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Sie erfahren plötzlich, dass Ihre verstorbene Mutter Spross einer Adelsfamilie und wegen einer Heirat unter Stand verstoßen wurde, und Sie die Chance hätten, Titel und Vermögen zu erben. Was würden Sie tun? Sich achselzuckend zurücklehnen und abwarten, bis die acht Personen, die vor Ihnen in der Erbfolge stehen, auf natürlichem Weg den Platz frei machen? Oder aber, Sie könnten dem Lauf der Dinge ein wenig auf die Sprünge helfen! Monty Navarro entscheidet sich für Letzteres und setzt damit die Maschinerie dieser pechschwarzen Komödie in Gang, denn natürlich läuft nicht alles wie geplant. Das ist für ein nicht allzu zart besaitetes Publikum ein großes Vergnügen.
„Liebe, Mord und Adelspflichten“ beruht auf dem Roman „Israel Rank – Die Autobiografie eines Serienkillers“ von Roy Horniman. Die Verfilmung unter dem Titel „Adel verpflichtet“ wurde ein Welterfolg, dank des großartigen Alec Guinness, der alle Familienmitglieder verkörperte. Dieses Prinzip haben auch die Musical-Macher übernommen. In Krefeld schlüpft Markus Heinrich von einem Kostüm ins nächste, vom Playboy Asquith D’Ysquith Jr., über den Priester Ezekial D’Ysquith bis zur robusten Lady Hyacinth D’Ysquith. Heinrich hat sichtlich Spaß daran, sich von einem extremen Charakter in den nächsten zu verwandeln. Diese neun Rollen machen ihn zum Liebling des Abends.
Das Stück liegt aber auf den Schultern von Oliver Arno als Monty. Dieser erzählt die Geschichte als Rückblende. Er sitzt momentan im Gefängnis – ironischerweise für einen Mord, den er nicht begangen hat – und schreibt dort seine Memoiren „The Gentlemen‘s Guide to Love and Murder“ (so auch der Originaltitel des Musicals). Arno zeigt den Wandel seiner Figur: vom etwas tumben Mann über den sich strategisch Morde ausdenkenden Tüftler bis zum etwas zu überheblichen Erben. Er bleibt dabei immer so charmant, dass man ihm seine moralisch doch sehr fragwürdigen Taten nicht übel nimmt. Nicht nur darstellerisch, auch stimmlich stellt die Partie ziemliche Ansprüche, doch Arno ist ihr in jeder Hinsicht gewachsen.
Monty hat natürlich eine Achillesferse: Frauen. Seine Jugendfreundin Sibella heiratet aus Berechnung einen reichen Mann, hält sich Monty aber nebenbei als Liebhaber. Rahel Antonia Wissinger spielt sie mit unbekümmerter Arroganz, die sie auch in ihre leichte Singstimme packt. Sibella wird sich erst über ihre Gefühle klar, als sie ihr Spielzeug an eine andere Frau zu verlieren droht, an Phoebe D’Ysquith. Auch sie ist eine Verwandte von Monty, in der Erbfolge aber hinter ihm und deshalb außerhalb der Gefahrenzone. Komponist Steven Lutvak hat für Phoebe, Vertreterin der traditionellen Aristokratie, einige perlende, an Operetten angelehnte Songs komponiert, die wunderbar zur klassisch geschulten Stimme von Gabriela Kuhn passen. Kuhn lässt Phoebe sich von der schüchternen Haushälterin ihres plötzlich und unerwartet verstorbenen Bruders zur selbstbewusst auftretenden Frau entwickeln.
Leider wird ihre Beziehung zu Monty in der Inszenierung etwas schwammig gezeichnet. Ob Monty sie wirklich liebt, ob sie für ihn nur Mittel zum Zweck ist – die Klärung bleibt Regisseur Thomas Weber-Schallauer schuldig, auch weil sich zwischen OIiver Arno und Gabriela Kuhn keine Chemie entwickelt.
