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Die deutschsprachige Erstaufführung des Musicals über das bekannte Gangster-Duo am Theater Bielefeld schafft aufgrund eines unausgereiften Buches und einer musikalischen Aneinanderreihung von Liebesbekundungen nur einen Streifschuss. Der Volltreffer bleibt jedoch aus.
Der tragische Schluss der oft langatmigen Geschichte wird vorweggenommen: Das Stück beginnt mit der Erschießung der Titelfiguren durch die Polizei. Bonnie und Clyde sind spätestens seit der Verfilmung mit Warren Beatty und Faye Dunaway aus dem Jahr 1967 ein Begriff. Dieser Film rückte die Protagonisten in ein romantisches Licht und lies sie dadurch wie Helden erscheinen. Tatsächlich waren sie Verbrecher, die im mittleren Westen der USA kleine Läden und später Banken ausraubten – insgesamt ermordeten sie dabei 14 Menschen.
Das Musical von Frank Wildhorn (Musik), Don Black (Texte) und Ivan Menchell (Buch), das 2011 am Broadway floppte, versucht, die sozialen und familären Hintergründe der beiden Antihelden zu beleuchten. Dies funktioniert bei Bonnie gut. Ihr anfänglicher Skrupel, die kriminellen Handlungen Clydes mitzutragen, spielt Abla Alaoui überzeugend. Durch ihre große Liebe zu Clyde, gepaart mit ihrer Sehnsucht nach Rampenlicht und Publicity gerät sie dennoch auf die schiefe Bahn. Clyde stahl bereits als Kind mit seinem Bruder Buck, landete häufig, teilweise unschuldig, im Gefängnis und lässt sich mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch nicht von seinem kriminellen Weg abbringen. Möglicherweise ist der Anlass hierfür seine soziale Situation, vielleicht seine erlittene Vergewaltigung im Gefängnis oder einfach sein Charakter mit starken rechtswidrigen Tendenzen. Vieles davon wird im Stück angedeutet, kommt jedoch nicht klar beim Publikum an und somit plätschern die Geschichte und die Inszenierung von Jens Göbel dahin.
Der neunköpfigen Band unter der Leitung von William Wart Murta merkt man ihre Musicalerfahrung deutlich an. Es macht richtig Spaß, ihrem vollen Klang der Musik von Frank Wildhorn zu lauschen. Seine Partitur paart Überraschungen mit Altbewährtem und ist dadurch abwechslungsreich: Gerade am Anfang werden schwungvolle Country-Sounds gespielt, später Gospel und Blues, aber erwartungsgemäß auch die typischen Wildhorn-Belt-Balladen, wie man sie aus seinen anderen Stücken kennt. Zum Ende mehren sich diese in Reprisen mit diversen schmachtenden Liebeserklärungen, so dass sich der letzte Teil nahezu opernhaft ohne weitere Handlung hinzieht. Das Ende ist bekannt, die Zuschauer warten auf den letzten Kugelhagel. Recht überraschend bricht das Stück vorher ab – doch an diesem Punkt ist die eigentliche Geschichte schon lange zu Ende erzählt.
Das Bühnenbild von Julia Hattstein wird von einem großen, quer über die Bühne reichenden, im Bau befindlichen Brückenviadukt dominiert. Der Mittelteil bietet mit einem Tuch und einem Kreuz aus Holzbalken darauf Platz für verschiedene unaufdringliche Projektionen. Am Bühnenrand neben dem rechten Bogen ist ein Gerüst platziert, das begehbar ist. Dies hat mit der Geschichte wenig zu tun, ist jedoch trotzdem gelungen. An der linken Bühnenseite befindet sich die Attrappe eines Autos, in dem Bonnie und Clyde nach ihren Taten vor der Polizei flüchten. Durch die häufig eingesetzte Drehbühne entstehen schnell neue Bilder wie z.B. der Friseursalon von Blanche, das Gefängnis und die Kirche mit einem meterhohen weißen Kreuz.
Gekonnt auch von hinten eingesetzte Licht- und Schattenspiele erzeugen ergreifende Momente, wenn die Schatten der Wärter im Gefängnis riesig aussehen oder die Geländer des Viaduktes oben angestrahlt werden. Die Kostüme sind wie die Requisiten zeitgemäß im Stil der 1930er Jahre.
Die Hauptrollen werden hier passend und überzeugend von sehr jungen Musicaldarstellern gespielt. Philipp Büttner als Clyde ist genau der richtige Typ Draufgänger: groß, muskulös und machohaft. Dazu verfügt er über eine kraftvolle Stimme und eine starke Bühnenpräsenz. Bewegend spielt er seine eigene Erschrockenheit, als er zum ersten Mal einen Menschen umgebracht hat. Er empfindet seine Taten nicht als falsch, er sieht sich – wie sein Vorbild Billy the Kid – als Opfer der Umstände und verdrängt, dass dieser jung erschossen wurde.
