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20 Jahre nach der Uraufführung zeigt das Badische Staatstheater Karlsruhe mit „Alice“ eine Adaption von „Alice im Wunderland“, die auch das Verhältnis von Autor Lewis Carroll und seiner Kindermuse Alice Liddell näher beleuchtet. Dank großartiger Bühnen- und Kostümideen erhebt sich auf der Bühne die bizarr-düstere Welt des Wunderlands. Darin verirrt sich das Stück allerdings auch und verfehlt ohne klare Linie seine Ambitionen.
Zu Silvester wird das Stück wieder in den Spielplan aufgenommen.
War Lewis Carroll pädophil? Bis heute steht diese Frage im Raum, vor allem durch Carrolls berühmte Kinderfotos angeheizt, und setzt seinen Kinderbuchklassiker „Alice im Wunderland“ ins Zwielicht. So steht die Frage auch im Zentrum der Rock-Musical-Adaption „Alice“ aus der Feder von Robert Wilson und Tom Waits: Wie war das Verhältnis zwischen dem Autor, der eigentlich Charles Dodgson hieß, und der realen Alice und wie beeinflusste die Beziehung das Leben der beiden?
Im Traum sieht Dodgson die erwachsen gewordene Alice, wie sie die Abenteuer seines Wunderlands erlebt. Dazwischen webt das Stück immer wieder Szenen ein, die das Verhältnis des Schriftstellers zu Alice beleuchten… oder auch nicht. Denn wirklich beleuchtet wird in „Alice“ nichts, alles bleibt vage. Gibt es ein körperliches Verlangen Dodgsons gegenüber Alice? Eine sexuelle Begierde? Eine konkrete Haltung will das Musical nicht einnehmen und bleibt mit einer konfusen Mischung aus platonischer Liebe und Andeutungen von Alices Hilflosigkeit lieber auf sicherem Boden. Zu viele Ideen wirft das Buch von Robert Wilson und Paul Schmidt in einen Topf und schafft es nicht, aus diesem Wust eine in sich stimmige Aussage zu zimmern. Neben dem Pädophilie-Thema wird Alices Suche nach der eigenen Identität überhöht und das bizarre Wunderland zum Gleichnis für ihre Angst vor dem Erwachsen- und Rationalwerden. Wenig Mehrwert bringen auch die Songs von Tom Waits, denen ein klarer Bezug zur Handlung des Stücks fehlt und die wegen fehlender Übertitel auch nicht sofort erschließbar sind.
Dass das wirre Knäuel dennoch Struktur bekommt, liegt an der beachtlichen Aufarbeitungsleistung von Regisseur Daniel Pflugler, der „Alice“ mit Mut zur Leere als Kammerspiel inszeniert. Immer wieder entstehen neue Spielräume aus dem Nichts, in denen die Fantastereien der Vorlage mit geringsten Mitteln umgesetzt werden. Durch ein geschicktes Spiel mit verschieden großen Türen wird Alices Schrumpfen und Wachsen dargestellt und die Teegesellschaft des Hutmachers zu einem Experiment mit Versuchstieren. Das kleine Haus des Badischen Staatstheaters ist der ideale Ort für diese Inszenierung, die die Barriere zwischen Bühnen- und Zuschauerraum mehrfach durchbricht. Während das Bühnenbild von Flurin Borg Madsen sich vornehm zurückhält und nur hier und da mit reduzierter Requisite Akzente setzt, wirken die schillernden Wunderlandbewohner in Lackleder und Plastik passend gruselig-bizarr. Vor allem die Kostüme der Raupe, von fünf Darstellern in Fatsuits gespielt, und der roten Königin, deren Kleid sich in einem Podest mit Guillotine verliert, sind kreative Meisterleistungen von Janine Wertmann.
Die musikalische Leitung von Clemens Rynkowski, der die Songs von Tom Waits für das sechsköpfige Ensemble mit 22 Instrumenten neu adaptiert hat, lässt keine Wünsche offen. Mit großer Raffinesse setzt er den Stilmix zwischen Jazz, Blues und Alternative Rock um. Das Ensemble liefert durch die Bank überzeugende Leistungen. Auch wenn einige Töne nicht ganz sitzen, so bleiben doch vor allem die gebrochen-rauchige Stimme von „Charles Dodgson“ Robert Besta und Eva Derleder als Raupe und Rote Königin im Gedächtnis. Ursula Grossenbauer spielt Alice trotz reiferer Jahre als hinreißend verirrtes Kind.
Es ist die Leistung der Karlsruher Theaterschaffenden, dass „Alice“ auf der Bühne funktioniert. Wer von „Alice im Wunderland“ nur die Disney-Verfilmung kennt, der sollte keinesfalls auf das Programmheft verzichten. Denn ohne Handreichungen steht der Zuschauer vor einem schier unüberwindbaren Wust an Eindrücken, so seltsam wie die Welt unter dem Kaninchenbau.
Musical von Robert Wilson, Tom Waits, Kathleen Brennan und Paul Schmidt nach Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“
Musik und Gesangstexte von Tom Waits und Kathleen Brennan – Text von Paul Schmidt – Regie, Design und Visual Concept der Originalproduktion von Robert Wilson – Deutsch von Wolfgang Wiens
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KREATIVTEAM |
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Regie | Daniel Pfluger |
Musikalische Leitung & Arrangements | Clemens Rynkowski |
Bühne | Flurin Borg Madsen |
Kostüme | Janine Werthmann |
Dramaturgie | Nina Steinhilber |
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CAST (AKTUELL) |
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Alice | Ursula Grossenbacher |
Charles Dodgson / Photograph / Weißes Kaninchen / Weißer Ritter | Robert Besta |
Rose / Cheshire Cat / Humpty Dumpty | Hannes Fischer |
Raupe / Schachkönigin | Eva Derleder |
Fisch, Lakai / Schachkönig / Weißes Schaf | Gunnar Schmidt |
Lilie / Hutmacher / Tweedle Dee | Joanna Kitzl |
Gänseblümchen / Köchin / Märzhase / Tweedle Dum | Jan Andreesen |
Frosch, Lakai / Rehkitz / Schwarzer Ritter | Natanaël Lienhard |
Gänseblümchen / Herzogin / Haselmaus | Anna-Magdalena Beetz |
Altar Boy (Solo) | Georg Krause |
Ensemble / Altar Boys / Viktorianische Vikare | László Branko Breiding Lukas Fries Leon Hellstern Marvin Hock |
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