Caroline Frank (Velma Kelly) und Ensemble © eventpress / Stage
Caroline Frank (Velma Kelly) und Ensemble © eventpress / Stage

Chicago (2015 - 2016)
Theater des Westens, Berlin

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Musik, Gesang, Tanz und Schauspiel. Dass eine gute Musical-Inszenierung nicht mehr braucht als diese vier Komponenten, beweist die sich aufs Wesentliche beschränkende „Chicago“-Produktion mit einem ganz auf Perfektion getrimmten Ensemble. Einfach grandios!

Es geschah beim gespreizten Doppeladler. In dieser artistischen Position erwischt Velma Kelly den Gatten mit ihrer Schwester in flagranti. Schuss und Schluss mit dem selbstbestimmten Leben. Nun sitzt sie im Chicagoer Frauengefängnis, in dem Mama Morton mit harter Hand, in der der ein oder andere Dollar für Gefälligkeiten verschwindet, regiert. Hierher wird auch Roxie Hart verbannt, die ihren Lover, der sie abservieren wollte, umgelegt hat.

Die Geschichte um die meuchelnden Mädels, die ein schmieriger Winkeladvokat öffentlichkeitswirksam inszeniert im Gericht vor dem Galgen rettet, tourt im Portfolio der Stage Entertainment als Klon der 1996er Broadway-Produktion (Regie: Walter Bobbie) durch die Lande. Betreut von Tânia Nardini (Inszenierung) und Gregory Butler (Choreografie) besticht die auf ein Minimum an Bühnenbild (John Lee Beatty) und Kostüm (William Ivey Long) reduzierte Aufführung durch Perfektion. Auf der ganz in schwarz gehaltenen Guckkastenbühne thront im Zentrum eine unter dem Dirigat von Jochen Kilian ganz fabelhaft jazzende 14-Mann-Band. Damit rückt Kanders packend-launige Partitur, die in der besuchten Berlin-Premiere manchmal die Sänger übertönt, ganz ins Zentrum des Geschehens.

In dem mit einem schräg nach hinten abfallenden, goldenen Bilderrahmen begrenzten Bereich treten auch die Solisten auf und nutzen die davor liegende, in Berlin recht eng wirkende Spielfläche für Ensembleszenen. Als Requisiten reichen ein paar schwarze Holzstühle, die die Darsteller für ihre Auftritte hereintragen und auch wieder entfernen. Dieses aufs Wesentliche konzentrierte Konzept lenkt die Zuschauer nicht durch Ausstattungs-Schnickschnack ab und beweist, dass „Chicago“ ein wirklich gut gemachte Satire auf Justiz- und Medienmaschinerie ist. Ob dies allerdings stolze Eintrittspreise von bis zu 125 Euro rechtfertigt, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Im Prinzip steht wieder die Besetzung der letzten Spiel-Station (Stuttgart) auf der Bühne. Die Truppe aus sexy Frauen und muskelbepackten Männern in einem Hauch an sehr knapp geschnittenen, schwarzen Kostümen tanzt sich in den zackig-anspruchsvollen Choreografien (Ann Reinking) quasi die Beine aus dem Leib und ist synchron in Perfektion. Es sitzt jede noch so kleine Bewegung und artistische Einlagen sorgen für Begeisterung. Ein echter Trumpf dieser Produktion!

Doch nicht nur die tänzerischen Leistungen verdienen viel Lob. So steht mit Carien Keizer eine echte Leading Lady auf der Bühne, die als Roxie auf den Punkt besetzt ist. Sie bewegt sich mal elegant, dann wieder trotzig, aber auch verkommen rotzig. Keizer schmeißt ihre endlos wirkenden Beine ohne jegliche Anstrengung in die Luft und bewältigt ihre vielen Gesangsaufgaben ebenso mühelos. Auch verleiht sie der Roxie durchaus komische Züge, wie zum Beispiel als kulleraugige Bauchrednerpuppe in der Pressekonferenz-Szene. Hier glänzt auch Nigel Casey als schlitzohriger Anwalt Billy Flynn im Gentleman-Outfit. Sein eleganter Bariton brilliert nicht nur in der Ensemble-Nummer „Hokuspokus“. Allerdings stört in den Dialogen sein starker Akzent, der ihn in den Sprechszenen schwer verständlich macht. Dieses Makel haben auch einige der Ensemble-Mitglieder, die immer wieder in kleinen Rollen auftreten.

