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Michel Legrands Musical beleuchtet ein dunkles Kapitel der französischen Geschichte: die Kollaboration mit den deutschen Besatzern im Zweiten Weltkrieg. Die großen Emotionen werden musikalisch mit einer Bandbreite von zarter Melancholie bis pompösem Kitsch umgesetzt. Szenisch geht auf der reduzierten, fleckig ausgeleuchteten Bühne nicht alles auf.
Paris, 1942: Die ehemalige Sängerin Marguerite lässt sich von dem Wehrmachtsoffizier Otto von Stadt aushalten. Politische Themen – ob Krieg oder Judenverfolgung – blendet sie aus. An ihrem 40. Geburtstag lernt sie den jüngeren Musiker Armand kennen und verliebt sich in ihn. Armands Band-Kollegen, darunter seine Schwester Annette, gehören der Résistance an. Armands Beziehung zu Marguerite bleibt nicht lange unbemerkt und wird zur Gefahr für das Paar und die Widerstandskämpfer.
„Marguerite“ erlebte seine nicht sehr erfolgreiche Uraufführung 2008 in London und wurde für Produktionen in Ostrava, Tschechien, und eine weitere in London beide Male stark überarbeitet. In Saarbrücken läuft die deutsche Erstaufführung der Ursprungsversion. Das Buch von Alain Boublil, Claude-Michel Schönberg und Jonathan Kent basiert auf dem Roman „Die Kameliendame“ von Alexandre Dumas, der in Verdis Opernfassung „La Traviata“ einen festen Platz auf den Theaterbühnen hat. Das Autorenteam versetzt die Handlung nicht 1:1 in die 1940er Jahre, sondern nimmt nur Motive und einige zentrale Szenen aus der Vorlage. Ist der Aufbau noch bühnenwirksam und geschickt, krankt das Stück an den langen, klischeelastigen Dialogszenen, die von großen Teilen des Ensembles steif und hölzern aufgesagt werden. Herbert Kretzmers Liedtexte sind schon im Original ziemlich blumig, dementsprechend reimt sich in Roman Hinzes Übersetzung hartnäckig „Herz“ auf „Schmerz“.
Michel Legrand wollte eigentlich klassischer Komponist werden, bevor es ihn zu Jazz und Chanson verschlug. Womöglich ist „Marguerite“ für ihn die Oper, die er nie geschrieben hat. Die Behandlung des Chors und die sich überlagernden Terzette und Quartette haben etwas Opernhaftes. Die leicht dissonanten Märsche erinnern an Strawinsky und Prokofjew. Dabei schafft er kleine, wunderschöne Miniaturen wie „Püppchen aus Porzellan“, aber geht auch mal zu sehr in die Vollen, wie im Finale des ersten Akts. Er variiert Melodien, bringt Motive, ohne mit ihnen zu langweilen, immer wieder ins Ohr, bis sie sich festsetzen. Legrands Kompositionen werden kongenial von zart bis wuchtig, jazzig bis zackig vom Orchester unter der Leitung von Stefan Neubert differenziert umgesetzt.
Alexandra Burgstallers betont nüchternes Bühnenbild ist ein Kontrast zur üppigen Musik. Als Hommage an den 2019 verstorbenen Komponisten und gefeierten Jazzpianisten steht ein Flügel als zentrales Element auf der Bühne, der auch als Bett oder Restauranttisch herhalten muss. Verschiebbare Wände dienen gelegentlich als Sichtschutz bei Umbauten während laufender Szenen. Dabei ist nicht jede Wand-Position glücklich gewählt. Doch durch das Zusammenspiel von Licht, Vorhängen und Wänden sowie dem Einsatz der Drehbühne ergeben sich neue Perspektiven und einige schöne Bilder. Dabei benutzt André Fischer für sein Lichtdesign vorrangig kaltes Licht. Seine Lichtsetzung ist nicht immer geglückt. Es entstehen Flecken auf der Bühne, die Darsteller manchmal im Dunkeln verschwinden oder Schatten auf Gesichter fallen lassen. Tanja Liebermann hatte die Mammutaufgabe, die Produktion mit 300 Kostümen auszustatten. Sie bringen etwas Farbe in die düstere Szenerie.
