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Iron Curtain Man (2020 - 2022)
Neuköllner Oper, Berlin

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„Eine letzte Show für Dean Reed“ lautet der Untertitel dieser rundum gelungenen Uraufführung an der Neuköllner Oper. Dean Reed? Dieser Name sagt vielleicht nur noch denjenigen etwas, die in der ehemaligen DDR aufgewachsen sind. Entstanden ist ein packendes Biografical über eine schillernde Persönlichkeit.

Die DDR-Polit-Elite frohlockt: „Wir bauen auf Red Elvis Supermann“. Honecker, Mielke und Krenz – im Stück die „drei E-s (Erich, Erich und Egon)“ genannt – planen, einen vom eigenen politischen System geläuterten US-Amerikaner zum Unterhaltungs-Topstar im Arbeiter- und Bauernstaat aufsteigen zu lassen.

Ihr Geschenk des Himmels heißt Dean Reed. Nach nahezu unbeachteten Gehversuchen als Schauspieler und Sänger kehrt Reed seiner Heimat den Rücken und geht nach Chile, wo er zum Teenager-Idol wird, mit Schlagern Stadien füllt und sich zunehmend für sozialistische Ideale engagiert. So finden Gerechtigkeit, Völkerfreundschaft und Weltfrieden Eingang in sein musikalisches Repertoire. Der Mix aus Schlagern, Schnulzen, Kampf- und Arbeiterliedern bringt einen Karriereschub in der Sowjetunion und führt Reed schließlich in die DDR, wo er sich 1972 aus Liebe in der Nähe von Ost-Berlin niederlässt. Als DER Amerikaner des Ostblocks, den er nach Gutdünken auch verlassen kann, lebt der bekennende Sozialist hinter dem Eisernen Vorhang seinen langgehegten Traum als Gesangs-Superstar, Filmschauspieler und TV-Entertainer. Allerdings nimmt dieser nach zwei gescheiterten Ehen und dem Sinken seines Sterns in den 1980er Jahren ein tragisches Ende.

In „Iron Curtian Man“ lassen Lars Werner (Text) und Fabian Gerhardt (Textfassung und Regie) das Leben des „Elvis der DDR“ Revue passieren, indem sie Dean Reed (Frédéric Broissier) im Fahrzeug der US-Truckerlady Dixie (Claudia Renner) auf seine letzte Reise schicken. Diese als Rückschau konzipierte Tour mit Abstechern zu prägenden Lebensstationen endet apokalyptisch. Dixie bringt den desillusioniert wirkenden Reed, ähnlich wie Styx in der griechischen Mythologie, über das Wasser ins Jenseits. Als Union aus Totenfährmann und anklagendem Racheengel zieht sie das Fazit, dass er viel zu lange auf der falschen Seite der Welt gelebt habe.

Weder dem Sänger noch dem Sozialismus werden Denkmäler gesetzt – im Gegenteil! Gerhardts Inszenierung geht mit einer gehörigen Portion Humor mit den fast als Karikatur gezeichneten, nuschelnden „drei E-s“ um, die Reed selbst als seine „Buddies aus dem Politbüro“ bezeichnet. Auch seine Nähe zur Stasi wird thematisiert, wobei die sonnenbebrillten Spitzel mit Filzhut als Erzähler dienen und aus Akten zum Beispiel Reeds Jugend in den USA erzählen („Colorado ist ein wenig wie die Schweiz“). In dieser Phase liegt auch der Schlüssel für Reeds sein ganzes Leben andauernde, unbändige Gier nach Erfolg, die ihm von seinem Vater eingeimpft wird. Diese wird symbolisiert durch eine knallgelbe, sich in die Höhe schraubende Showtreppe als zentrales Element in Michael Graessners fast leeren Bühnenraum. Hierher zieht es Reed auch immer wieder aus der rechts postierten Truck-Fahrerkabine als zweitem Ausstattungselement. Illustrierend dazu flimmern über den Köpfen der Zuschauer Video-Sequenzen von Vincent Stefan über eine Projektionsfläche, die auch zuweilen irritieren – zum Beispiel im Fall der atomaren Katastrophenbilder zu Reeds Freitod.

Die innere Zerrissenheit des Protagonisten, die in depressive Episoden mündet, betont Regisseur Gerhardt, indem er Reed in den Lebensstationen von den restlichen vier Darstellern (Raphael Dwinger, Sophia Euskirchen, Franziska Junge und Meik van Severen) spielen lässt. In der großen, an den bekannten TV-Kessel erinnernden Show-Nummer „So Come On Everybody, Sing Along“ tanzen sogar fünf Dean Reeds in weißen, gerippten Rollkragenpullovern auf der Bühne. In ihrem Kostümbild huldigt Sophie Peters den 1970er Jahren, übertreibt aber auch bewusst in Reeds Show-Outfits, indem sie sehr auffällige silberne Lamettafäden an den Sakkoärmeln befestigt. Oft auch bewusst übertrieben wirken die fantasievollen Show-Choreografien von Lilit Hakobyan.

Musikalisch erklingt Originalsongmaterial von Dean Reed, das Claas Krause und Christopher Verworner dramaturgisch geschickt in die Handlung integriert haben. Es reicht von Schmachtfetzen („Mama“) über Countrysongs („Thunder And Lightning“) bis hin zum Protestsong („We Shall Overcome“). Durch geschickte Arrangements und Zwischenmusiken geht die Partitur weit über eine Zusammenstellung für einen inszenierten Liederabend hinaus und wirkt, als sei sie einzig für „Iron Curtain Man“ geschrieben worden. Kause und Verworner leiten abwechselnd das neben die Showtreppe integrierte, fantastische Verworner-Krause-Kammerorchester VKKO.

Der gesamte, auf den Punkt genau besetzte Cast singt, spielt und tanzt sich mit sichtlich erkennbarer, großer Begeisterung nach der Corona-Zwangspause durch pausenlose 90 Minuten, die niemals langweilig werden. Einzelne Leistungen zu würdigen, wäre gegenüber anderen Darstellern ungerecht. Deshalb hier nur ein pauschales Bravo für alle! Danke für diesen beglückenden Abend über ein Unterhaltungs-Phänomen, dass uns die ehemalige DDR hinterlassen hat.

 
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KREATIVTEAM
TextFabian Gerhardt
Lars Werner
MusikClaas Krause
Christopher Verwormer
InszenierungFabian Gerhardt
Musikalische LeitungClaas Krause
Christopher Verworner
ChoreografieLilit Hakobyan
BühnenbildMichael Graessner
KostümeSophie Peters
VideosVincent Stefan
 
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CAST (AKTUELL)
mitFrédéric Brossier
Raphael Dwinger
Sophia Euskirchen
Franziska Junge
Claudia Renner
Meik van Severen
Mitglieder des VKKO
(Verworner-Krause-Kammerorchester)

  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 02.04.2020 20:00Neuköllner Oper, Berlinabgesagt
Sa, 04.04.2020 20:00Neuköllner Oper, Berlinabgesagt
Mi, 08.04.2020 20:00Neuköllner Oper, Berlinabgesagt
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