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Auch die dritte Eigenproduktion der Thuner Seespiele überzeugt. Unter der Regie von Andreas Gergen agiert ein erfahrenes und hochkarätig besetztes Ensemble. Die Stärken der Aufführung liegen in der feinen Zeichnung der Charaktere und den punktgenauen Choreographien von Simon Eichenberger. Einziger Wermutstropfen ist eine etwas zu kitschig geratene Liebesgeschichte.
Etwas karg mutet die diesjährige Seebühne (Heinz Hauser) im Stil eines Monopoly-Brettes an. Doch sobald sie sich mit den Darstellern füllt, merkt man, dass die Zurückhaltung im Bühnenbild die Charaktere in den Mittelpunkt rückt und somit die Geschichte Dürrenmatts unterstreicht. Das Spannende beim „Besuch der alten Dame“ ist, zu beobachten wie sich die Gier, die Doppelmoral und die Falschheit unter den Einwohnern entwickelt, als alte Dame verkündet, dem Dorf zwei Milliarden für den Tod von Alfred Ill zu spenden.
In der Mitte des Geschehens steht auf einer Hebebühne die Kommandozentrale der Claire Zachanassian (Pia Douwes), von der aus sie ihre Fäden zieht. Eine beleuchtete Skyline zeigt, dass wir uns in Güllen und nicht einer der Metropolen befinden, in der die alte Dame sonst logiert. Ein Wassergraben im hinteren Teil der Bühne wird u.a. bei „Ungeheuerlich“ in eine der eindrucksvollen Choreographien miteinbezogen, die das Thema Doppelmoral in Form von Bewegung ausdrückt, indem die Schultern und der ganze Körper stellenweise vor Gier zu zucken beginnen.
Die zunächst in Schwarzweiß gehaltenen Kostümen (Uta Loher) deuten die Provinz als Handlungsort anhand von einfachen Gummistiefeln an. Im Verlaufe des Stückes werden diese um neu erworbene, dekadente Accessoires (Pumps, Cowboystiefel, Hüte, etc.) in Neonfarben ergänzt, was die aufkeimende Materialismus in der Kleinstadt visuell reflektiert.
Das Orchester unter der Leitung von Iwan Wassilevski spielt gewohnt souverän und energetisch auf. Bei den Kompositionen von Moritz Schneider und Michael Reed wechseln sich intime Balladen mit starken Ensemblenummern ab. Sie unterstützen die Handlung, haben aber mit Ausnahme des wiederkehrenden Leitthemas kaum Ohrwürmer zu bieten.
Pia Douwes als Claire Zachanassian ist stimmlich und schauspiereisch grandios. Ihre Bühnenpräsenz ist überragend, jede Faser ihres Körpers scheint gespannt, wenn sie mit authentisch gemimter Gehbehinderung über die Bühne schreitet. Für das Dämonische, das sie umgibt, wie auch die Zerrissenheit ihrer Figur findet Douwes immer das richtige Maß. Die Grand-Dame des Musicals als „Alte Dame“ – ein Genuss.
Ihr zur Seite steht Uwe Kröger als Alfred Ill. Die Beiden sind ein eingespieltes Team, das auf der Bühne optimal harmoniert. Krögers Energie ist während des ganzen Abends spür- und sichtbar, seine Soloparts überzeugen. Schauspielerisch gerät sein Alfred allerdings stellenweise sehr theatralisch und eindimensional. Dies mag auch an der Auslegung der Figur liegen, die im Stück stets verzweifelt und gehetzt ist.
In der kleineren, aber äußerst wichtigen Rolle des Lehrers Klaus Brandstetter ist Ethan Freeman zu sehen. Er spielt diesen einfühlsam und bringt den aufkeimenden Wahnsinn überzeugend rüber. Seine sonore warme Stimme bleibt im Gedächtnis. Ebenso die rundum stimmigen Leistungen der restlichen Cast, die sich aus sehr erfahrenen und versierten Darstellern wie Norbert Lamla (Polizist), Dean Welterlen (Pfarrer), Masha Karell (Mathilde Ill) und Elisabeth Hübert zusammensetzt.
So fällt letztendlich nur eine Schwäche des Stücks ins Gewicht und diese ist buchbedingt: Zwischendurch wird die Liebesgeschichte der jungen Claire und des jungen Alfred in Rückblenden erzählt, obwohl diese für das Verständnis nicht notwendig ist und den Handlungsverlauf eher stört. Doch das ist angesichts der großartig inszenierten Schlussszene wieder zu verschmerzen: Der Bürgermeister hält den Scheck über zwei Milliarden in der Hand, alle Bewohner von Güllen kreisen ihn ein und greifen danach. Ein Moment, in dem man schluckt und sich selber fragt: Was würde ich tun?
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KREATIVTEAM |
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Regie | Andreas Gergen |
Musikalische Leitung | Iwan Wassilevski |
Choreographie | Simon Eichenberger |
Ton | Thomas Strebel |
Produzentin | Elsbeth Jung Stücki |
Executive Producer | Philip Delaquis |
Musik | Moritz Schneider Michael Reed |
Buch & Creative Development | Christian Struppeck |
Musical Supervision & Arrangements | Michael Reed |
Liedtexte | Wolfgang Hofer |
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CAST (AKTUELL) |
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Claire Zachanassian | Pia Douwes, (Masha Karell) |
Alfred Ill | Uwe Kröger Ethan Freeman |
Klaus Brandstetter | Ethan Freeman, (Thomas Christ) |
Mathilde Ill | Masha Karell, (Mona Graw) |
Matthias Richter | Hans Neblung |
Gerhard Lang | Norbert Lamla, (Dean Welterlen) |
Johannes Reitenberg | Dean Welterlen, (Jeroen Phaff) |
Roby | Jeroen Phaff, (Shane Dickson Adrian Hochstrasser) |
Toby | Thomas Christ, (Shane Dickson Adrian Hochstrasser) |
Loby | Eric Hättenschwiler, (Shane Dickson Adrian Hochstrasser) |
Julia Ill | Marianne Curn, (Heidy Suter) |
Tobias Ill | Niklas Abel, (Timo Verse) |
Claire jung | Shari Lynn Stewen, (Hanna Kastner) |
Afred jung | Bernhard Viktorin Luca Hänni, (Timo Verse) |
Ensemble | Rachel Colley Mona Graw Elisabeth Hübert Hanna Kastner Heidy Suter Ellen Wawrzyniak Arthur Büscher Shane Dickson Kevin Foster Pascal Illi Florian Fetterle Timo Verse Robert Johansson |
Swings | Amaya Keller Adrian Hochstrasser |
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