Regisseurin und Choreografin Pascale-Sabine Chevroton gelingen einige ergreifende Szenen und im Umgang mit Chor und Statisterie zeigt sie Geschick. Wenn aber eine Nebenaktion am vorderen Bühnenrad – die Chanteuse wird für ihren Auftritt als Glamour-Walküre zurechtgemacht – mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als der Dialog im hinteren Bühnenbereich, ist das mehr als ungeschickt. Ihre Mischung aus dem sachlichen Bühnenbild und surrealen Szenen in Zeitlupe überzeugt wenig. Auf einige Kitschmomente wie den romantischen Ascheregen beim Luftangriff, wenn Marguerite und Armand sich erstmals näher kommen, oder Marguerites Auftritt als Lichtgestalt in Armands Wohnung, hätte sie verzichten können.
Auch im Ensemble gibt es Licht und Schatten. Schlagerstar Ingrid Peters hat einen kurzen, aber prägnanten Auftritt als Chanteuse bei der Wehrmachts-Silvesterfeier. Dass sie bei den hohen Tönen etwas überfordert ist, gleicht sie durch Präsenz aus. Schon das bizarre Walküren-Kostüm sichert ihr Aufmerksamkeit.
Stimmlich und darstellerisch stark: Sybille Lambrich als Armands Schwester Annette, die sich im Widerstand engagiert und ihrem jüdischen Geliebten zur Flucht verhilft. Ganz anders dagegen Stefan Röttig als Otto von Stadt. Röttig bleibt in der zwiespältigen Rolle blass, ist nicht das personifizierte Böse oder der dämonische Verführer. Eifersucht und Wut im Solo „Ich hasse jede Art von Frauen“ werden behauptet, aber nicht spürbar. Das macht es auch schwer zu verstehen, was Marguerite an ihm findet. Sie ist betont unpolitisch, verschließt sich mit Scheuklappen vor den Geschehnissen um sich herum und genießt opportunistisch das privilegierte Leben. Durch die Begegnung mit Armand gerät ihre Welt ins Wanken. Katja Reichert startet passend divenhaft, schafft es aber im ersten Akt nicht, ihr Verliebtsein in Armand und ihr dadurch entstehendes Gefühlschaos glaubhaft darzustellen. Erst nach der Pause, wenn Marguerite immer mehr in Bedrängnis gerät, läuft Reichert zu großer Form auf. Ihre tragische Schlussszene ist nachhaltig berührend. In puncto Gesang überzeugt sie durchgängig und meistert die vom Komponisten geforderten Wechsel vom Chanson zum klassischen Gesang.
Julian Culemann ist ein überragender Armand, der aber mit dieser mörderisch hohen Partie hörbar an seine Grenzen stößt. Er hat jugendliches Feuer, mitreißende Energie und leidenschaftliche Verzweiflung. Culemann brilliert auch als Pianist, wenn er Katja Reichert bei „Püppchen aus Porzellan“ live auf der Bühne begleitet.
Es ist dem Staatstheater Saarbrücken hoch anzurechnen, „Marguerite“ auf den Spielplan zu nehmen. Man spürt das Herzblut, das in diese Produktion geflossen ist. Sie überzeugt nicht auf ganzer Linie, ist aber einen Besuch wert. Mutig gekürzt und beherzter inszeniert, hat Legrands Werk unbedingt Potenzial.
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Stefan Neubert |
Inszenierung, Choreografie | Pascale Chevroton |
Bühnenbild | Alexandra Burgstaller |
Kostüme | Tanja Liebermann |
Licht | André Fischer |
Sounddesign | Hendrik Maaß |
Dramaturgie | Renate Liedtke |
Einstudierung | Chor Jaume Miranda |
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CAST (AKTUELL) |
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Marguerite | Katja Reichert |
Otto | Stefan Röttig |
Armand | Julian Culemann |
Annette | Sybille Lambrich |
Lucien | Nathanael Schaer |
Pierrot | Robert Besta |
Hermann | Timo Verse |
Chanteuse | Ingrid Peters |
Georges | Markus Jaursch |
Ensemble | Bettina Maria Bauer Sue Lehmann Tobias Berroth |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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