In einer lauen, schwedischen Sommernacht brechen Beziehungen auseinander, neue entstehen. Jürgen Pöckel inszeniert Sondheims musikalisch wie dramaturgisch anspruchsvolles Musical in sehenswerter Ausstattung als bitter-böses Kammerspiel.
Die Musik schwebt über dieser Sommernacht. Während der Sanierungsarbeiten im Zwickauer Gewandhaus sitzt das Philharmonische Orchester Plauen-Zwickau bei Aufführungen im zur Interimsspielstätte umgebauten Malsaal nicht in einem Orchestergraben, sondern ist mit etwas Entfernung zur Bühne direkt über der Zuschauertribüne platziert. Diese ungewöhnliche Position ist eine große Herausforderung sowohl für die Tontechnik als auch für Leo Siberski am Pult. Der Dirigent kitzelt aus Stephen Sondheims flirrender Partitur feinperlende, sinfonische Klänge heraus. Die Musiker walzern operettenselig im Dreivierteltakt, überraschen mit atonalen Einsprengseln und fordern mit ruppigen Taktwechseln in Sondheims im Vergleich zu anderen Musical-Komponisten nicht sofort eingängiger Musik auch das Publikum. In Zeiten von geschrumpften Orchestern und technischen Tricksereien in kommerziellen Großproduktionen ist es eine wahre Wonne, den großartigen Philharmonikern zu lauschen. Trotz schwieriger Bedingungen verschmelzen Musik und Gesang zu einer gut ausbalancierten Einheit. Verdienterweise kommt der musikalische Leiter gemeinsam mit allen Musikern zum Schlussapplaus hinab in den Zuschauerraum.
Aber auch während der Aufführung sind die Philharmoniker für das Publikum sichtbar. In Sabine Pommerenings mit einer luftigen Waldlandschaft bemalten Einheits-Bühnenraum öffnet sich in unregelmäßigen Abständen eine Fläche für einen Bildschirm. Hierüber flimmern Live-Bilder von der Orchester-Empore. Letztendlich haben diese Bilder jedoch keine eigene Botschaft und lenken vom eigentlichen Geschehen ab. Ihr Sinn bleibt das Geheimnis von Regisseur Jürgen Pöckel.
Dieser lässt die Beziehungs-Irrungen und -Wirrungen rund um die Egermans, das Grafenpaar Malcom und die Schauspielerin Desirée Armfeldt als bittersüßes Kammerspiel präzise wie ein Uhrwerk über die Bühne schnurren. Sabine Pommerening kleidet alle Beteiligten dafür in ein absolut sehenswertes, elegant-verschwenderisches Kostümbild und ermöglicht dank zweier hellblauer, die gesamte Bühnenbreite einnehmenden Zwischenvorhänge rasche Szenenwechsel. Fünf mit übertriebenem Pathos agierende, kommentierende Nebenfiguren, stellen einzelnes Mobiliar auf die Bühne, tragen Requisiten herein oder lungern beobachtend in der Szene herum. Sind Christian Maria Heuel, Kateøina Špaòárová, Manja Ilgen, Marc-Eric Schmidt und Michael Simmen im ersten Akt noch als dienstbare Geister gezeichnet, verwandeln sie sich nach der Pause mit spitzen Nasen und Blumenkränzen im Haar oder am Revers in kecke Elfen. Regisseur Pöckel rückt seine Inszenierung damit wie das cineastische Vorbild des Musicals in die Nähe von Shakespeares Sommernachtstraum, der fast zum Sommernachtsalbtraum gerät.
Rechtsanwalt Fredrik Egerman (auf den Punkt besetzt: Marcus Sandmann) versucht seine Midlife-Crisis mit einer erheblich jüngeren, zweiten Ehefrau Ann zu überwinden. Nataliia Ulasevych singt sie zwar koloraturgewandt und mit schönem Sopran, allerdings nimmt man ihr die vom Buch geforderte 18-jährige Jungfrau, die sich nach 11 Monaten Ehe ihrem Gatten weiter körperlich verweigert, nur schwer ab. Ebenso unglaubwürdig ist ihre Flucht in die Arme ihres in dieser Inszenierung etwas farblos geratenen Stiefsohns Henrik (André Gass). Als Cello spielender Priesteramtsanwärter mag er noch durchgehen, aber nicht als feuriger Liebhaber, der mit seiner großen Liebe durchbrennt. Gass protzt zwar mit großem, oft viel zu laut intoniertem Operntenor, ist mit den Textpassagen allerdings überfordert. Diese sagt er mit viel Pathos, wie stur auswendig gelernt und mit einem starken Akzent auf. Sein verbaler Ausbruch auf dem Picknick, bei dem er seine Verachtung gegenüber allen Anwesenden zum Ausdruck bringt, gerät dadurch zum dramaturgischen Fiasko.
Ansonsten ist der aus Gästen und Hauskräften zusammengestellte Cast perfekt: Sandrine Guiraud gibt sehr geradlinig die lebenslustige, von den Männern begehrte Tournee-Schauspielerin Desirée Armfeldt, die sich eigentlich nach Geborgenheit sehnt. Sie glänzt gesanglich nicht nur beim verbitterten, mit zitternder Stimme vorgetragenen „Wo sind die Clowns“. Alexander Mildner ist mit angenehm timbriertem Bariton der zackige Macho-Dragoner Graf Carl-Magnus Malcom, Judith Schubert die an den Rollstuhl gefesselte, sehr weise wirkende Madame Armfeldt. Mit gurrendem Alt trauert sie vergangenen, vermeintlich goldeneren Zeiten nach und kümmert sich aufopferungsvoll um ihre Enkelin Fredrika (kindlich-naiv: Katalin Rohse). Als frivoles Dienstmädchen Petra überrascht Johanna Brault mit sattem Mezzo im zweiten Akt mit ihrem melancholischen Song „Ich heirate des Müllers Sohn“. Maria Mucha (Gräfin Charlotte) rettet die besuchte Vorstellung, indem sie wegen einer krankheitsbedingten Indisposition ihre Gesangsaufgaben nur spricht.
Stephen Sondheims Musicals sind im deutschen Sprachraum weiter unterschätzt. Deshalb ist es dem Theater Plauen-Zwickau sehr hoch anzurechnen, mit „Das Lächeln einer Sommernacht“ den mutigen Schritt außerhalb des üblichen Repertoires zu wagen. Diese unter dem Strich gelungene Aufführung ist ein Abend für Musical-Gourmets und verdient viele Zuschauer.
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