Nach anfänglichen Skrupeln wird Bonnie von einer Mitwisserin zur Mittäterin und greift später schließlich selbst zur Waffe. Dabei genießt sie den Ruhm ihrer Taten, den sie sich so lange ersehnt hat. Fast skurril ist die Szene, in denen die mittlerweile berühmt gewordenen Gangster bei einem Überfall Autogramme geben und sich darüber streiten, ob sie von der Presse lieber „Bonnie & Clyde“ oder „Clyde & Bonnie“ genannt werden wollen. Abla Alaoui spielt sehr liebenswert und intoniert die schwierige Partitur ansprechend.
Thomas Klotz überzeugt in seiner Nebenrolle als unglücklich in Bonnie verliebter Polizist Ted Hinton. Er singt mit angenehm gefärbter Stimme das schönste Lied des Stückes im Duett mit Philipp Büttner, wer von beiden die bessere Partie für Bonnie ist. Als Blanche, die gottestreue Frau von Clydes Bruder Buck, gefällt Navina Heyne. Sie hat ihre besten Auftritte in der lustigen Nummer am Anfang, in der sie ihrem Mann im Friseursalon klarzumachen versucht, dass er zurück ins Gefängnis gehen soll und in ihrem kleinen ruhigen Lied im zweiten Akt, welches sie wohlklingend darbietet. Ihr Wandel, sich zum Ende der Gang anzuschließen, ist wenig nachvollziehbar. Als der stets im Schatten seiner Frau oder seines Bruders stehende Buck bleibt Udo Eickelmann stimmlich und schauspielerisch rollenbedingt blass.
Mark Coles gibt den Gospelpart in seinen beiden Nummern mit toller Soul-Stimme, ist durch seinen starken Akzent jedoch schwer zu verstehen. Der Opernchor fügt sich in diesen Nummern nahtlos ein und absolviert sogar einige kleine ansehnliche Choreografien von Adonai Luna, der ansonsten wenig gefordert wurde. Den Titelrollen wurden jugendliche Alter Egos zur Seite gestellt, die am Anfang und am Ende auftauchen und von den Wünschen und Träumen der beiden erzählen. Tina Haas und Fabian Kaiser wirken hierin allerdings kaum jünger als die beiden Hauptdarsteller, was diesen Griff etwas fraglich wirken lässt.
Das Theater Bielefeld hat sich, nicht zuletzt durch den Einsatz von William Wart Murta, als eines der führenden Häuser für Musicals hierzulande etabliert. Es ist eine mutige und erfreuliche Entscheidung der vergleichsweise kleinen Bühne, die deutschsprachige Erstaufführung eines Wildhorn-Stückes zu stemmen. Doch obwohl seitens des Theaters nahezu alles stimmt, wird es aufgrund der schwachen Buchvorlage nicht zu einem Volltreffer.
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KREATIVTEAM |
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Buch | Ivan Menchell |
Liedtexte | Don Black |
Musik | Frank Wildhorn |
Deutsche Übersetzung | Holger Hauer |
Musikalische Leitung | William Ward Murta |
Inszenierung | Jens Göbel |
Bühne und Kostüme | Julia Hattstein |
Video | Konrad Kästner |
Choreographie | Adonai Luna |
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CAST (AKTUELL) |
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Bonnie Parker | Abla Alaoui |
Clyde Barrow | Philipp Büttner Benedikt Ivo |
Buck Barrow | Udo Eickelmann Jens Janke |
Blanche Barrow | Navina Heyne |
Cumie Barrow | Maila Traczyk |
Henry Barrow | Ulrich Wiedemann |
Emma Parker | Melanie Kreuter |
Ted Hinton | Thomas Klotz Patrik Cieslik |
Der junge Clyde / Mann 3 etc. | Fabian Kaiser |
Die junge Bonnie / Ensemble | Tina Haas Christina Patten |
Richter / Priester | Mark Coles |
Trish / Gouverneurin \"Ma\" Ferguson | Michaela Duhme |
Eleanor / Frau 1 | Jessica Krüger Maria-Lena Hecking |
Stella | Evelina Quilichini |
Polizist / Sheriff Smoot Schmid / Mann 1 | Ulrich Allroggen |
Frank Hamer / Deputy Bud Russel / John etc. | Bernard Niemeyer |
Wache 2 / Mr. McGuire / Deputy Johnson | Krzysztof Gornowicz |
Kunde / Kassierer / Bob Alcorn | Lutz Laible |
Ed Crowder | Stefan Mießeler |
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