Sister Act (2023)
Emsländische Freilichtbühne, Meppen

Wo man auch hinsieht, tanzen die Nonnen zu Alan Menkens Musik – „Sister Act“ scheint 2023 das Sommer-Stück schlechthin zu sein. Wie soll da eine regionale Produktion im Emsland – überspitzt sozusagen mitten im Nirgendwo – aus der Masse herausstechen? Die Antwort: Durch extrem viel Liebe zum Detail, ein fantastisches Bühnenbild, ein elektrisierendes Ensemble und durch eine fabelhafte Leading Lady. 

Iris Limbarths dynamische und urkomische Inszenierung des viel gespielten Nonnen-Musicals überzeugt vollumfänglich, trifft den Ton des Drehbuches exakt und zeigt, wie man das Maximale aus der Geschichte um Deloris und ihre Ordensschwestern herausholt – angefangen mit der vielleicht größten Nonnenschar der deutschen Freilichtbühnen, ergänzt mit spritzigen Choreographien und einem detailverliebten Bühnenbild abgerundet. Facettenreiche Lichttechnik setzt das Ganze in nahezu Broadway-ähnliches Flair und sorgt für große Augen im Publikum. Das tröstet auch über den großen Wermutstropfen der Konservenmusik vom Band hinweg. Zum Glück ist die Tontechnik super im Timing, sodass die recycelten Tracks auch schön für Szenenwechsel und Umbauten genutzt werden können.

Die massive Hintergrundkulisse eines Hochhausviertels mit leuchtenden Fenstern und Dächern überragt das zentrale Bühnenteil, das im Schatten der Großstadt das Kloster darstellt. Schöne Beleuchtung umrahmt die zentrale Treppe und die opulenten Kirchentore, die in der Mitte der Bühne stehen. Durch schnelle Umbauten entstehen zusätzlich mit einfachen, aber schön designten Schiebepanels und anderen beräderten Elementen zahlreiche Schauplätze. Ob Büro der Mutter Oberin, Beichtstühle, Marienaltar, Polizeirevier, Bar oder Club – die verschiedenen Lokalitäten werden liebevoll in Szene gesetzt und werten die Produktion auf. Ein Fest für die Augen!

In weiten Teilen ist diese Produktion auch ein Fest für die Ohren. Was dem männlichen Cast an Gesangsvirtuosität fehlt, macht er zum Glück mit komödiantischem Gefühl wieder wett. Die Damenriege hingegen spielt nicht nur schön, sondern singt auch stark. Die unglaubliche Energie der Ensemblesongs überträgt sich direkt in den Zuschauerraum. Lebensfreude – das ist „Sister Act“ in Meppen! Die eingängigen Choreographien unterstützen und verstärken die ansteckende positive Energie. Spontane Applausanfälle sind hier fast schon die Regel, und das liegt mit Sicherheit nicht nur am feierwütigen Publikum aus dem Emsland und Ostfriesland. Die Nonnen heizen ein!

Eine wunderbare Mary Patrick, die jede Bewegung und jedes schrullige Kichern der Filmvorlage 1:1 umsetzt, wird von Jana Schnöing mit Perfektion gespielt. Marina Kotte-Bucher verleiht ihrer jungen Postulantin Mary Robert eine mädchenhafte Attitüde mit plakativ-niedlichen Bewegungen und ausdrucksstarker comichafter Mimik, was zunächst irritiert, aber den späteren Wandel der Figur zu einer selbstsicheren jungen Frau unterstreicht. Ihr Solo „Die Welt die ich nie sah“ singt sie emotional und wohlklingend.

Julia Felthaus gibt als starke Mutter Oberin eine überzeugende Gegenspielerin zu Louisa Heisers Deloris. Eine für die Rolle ungewöhnliche stimmliche Wucht bietet sie in „Mir bleibt keine Wahl“ dar und löst zurecht Begeisterungsstürme aus, die nur noch von der Hauptdarstellerin getoppt werden: Louisa Heiser scheint die Rolle der Deloris Van Cartier für sich gepachtet zu haben. Urkomisch und nuanciert gibt sie ein wunderbares Porträt der Nachtclub-Diva. Sie lässt keine Chance auf einen Lacher ungenutzt und singt wie eine Soul-Königin. Dabei begeistert sie auch in den emotionalen Passagen des Stücks und sorgt beim Solo „Sister Act“ für Gänsehaut. Eine tolle Leistung in einer rundum gelungenen Produktion der Emsländischen Freilichtbühne, die sich aus der „Sister Act“-Schwemme des Sommers ’23 positiv hervorhebt.