Dass es in Deutschland wirklich gute muttersprachliche Musical-Darsteller gibt, beweisen die anderen Solisten. Martin Schäffner mutiert mit kräftiger Kopfstimme als Klatschreporterin Mary Sunshine zur koloraturgewandten Operettendiva, Isabel Dörfler (Mamma Morton) ist eine geschäftstüchtige Knastvorsteherin, deren „Sei gut zu Mamma“ zu den gesanglichen Höhepunkten der Show gehört. Gleiches gilt auch für Volker Metzger, der als schlaffig-unscheinbarer Roxie-Ehemann Amos mit seinem traurig-bedauernswerten „Mister Zellophan“ zum Sympathieträger der Show wird.

Einziger Neuzugang auf dem Berliner Besetzungszettel ist Caroline Frank als etwas zu brav geratene Velma. Nach anfänglicher Nervosität im Opener „All that Jazz“ (hier geht sie zudem stimmlich fast unter), fängt sich Frank gesanglich im Laufe der Show. Auch fehlt ihr tänzerisch im Vergleich zu den Darstellerkollegen noch die Routine – sie scheint irgendwie immer hinterher zu hinken. Diese kleinen Startschwierigkeiten dürften im Laufe der Spielserie allerdings verschwinden, sodass die ganz auf Perfektion getrimmte Produktion vollends glänzen kann und „Chicago“ in dieser Inszenierung ein Fest für alle Musical-Gourmets bleibt.

11.10.2015 bis 17.01.2016 – Theater des Westens, Berlin
04.03.2016 bis 10.04.2016 – Deutsches Theater, München

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
MusikJohn Kander
Buch und TexteFred Ebb
BuchBob Fosse
ÜbersetzungErika Gesell
Helmut Baumann
Neuübersetzung LiedtexteKevin Schroeder
Musikalische LeitungJochen Kilian
Original-RegieWalter Bobbie
Regie Berlin / MünchenTania Nardini
Original-ChoreografieAnn Reinking
Choreografie Berlin / MünchenGregory Butler
BühneJohn Lee Beatty
KostümeWilliam Ivery Long
LichtKen Billington
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Velma KellyCaroline Frank,
(Marcella Adema
Rachel Colley)

Roxie HartCarien Keizer,
(Marleen de Vries
Fleur Jagt)

Mamma MortonIsabel Dörfler,
(Marcella Adema
Rachel Colley)

Billy FlynnNigel Casey
(Livio Cecini
Matt Huet)

Amos HartVolker Metzger
(Livio Cecini
Jens Janke)

Mary SunshineMartin Schäffner
Victor Petersen
(Jens Janke)
EnsembleFleur Jagt
Michele Fichtner
Marcella Adema
Janina Hinrichs
Danielle Delys
Rachel Colley
Alan Byland
Matt Huet
Matthieu Vinetot
Rene Becker
Joshua Donovan
Shane Landres
Luke Jarvis
SwingsMarleen de Vries
Birgit Arquin
Dorit Oitzinger
Andre Naujoks
Perry Beenen
Rhys George
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
So, 11.10.2015 18:00Theater des Westens, BerlinPremiere
Di, 13.10.2015 19:30Theater des Westens, Berlin
Mi, 14.10.2015 18:30Theater des Westens, Berlin
▼ 149 weitere Termine einblenden (bis 10.04.2016) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay