Lana Gordon, Pasquale Aleardi, Carien Keizer © Stage Entertainment
Lana Gordon, Pasquale Aleardi, Carien Keizer © Stage Entertainment

Chicago (2014 - 2015)
Palladium Theater, Stuttgart

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Keine Kulissenwechsel, keine prunkvolle Ausstattung – das neue Stage-Vorzeigeprojekt „Chicago“ im Palladium-Theater Stuttgart bietet wenig für Liebhaber voluminöser Produktion. Und genau das macht den Kander/Ebb-Klassiker zum besonderen Erlebnis. Denn es lenkt den Blick auf das Wesentliche: Musik, Stimmen, Tanz und Story.

Zweieinhalb Stunden Musical aus dem Frauenknast und kein einziges Mal sind Gitter, Sträflingskleidung oder Holzpritschen zu sehen. Stattdessen herrscht auf der Bühne und den Akteuren ein Hauch von schwarzem Nichts. Wenn überhaupt, dann ist die 14-köpfige Bigband das Bühnenbild, denn sie sitzt präsent auf der Bühne und zeigt damit, worum es Regisseur Walter Bobbie geht: eine Geschichte mit Musik zu erzählen.

Kander und Ebbs Musical „Chicago“, das die Stage Entertainment nun nach Stuttgart gebracht hat, ist für das niederländische Theaterunternehmen eine ungewöhnliche Wahl. Standen in den vergangenen Jahren Stücke mit großer Kulisse und spektakulären Bühneneffekten im Fokus und wurden dem Musicalfan im Karussell-Verfahren immer wieder die gleichen Inszenierungen vorgesetzt, so ist das neue Projekt in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme.

Mit „Chicago“ holt die Stage Entertainment einen Klassiker nach Deutschland, der in der originalen Revival-Inszenierung von Walter Bobbie bereits seit 18 Jahren erfolgreich am Broadway läuft. Bobbie setzt gekonnt auf Understatement. Im Zentrum seiner Bühne stehen die Darsteller: Sänger und Tänzer, die ausschließlich mit Gesang und Bewegungen ihren knappen schwarzen Spitzenkleidern und durchsichtigen Hemdchen, ihren Melonenhüten und Netzstrümpfen Farbe einhauchen. Auch in Stuttgart bleibt diese Reduzierung auf das Essentielle unter der Führung von Associate Director Tania Nardini ungebrochen brillant.

Einen großen Anteil an der elektrisierenden Stimmung des Stücks haben die Choreographien von Ann Reinking, die der New Yorker Associate Choreographer Gregory Butler ebenso atemberaubend auf die Stuttgarter Bühne gebracht hat. Jede Handbewegung, jeder Schritt und Kick dieses tänzerisch wie gesanglich großartigen Ensembles knistert vor Spannung und Erotik.

Ein gutes Händchen bewiesen die Macher auch bei der Besetzung der Hauptrollen: Carien Keizer (Roxie Hart), Nigel Casey (Billy Flynn) und Lana Gordon (Velma Kelly) sind starke Einzelperformer, harmonieren aber auch ausgezeichnet im Zusammenspiel.

Carien Keizer weiß mit ihrer samtigen, leicht rauchigen Stimme als ruhmsüchtige Mörderin Roxie auf ganzer Linie zu überzeugen. Schauspielerisch legt Keizer die Rolle berechnender an als etwa Renée Zellweger in der vielgelobten Filmfassung von 2003. Ihre Roxie ist weniger naiv und weiß durchaus, wie sie ihren Vorteil aus dem Medienrummel ziehen kann. Durch ihr differenziertes Spiel schafft es Keizer, die Rolle besonders facettenreich zu gestalten. Auch komödiantisch beweist sich die Niederländerin: Großartig ist ihre Bauchrednerpuppen-Einlage mit Nigel Casey bei „Beide griffen nach dem Colt“.

Casey spielt den Staranwalt Billy Flynn mit einer lustvollen Mischung aus Charme, Verschlagenheit und Schmierigkeit. Nicht nur optisch erinnert er dabei immer wieder an einen aalglatten Christoph Waltz. Auch gesanglich gelingt Casey eine durch und durch stimmige Leistung. Die bekannte Nummer „Hokuspokus“ entfaltet in Caseys Version einen ganz besonderen Charme.

