© Jens Lesniak/muz
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Die letzte Kommune (2013 - 2015)
GRIPS Theater, Berlin

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Wohngemeinschaft statt Heim. Das Zusammenleben auf der Bühne funktioniert gut, allerdings haben Peter Lund (Buch) und Thomas Zaufke (Musik) nicht unbedingt ihr bestes Werk geschaffen. Trotz zweier herausragender Darsteller (Regina Lemnitz, Dietrich Lehmann) bleibt das Sozialkritik-Musical blass und langweilig.

Friedrich soll abgeschoben werden. Das ist der Plan von Tochter Heidi und Schwiegersohn Georg. Jemand, der einen Zimmerbrand entfacht, weil er Essen auf dem Herd vergisst, der gehört unter Aufsicht und ins Heim. „Residenz zur Sonne“ heißt die Rentner-Abstellkammer, deren Bewohner mit albernen Spielchen bei Laune gehalten werden. Doch die Junioren haben die Rechnung ohne den Senior gemacht. Der gewünschte Umzug platzt. Der emeritierte Professor für Sozialarbeit räumt nicht das Feld, sondern beharrt auf sein selbstbestimmtes Leben in der Kommune, die er schon bei Geburt seiner Tochter vor über 45 Jahren bewohnt hat. Das Problem: ihm sind die Mitbewohner abhanden gekommen. Lediglich Kumpel und Alt-Kommunist Hannes teilt mit ihm noch die WG.

Nach und nach füllen sich allerdings die Plätze an der langen Tafel in der von Jan A. Schroeder entworfenen, schicken Küche: Der obdachlose Atze wird ebenso aufgenommen, wie Josi, die sich mit Sack und Pack aus der gar nicht so sonnigen Seniorenresidenz abgesetzt hat. Auf der Flucht vor einem zu bürgerlichen Leben stößt Hannes‘ Enkelin zur Gruppe. Lotte orientiert sich lieber an den linken Werten ihres Opas und möchte die Kommune zu ihren ursprünglichen Idealen wie Chancengleichheit und Gemeinschaftseigentum zurückführen.

Die Stärke von Peter Lunds Buch liegt in genau diesen fünf Mitbewohnern, die Regisseurin Franziska Steiof trotz aller Klischeehaftigkeit präzise und typgerecht agieren lässt. Problematisch wird die Vorlage, wenn die Kommune um Friedrichs Tochter Heidi und Enkel Philipp erweitert wird. Beide erkennen das wahre Gesicht von Ehemann und Vater, dem schmierigen Yuppi-Versicherungsvertreter Georg, der sich kaltschnäuzig die zu entwohnende Immobilie unter den Nagel reißen will. Ihre Reaktion ist schon deshalb wenig nachvollziehbar, weil Heidi ihre Kindheit in der Kommune in keiner guten Erinnerung hat und ganz spießig bei jedem Besuch die adrett gebügelten Oberhemden ihres Vaters und einen Topf mit vorgekochtem Essen mitbringt. Auch ihr Spross, ein Smartphone-süchtiger Junge mit Wollmütze und Hornbrille passt mit seiner Konsumorientierung nicht in die Gemeinschaftswelt.

Mit Ausnahme von Josis zunehmender Demenz und ihrem gewählten Freitod hat der dreistündige Abend keine dramaturgischen Höhepunkte zu bieten und schleppt sich dahin. Da kann Steiof noch so emotional inszenieren, letztendlich langweilt „Die letzte Kommune“ vor allem durch ihr Buch.

Auch die Kompositionen von Thomas Zaufke können das Ruder nicht herumreißen. Im Gegenteil: Seine Musik, gespielt von der rechts über der Bühne in einem separaten Raum platzierten Band (Leitung: Bettina Koch), besitzt kaum Ohrwurmpotenzial und wirkt lähmend. Alleine der vom gesamten Ensemble zum WG-Abschied von Josi intonierte, griechisch anmutende Schlager „Schaut nicht zurück“ mit Syrthaki-Tanz (Choreografie: Clébio Oliveira) hat Pep. Beklemmend hingegen „Wo sind all die Worte?“, in dem Josi ihre Krankheit thematisiert. Doch es sind nicht Zaufkes untermalende Noten, die den Song zum Höhepunkt des Abends werden lassen. Gänsehaut ruft vielmehr Regina Lemnitz‘ anrührende Darstellung einer wirren, alten Frau hervor, die verzweifelt in einem weißen Kleid (Kostüme: Sibylle Meier) in einem Sessel sitzt und mit leicht brüchiger Stimme singt. Bravo!

Aus dem sehr inhomogen wirkenden Ensemble ragt noch Dietrich Lehmann als forscher Rentner Friedrich heraus. Es ist ein Erlebnis, diesen 74-jährigen Darsteller, der seit 1972 beim GRIPS Theater auf der Bühne steht, in einer Rolle zu sehen, die ihm auf den Leib geschrieben zu sein scheint. Neben den beiden tatsächlich alten Mimen wirkt das restliche Ensemble blass. Problematisch ist vor allem, dass mit Ausnahme von Christian Giese (Hannes), die restlichen Darsteller optisch allesamt gleich alt aussehen, obwohl sie unterschiedliche Generationen darstellen sollen. Vor allem Paul Jumin Hoffmann (Philipp) und Maria Perlick (Lotte) wirken nicht mehr wie Jugendliche kurz vor oder nach der Volljährigkeit. Immerhin kann Perlick mit ihrer Gesangsstimme und durch ihr leicht rotziges Spiel glänzen. Als ihr Vater Michael bleibt Jens Mondalksi eher unscheinbar, während René Schubert (Georg) den herzlosen Dauer-Bösewicht gibt. Regine Seidler als ihm angetraute, zweifelnde Heide ist ebenso ein Lichtblick wie Kilian Ponert als sich durchschnorrender Obdachloser Atze.

„Die letzte Kommune“ wirbt für alternative Lebensformen und kritisiert den Umgang in der Gesellschaft mit Alter und Kranhkeit. Allerdings haben diese Themen eine entschieden bessere Vorlage verdient.

Schauspiel für drei Generationen von Peter Lund mit Musik von Thomas Zaufke

 
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KREATIVTEAM
InszenierungFranziska Steiof
BühnenbildJan A. Schroeder
KostümeSybille Meyer
ChoreografieClébio Oliveira
 
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CAST (AKTUELL)
Familie Puhlmann
Friedrich, 78 Jahre, emeritierter Professor für SozialarbeitDietrich Lehmann
Heidi, 46 Jahre, Friedrichs TochterRegine Seidler
Georg, 52 Jahre Friedrichs Schwiegersohn und Heidis MannRené Schubert
Philipp, 17 Jahre, Enkel von FriedrichPaul Jumin Hoffmann
Familie Majowski
Hannes, 69 Jahre, Kumpel von FriedrichChristian Giese
Michael, 44 Jahre, Hannes' SohnJens Mondalski
Lotte, 18 Jahre, Hannes' EnkelinMaria Perlick
Josephine Bouvier, 77 Jahre, genannt JosiRegina Lemnitz
Arthur Funcke, 30 Jahre, genannt AtzeKilian Ponert
Band
dmsMartin Fonfara
guitJohannes Gehlmann
keysRobert Neumann
saxThomas Keller
bassCarsten Schmelzer
  
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TERMINE
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 21.09.2013 19:30GRIPS Theater, BerlinPremiere
Mo, 23.09.2013 19:30GRIPS Theater, Berlinausverkauft
Sa, 05.10.2013 19:30GRIPS Theater, Berlinausverkauft
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