In Verbindung mit Bridget Quinn Petzolds Choreografien gelingt Weber-Schallauer dagegen eine akzentuierte Personenführung mit Sinn für komödiantisches Timing. Den eh schon vorhandenen Klamauk-Ton der Vorlage kehrt er ein bisschen zu sehr heraus. Er führt zusätzlich zwei Statisten als Tod und Gefängnisratte ein, die als Bühnenschieber eingesetzt werden und das Geschehen in vielen Szenen von der Seite betrachten. Sie tauchen auch als lebende Requisiten in Ritterrüstungen auf. Diese Figuren verwundern genauso wie die als singende Säulen eingesetzten Ensemble-Mitglieder. Die sechs Darstellerinnen und Darsteller der vielen kleinen Rollen haben dabei mindestens so viele schnelle Kostümwechsel wie Markus Heinrich als D’Ysquith-Familie zu bewältigen.
Eigentlich ist die Bühne des Theaters Krefeld zu groß für die klein besetzten Szenen. Siegfried E. Mayer hat dieses Problem clever gelöst, indem er die Sicht auf die Szenen durch eine verschiebbare Irisblende mal größer, mal kleiner frei gibt. Peter Schmitz hat animierte Projektionen gestaltet, die der Szenerie einen Graphic-Novel-Look geben. Die ebenfalls von Mayer ausgewählten Kostüme stammen handlungsgerecht überwiegend aus dem frühen 20. Jahrhundert. Die für diese Zeit sehr freizügige Abendrobe von Sibella und das mittelalterlich anmutende Kleid von Lord Adalbert D’Ysquiths Ehefrau passen allerdings nicht ins Gesamtbild.
Die Broadway-Produktion dieser schwarzen Komödie gewann 2014 vier Tony Awards, darunter auch Bestes Musical und Bestes Musical-Buch. Robert Freedman hat die Vorlage geschickt für die Bühne reduziert und knackig-trockene Dialoge geschrieben. Zusammen mit Komponist Lutvak hat er auch lustige, oft höllisch schnell zu singende Songtexte kreiert, deren Wortwitz in der gelungenen deutschen Fassung von Daniel Große Boymann erhalten bleibt. Der Text ist in Krefeld auch jederzeit verständlich; ein großes Lob an die Theatertechnik!
Lutvaks Lieder orientieren sich primär an Songs, die in britischen Music Halls zu Anfang des 20. Jahrhunderts gesungen wurden. Er fügt aber auch Zitate ein. Mal sind das Stile anderer Komponisten, mal ist das beispielsweise ein „Aida“-Zitat, wenn es im Text um Ägypten geht. Die Szenen werden durch die Songs vorangetrieben. Höhepunkt ist das kunstvoll verschlungene „Ich nehm‘ Sie zum Ehemann“, in dem die klassische Komödiensituation „Zwei Geliebte in zwei verschiedenen Räumen, sie dürfen sich nicht begegnen und der Mann rennt zwischen ihnen hin und her“ eine akustische Entsprechung bekommt. Dadurch entsteht der Witz nicht nur durch das Bühnengeschehen, sondern kommt auch aus dem Orchestergraben.
Dirigent Giovanni Conti hat sein Orchester mit 20 Musikerinnen und Musikern etwas größer besetzt, als es die Partitur eigentlich erfordert. Durch mehr Streicher schwelgen deren Kantilenen im Operettenstil schön melodisch-schwülstig.
Primär ist „Liebe, Mord und Adelspflichten“ ein großes Vergnügen für Freunde des makabren Humors. Unter der Oberfläche zeigt es aber auch die gesellschaftlichen Veränderungen im damaligen England. Eine Oberschicht – die Familie D’Ysquith – hängt an ihren Privilegien und kämpft verzweifelt um deren Erhalt, auch wenn eine nicht weniger skrupellose untere Schicht – Monty – schon bereit ist, deren Platz zu übernehmen.
Dieses Stück hat das Potential dazu, in den nächsten Jahren zum Dauerbrenner auf deutschen Bühnen werden.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Giovanni Conti |
Inszenierung | Thomas Weber-Schallauer |
Ausstattung | Siegfried E. Mayer |
Choreografie | Bridget Quinn Petzold |
Animierte Illustration | Peter Schmitz |
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CAST (AKTUELL) |
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Montague "Monty" Navaro | Oliver Arno |
Miss Shingle | Debra Hays |
Sibella Hallward | Rahel Antonia Wissinger |
Phoebe D´Ysquith | Gabriela Kuhn |
Die D´Ysquith-Familie | Markus Heinrich |
Frau #1 | Kejti Karaj |
Frau #2 | Susanne Seefing |
Frau #3 | Indre Pelakauskaite |
Mann #1 | Sjoerd Knol |
Mann #2 | Miha Brkinjac |
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GALERIE |
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