und berühren können. Doch die stereotyp-eindimensionale Welt christlich-fanatischer US-Amerikaner oder die ständige Suche nach Selbstverwirklichung sind eher schwer auf ein europäisches Publikum zu übertragen.

Sei es drum — „A Strange Loop“ setzt neue Maßstäbe in Bezug auf Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit bei der Entwicklung neuer Shows und bietet auch abseits der US-amerikanischen Bühnen viele Identifikationsmöglichkeiten für ein Publikum jeglicher Couleur.

 
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KREATIVTEAM
Buch / Musik / TextMichael R. Jackson
InszenierungStephen Brackett
ChoreographieRaja Feather Kelly
OrchestrierungCharlie Rosen
Musikal. LeitungRona Siddiqui
BühnenbildArnulfo Maldonado
KostümeMontana Levi Blanco
Licht DesignJen Schriever
Sound DesignDrew Levy
 
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CAST (AKTUELL)
UsherKyle Ramar Freeman
Kyle Birch
Thought 1Sharlene Hector
Rebecca Bernice Amissah
Thought 2Nathan Armarkwei-Laryea
Momar Diagne
Thought 3Yeukayi Ushe
Momar Diagne
Thought 4Tendai Humphrey Sitima
Momar Diagne
Thought 5Danny Bailey
Jean-Luke Worrell
Thought 6Eddie Elliott
Jean-Luke Worrell
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 17.06.2023 20:00Barbican Centre, LondonPreview
Mo, 19.06.2023 20:00Barbican Centre, LondonPreview
Di, 20.06.2023 20:00Barbican Centre, LondonPreview
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