Dass Lana Gordon eine herausragende Soulstimme hat, konnte das deutsche Publikum bereits in „Tarzan“ und „Sister Act“ feststellen. Es verwundert also nicht, dass sie auch in „Chicago“ auf ganzer Linie überzeugt. Ihr „All der Jazz“ ist die perfekte Eröffnungsnummer: Kraftvoll und spielerisch dominant erstreitet sich Gordon als Velma die Aufmerksamkeit des Publikums. Schauspielerisch zeigt sich die US-Amerikanerin sehr fähig, wenngleich einige Gags des Skripts ihrem starken Akzent zum Opfer fallen.

Auch in den Nebenrollen hat die Stage Entertainment bei dieser Produktion sehr gute Darsteller verpflichtet: Isabel Dörflers Mamma Morton erinnert vielleicht ein bisschen zu stark an ihre Mrs van Hopper aus „Rebecca“, ist aber dennoch sehr sehens- und hörenswert. Martin Schäffner verblüfft als Klatschreporterin Mary Sunshine mit atemberaubendem Falsettgesang. Besondere Sympathie weckt zudem Volker Metzger als unbeholfener, gehörnter Ehemann Amos Hart. Mit zurückgenommener Gestik und lethargischer Mimik kann er voll überzeugen. Sein Solo „Mister Zellophan“ wird einer der Höhepunkte des zweiten Akts.

Großer Star dieser Produktion – und das freut den Kritiker, der seit Jahren gegen die sinkenden Personenzahlen in den Orchestergräben der Stage-Produktionen anschreibt – ist die 14-köpfige Bigband unter der Leitung von Klaus Wilhelm. Die jazzig-schleifende Musik von John Kander kommt durch das nahezu perfekt abgemischte Zusammenspiel von Blech- und Holzbläsern sowie Zupfer, Streichern und Perkussion perfekt zur Geltung. Die letzte Verbeugung des Abends gebührt daher – zu Recht – den Musikern.

Ob das Publikum bereit ist, sich auf die reduzierte Optik von „Chicago“ einzulassen, und dafür die Stage-üblichen Preise zu bezahlen, bleibt eine spannende Frage. Verdient hat es diese Produktion auf alle Fälle, denn selten sieht man Darsteller, Tanz und Musik in einem so runden Zusammenspiel wie derzeit im Palladium-Theater. Chapeau!

 
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KREATIVTEAM
MusikJohn Kander
Buch und TexteFred Ebb
BuchBob Fosse
ÜbersetzungErika Gesell
Helmut Baumann
Neuübersetzung LiedtexteKevin Schroeder
Musikalische LeitungKlaus Wilhelm
Original-RegieWalter Bobbie
Regie StuttgartTania Nardini
Original-ChoreografieAnn Reinking
Choreografie StuttgartGregory Butler
BühneJohn Lee Beatty
KostümeWilliam Ivery Long
LichtKen Billington
 
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CAST (AKTUELL)
Roxie HartCarien Keizer,
(Giulia Vazzoler
Ellen Wawrzyniak)

Velma KellyLana Gordon,
(Marcella Adema
Rachel Colley
Ellen Wawrzyniak)

Billy FlynnNigel Casey,
(Livio Cecini
Philipp Hägeli)

Mama MortonIsabel Dörfler,
(Rachel Colley
Julieta Anahi Frias)

Amos HartVolker Metzger,
(Danilo Brunetti
Livio Cecini)

Mary SunshineMartin Schäffner,
(Victor Petersen)
EnsembleMarcella Adema
Natalie Bennyworth
Alan Byland
Rachel Colley
Connor Collins
Alex Frei
Julieta Anahi Frias
Zoe Leone Gappy
Philipp Hägeli
Fleur Jagt
Ross McDermott
Sean McFadden
Bryan Mottram
SwingsBianca Benjamin
Danilo Brunetti
Rhys George
Timo Muller
Dorit Oitzinger
Guilia Vazzoler
Ellen Wawrzyniak
 
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CAST (HISTORY)
Billy FlynnPasquale Aleardi [Januar bis März 2015]
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 06.11.2014 19:30Palladium Theater, StuttgartPremiere
Sa, 08.11.2014 14:30Palladium Theater, Stuttgart
Sa, 08.11.2014 19:30Palladium Theater, Stuttgart
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