Eine Darstellerin auf der Bühne, die ihre Geschichte erzählt, ein kleines Orchester und fertig ist ein ganz wunderbarer Theaterabend! Das es so einfach gehen kann, zeigt das Theater Hof gerade eindrucksvoll mit seiner Inszenierung von „Tell Me on a Sunday“, einem der Stücke Andrew Lloyd Webbers, das von den britischen Theaterspielplänen gar nicht mehr wegzudenken ist, hierzulande allerdings nur sehr selten gezeigt wird.
Wohl kein anderes Musical Lloyd Webbers existiert in derart vielen Überarbeitungen wie „Tell Me on a Sunday“. Ursprünglich als Song-Zyklus für die britische Sängerin Marti Webb in den 1980er-Jahren komponiert, wurde es – um eine Bühnenshow in voller Länge zu gewinnen – um die „Variations“ ergänzt: Ein Konzert für Cello und Rock-Band, das Lloyd Webber ursprünglich für seinen Bruder Julian geschrieben hat. Im ersten Teil der Show wurde die Geschichte einer zunächst namenlosen jungen Frau (in späteren Bearbeitungen dann „Emma“) durch ihre Songs erzählt, im zweiten Teil, den „Variations“, wurde dieselbe Geschichte dann nochmals aufgegriffen, allerdings aus Sicht der Männer im Leben der Protagonistin und nicht mehr gesungen, sondern in Form eines Balletts. Geboren war die Show „Song and Dance“. Bereits in dieser Version wanderte – um den Eindruck eines Werkes wie aus einem Guss zu erlangen – ein erster Song von „Variations“ in „Tell Me on a Sunday“.
Mit den Jahren gingen die Produzenten allerdings dazu über, „Tell Me on a Sunday“ wieder als für sich stehende Show zu inszenieren. In Großbritannien steht das Musical quasi permanent in irgendeinem Theater auf dem Spielplan. Lloyd Webber entwickelte die Show im Laufe der Jahre immer weiter, modernisierte die Geschichte und steuerte immer wieder neue Songs bei; zuletzt für das London-Revival von 2003.
Der Regisseur der Hofer Inszenierung Florian Lühnsdorf kann somit aus einem Füllhorn von Musik schöpfen und seine eigene Version der Show erfinden. Spannend dabei ist, dass Lühnsdorf die Geschichte selbst in den 80er-Jahren belässt, sich aber der Songs der modernisierten Fassung bedient und andere große Songs der Ursprungsversion dafür großzügig streicht. So bekommt das Publikum kein „Was dir vorher niemand gab“ (Nothing’s Like You’ve Ever Known) und auch kein „Der Mann, bei dem ich bleib“ (The Last Man in My Life), dafür aber das bisher sehr selten gespielte, bitter-süße „Bilderbuchglück“ (Ready Made Life) und „Auf Träume ist kein Verlass“ (Dreams Never Run on Time). Mit diesem Kniff gelingt es Lühnsdorf, eine große Schwäche des Buches auszugleichen: Durch die Streichungen der Songs verzichtet seine „Emma“ immer mehr darauf, sich ihren Männern komplett unterzuordnen und sich über sie zu definieren. Sie entwickelt sich im Laufe des Stücks und wird stetig emanzipierter.
Bühnenbild, Kostüme und Maske frönen den 80er-Jahren in allen erdenklichen Formen. Emmas Outfit und ihre Frisur versetzen zurück in diese Zeit. Sie trägt weite, ausgewaschene Jeans mit aufgestickten Motiven und grell-grünen Seitenstreifen, farblich passend zu ihren großen, ebenfalls grell-grünen Ohrringen. Das Bühnenbild besteht aus drei Podesten, auf denen jeweils ein Wolkenkratzer New Yorks gesetzt wurde. Diese Wolkenkratzer lassen sich wie Flügel aufklappen und sind dann der jeweilige Handlungsort der Szene und die jeweilige Wohnung, in der Emma wohnt. Diese ist dann meist nur mit einer Sitzgelegenheit ausgestattet. Auf der hinteren Innenseite dieser Konstruktion ist jeweils ein Bildschirm angebracht, auf dem kurze Videosequenzen laufen, die die Handlung untermalen. So lassen sich dort zum Beispiel die Briefe mitlesen, die Emma regelmäßig an ihre Mutter schreibt. Wenn zur Mitte der Show hin alle drei Wolkenkratzer aufgeklappt sind, ergeben sie die komplette New Yorker Skyline, farblich je nach Tageszeit gestaltet.
Das kleine Orchester, bestehend aus Klavier, Saxophon, Flöte, Cello und Schlagzeug, ist auf dem hinteren Teil der Bühne platziert. Der Sound ist dabei sehr gut ausgesteuert; Instrumente und Stimme sind in einem guten Mix, der weder die Musik noch die Stimme in den Hintergrund treten lässt. Bei einem Stück, in dem die Geschichte komplett über die Songs einer einzelnen Darstellerin erzählt werden, ist das natürlich enorm wichtig.
Cornelia Löhr übernimmt in der Hofer Inszenierung die Rolle der Emma. Sie steht die gesamten Show über alleine auf der Bühne, sie erzählt ihre Geschichte teils in Selbstgesprächen, in den Briefen an ihre Mutter oder auch in „Anwesenheit“ anderer imaginärer Figuren wie denen ihrer wechselnden Partner oder ihrer Freundin. Auch einige Ausstattungsgegenstände sind nur in der Phantasie auf der Bühne, wie zum Beispiel der Briefkasten, dessen quietschende Türe sie mit ihrer Stimme imitiert. Sie spielt gekonnt mit dem Publikum und blickt provozierend, herausfordernd oder warnend einzelne Besucher an, wenn sie sich Sorgen macht, den Koffer alleine auf der Bühne stehen zu lassen. Durch die Nähe zwischen Publikum und Darstellerin, die sich durch die Enge des Studio des Theater Hofs ergibt, sind die Zuschauer auch ganz nah an der Mimik Löhrs und können sehr genau beobachten, wie sie innerhalb weniger Augenblicke schwankt zwischen himmelhoch jauchzend, weil sei eine neue Liebe gefunden hat, und zu Tode betrübt, wenn sich diese dann doch wieder als Enttäuschung entpuppt. Auch die Songs sind allesamt sehr gut bei Cornelia Löhr aufgehoben. Sie hat eine angenehme Singstimme, die enorm schnell ins Ohr geht und kann sowohl die leisen und nachdenklichen Songs wie den Titelsong als auch die schnelleren und wütenderen Songs, wie das bekannte „Freu dich bloß nicht zu früh“ (Take That Look off Your Face), bedienen.
Schon allein die Leistung Cornelia Löhrs, das Publikum absolut authentisch am Seelenleben ihrer Figur teilhaben zu lassen, macht den Besuch der Hofer Inszenierung dieses etwas anderen Musicals von Andrew Lloyd Webber lohnenswert.
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