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KURZBEWERTUNG |
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Goethes Tragödie als Stück mit Rockklängen bringt den „Faust“-Stoff einem heutigen Publikum näher. Jimmy Gees Partitur hat Ohrwurmcharakter, Jessica Fendler und Christian Venzke brillieren in den Hauptpartien.
Goethe wird zu Gott – eine mutige Metamorphose, die sich die Kreativen des Rocktheaters gleich zu Beginn trauen: Während der Ouvertüre führen zwei Tänzerinnen einen Mann mit großem Hut auf die Bühne und setzen ihn auf eine seitlich stehende Chaiselongue. Noch schnell mit einem hellen Umhang drapiert, blickt er auf sein Ebenbild auf der zentralen LED-Wand: Das weltberühmte Goethe-Gemälde von Tischbein, das ihn in die Ferne blickend auf seiner Italienreise zeigt. Zwei Corona-Hygienekonzept-gerechte Engel mit Mundschutz und Handschuhen verwandeln den Dichter und Denker direkt in Gott, der einen Joint rauchend auf seinen Gegenspieler trifft.
In „FAUST’n’Roll“ ist dieser Satan jedoch nicht männlich, sondern erscheint als diabolisch-sinnliche Mephista im knallroten Lackoutfit mit Hörner-Kopfputz (Kostümbild: Michael Manthey). Im Song „Himmel und Hölle“ wetten beide, ob Mephista den Wissenschaftler Dr. Faust vom rechten Weg abbringen kann oder nicht – ganz so wie Goethe es im Prolog zu seinem „Faust“ vorsieht. Die Librettisten Hartmut Hecht und Michael Manthey folgen in ihrer Adaption dem literarischen Vorbild und erzählen dessen Schlüsselszenen auf zwei Stunden verdichtet nach. So verschreibt sich auch bei ihnen der verzweifelte Wissenschaftler Dr. Faust („Da steh ich nun, ich armer Tor“) dem Teufel, woraus sich nach der Pause die tragisch endende Intrige um die Verführung Gretchens entspinnt. Hecht und Manthey verwenden in ihren Texten für die über 30 Songs viel Original-Goethe-Verse und bekannte geflügelte Worte wie „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein“.
In die Moderne katapultiert wird der für heutige Zuschauer recht sperrige Stoff samt Pudelskern, Gretchenfrage und Walpurgisnacht-Hexentanz durch seine gitarrenrockige, punkige wie balladesk-hymnische Partitur. Für den Großteil der sehr eingängigen Kompositionen zeichnet Jimmy Gee verantwortlich, der sich auch nicht scheut, Vorbilder wie ACDC zu zitieren. Wie akustische Fremdkörper wirken in der Szene in Auerbachs Keller allerdings der alberne Reggae-Floh und die Country-Nummer „Kann Wein auch geben“. Gemeinsam mit vier im Bühnenhintergrund postierten Musikern verrockt Gee energiegeladen Goethes Faust, in der besuchten Uraufführung allerdings nahe der Lautstärke-Schmerzgrenze.
Christian Venzke inszeniert das Rocktheater schon aus Platzgründen stringent-schnörkellos. Die im Zentrum der Bühne stehende, teilbare LED-Wand illustriert mit ihren Video-Animationen von James Griffin und Caroline Reucker die Handlung und ermöglicht schnelle Szenenwechsel. Die pandemiebedingten Hygiene- und Abstandsregeln integriert Venzke augenzwinkernd, indem er zum Beispiel den nur mit einem neongelben Slip auf der Chaiselongue liegenden Dr. Faust vor seinem Liebesakt mit Gretchen von den bereits erwähnten Engeln mit Plastikfolie abdecken lässt. Auch als Choreograf wahrt er Abstand, was zum Beispiel beim ersten Aufeinandertreffen des späteren Liebespaares gut zum keusch-reinen Gretchen passt, das höflich auf Distanz zum anderen Geschlecht achtet.
In der besuchten Vorstellung spielt Venzke auch Dr. Faust (alternierend: Torsten Ankert) und ist damit fast dauerpräsent auf der Bühne. Er gibt den greisen Wissenschaftler als verbitterten und zerrissenen alten Mann, dessen Songs er passend dazu mit einer satt-rauen Rockröhre singt. Nach der Verjüngung durch den Zaubertrank der Hexe verändert sich Venzkes Dr. Faust nicht nur optisch, er wird auch zum liebesentflammten Heißsporn, der mit schönem, runden Musical-Bariton singt. Im Duett „Lieb mich, lieb mich nicht“ harmoniert Venzkes Stimme sehr gut mit dem feinen und sicher geführten Sopran von Gretchen-Darstellerin Annika Bollmann, die solistisch in der Gretchenfrage brilliert. Darstellerisch bleibt Bollmann auch vorlagenbedingt lieblich und blass.
Die dankbarste Rolle im Stück hat Jessica Fendler, die die Mephista als abgebrühtes Teufelsweib gibt und mit ihrer rockigen Stimme in Soli, Duetten und Ensemblenummern durch das Stück fetzt. Eine grandiose Leistung, die in der besuchten Vorstellung allerdings vor allem in den Sprechszenen durch ein viel zu stark aufgedrehtes Mikrofon getrübt wird. Martin Constantin, der zur Partitur auch drei der Songs beigesteuert hat, bietet als Hexe, Gott und Goethe eine eher zwiespältige gesangliche Leistung, da er mit seiner großen, punkig-rockigen Stimme die Songs eher herausbrüllt. Als Valentin überzeugt Michail Mamaschew mit satter, tiefer Stimme hingegen in seinem kurzen Klagelied, bevor er ermordet wird.
„FAUST’n’Roll“ wird keinen großen Run auf das Bücherregal mit dem Goethe-Wälzer auslösen. Es ist aber ein großer Verdienst, einem heutigen Publikum den „Faust“-Stoff in einer rockigen Form zugänglich zu machen. Ob das nun der Weisheit letzter Schluss ist, muss jeder im Publikum selbst entscheiden.
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KREATIVTEAM |
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Komposition | Jimmy Gee Martin Constantin |
Libretto | Hartmut Hecht Michael Manthey (mit Texten von Johann Wolfgang von Goethe aus "Faust") |
Regie, Choreografie | Christian Venzke |
Ausstattung | Michael Manthey |
Video | James Griffin Caroline Reucker |
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CAST (AKTUELL) |
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== 2024 == | ||||
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Dr. Heinrich Faust | Christian Venzke Michail Mamaschew | |||
Mephista | Jessica Fendler Melina Stog | |||
Gretchen | Joleen Hartje Sabrina Pankrath | |||
Hexe | Sabrina Pankrath | |||
Goethe / Gott / Student | Eda David Schilling | |||
Valentin / Erdgeist / Tod | Michail Mamaschew DeeDee | |||
Musiker | Jimmy Gee Johannes Krüger Andreas Weimer Eda Schilling Leo Sieg |
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CAST (HISTORY) |
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Dr. Heinrich Faust | Christian Venzke Torsten Ankert |
Mephista | Jessica Fendler |
Gretchen | Anika Bollmann |
Gott / Hexe / Goethe | Martin Constantin |
Valentin / Erdgeist | Michail Mamaschew |
Tänzerinnnen | Vivian Fuchs Fine Kähler |
Musiker | Jimmy Gee Johannes Krüger Andreas Weimer Eda Schilling Leo Sieg |
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GALERIE |
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