Die Hamburger „Swing Kids“ tanzen 1941 in Leo’s Bar zur verbotenen Musik des Feindes. Das temporeiche Musical mit ernstem Hintergrund macht in der Marburger Inszenierung trotz gesanglicher und tänzerischer Mängel viel Spaß.
Der erfahrene Regisseur Peter Radestock ist seit 1991 am Hessischen Landestheater tätig und hat in dieser Zeit neben einer Vielzahl von Theaterstücken unter anderem den „Kleinen Horrorladen“ und die „Dreigroschenoper“ inszeniert. Als Neuling des Musiktheaters kann er also nicht bezeichnet werden – trotzdem hat er bei dieser Inszenierung offensichtlich dem Schauspiel den größten Platz eingeräumt, Tanz und Gesang fallen dagegen ziemlich ab. Dies liegt sicher zum Teil an den Fähigkeiten der ihm zur Verfügung stehenden Darsteller, sie alle sind eher im Theaterbereich als auf der Musicalbühne zu Hause. Nur wenige Ensemblemitglieder verfügen über eine ausgebildete Stimme, und keiner bringt professionelle Erfahrung im tänzerischen Bereich mit. Bei der an Stadttheatern üblichen kurzen Probenzeit ist außerdem eine intensive Stimmbildung oder gründliches Tanztraining schwer möglich. Daher mussten Radestock und sein Choreograf Jörg Henseling das Bestmögliche aus den vorhandenen Begabungen und Erfahrungen des Ensembles herausholen.
Dies gelingt beiden dann auch fast durchgehend. Mit großer Überzeugung spielt Thomas Streibig den Oscar Leonhardt, in dessen Bar ein Großteil der Handlung stattfindet. Er zeigt in den ruhigen, intensiven Szenen mit Juliane Beier seine exzellenten schauspielerischen Fähigkeiten, seine gesanglichen Leistungen bleiben leider weit dahinter zurück. Beier ist Emma Löwenstein, eine Jüdin auf der Flucht vor den Nazischergen. Sie singt mit einer etwas unsicheren, aber auffällig klaren Stimme und spielt die ängstliche und dennoch selbstbewusste Emma sehr eindringlich.
Die fünf „Swing Kids“ Alberta, Beate, Fritz, Max und Heini verbringen die Abende in Leo’s Bar und versuchen trotz des drohenden Frontbefehls für die Jungs ihre Jugend zu genießen. Von ihnen hinterlässt Stefan Piskorz als lebenslustiger Fritz den stärksten Eindruck, schauspielerisch und gesanglich kann er voll überzeugen. Dagegen wirken Christian Holdt und Carl Pohla mit den Rollen von Max und Heini teilweise überfordert. Nicht jeder Ton sitzt richtig, und ihre Darstellung der netten jungen Männer ist passabel, aber nicht herausragend. Regina Leitner spielt die Alberta solide und kann bei ihren beiden Soli zu Beginn und gegen Ende des Stückes mit kraftvoller Stimme punkten. Für Joanna Maria Praml in der Rolle der Beate ist es das erste Engagement ihrer Karriere. Sie bringt viel Spielfreude mit und kann damit ihr mäßiges Gesangstalent gut ausgleichen.
„Swinging St. Pauli“ ist zwar kein reines Tanzmusical, dem Tanz kommt aber doch eine erhebliche Bedeutung zu. Choreograf und Tanzschulinhaber Henseling probte sowohl mit den Hauptdarstellern als auch mit seiner eigenen Tanzgruppe, die die Statistenrollen übernahm, den Swing-Stil der vierziger Jahre. Auf der Bühne machte sich denn auch der Eindruck von Tanzschulatmosphäre breit – zu ungelenk die Bewegungen einiger Darsteller, zu unsicher die Körpersprache des Tanzensembles.
Negativ fällt leider auch die schlechte Aussprache mancher Darsteller bei englischen Songtexten auf: Thomas Streibig bei „The Swing Is On“ sowie Christian Holdt und Carl Pohla bei „Night Jive“ sollten dringend an ihrem „th“ arbeiten.
Radestock zeigt zwar eine insgesamt schlüssige Inszenierung, einige Szenen sind jedoch weniger gut gelungen. Wenn Max und Heini bei „Erklär mir die Frauen“ versuchen, das andere Geschlecht zu ergründen, fehlt es an Schwung: Beide Jungs stehen reichlich unentschlossen nebeneinander, Max hat dabei sogar die Hände in den Hosentaschen. Weiterhin spielen die intimen Szenen des zweiten Akts wegen des statischen Bühnenbildes (vorn befindet sich die Bar) fast durchgängig im hinteren Bühnenbereich und verlieren dadurch ein wenig an Eindringlichkeit.
Wenn die Jugendlichen dagegen ihre Angst vor dem bevorstehenden Ende der unbekümmerten Zeit zum Ausdruck bringen („Nur noch kurze Zeit“), erreicht das Musical seinen emotionalen Höhepunkt und die Inszenierung ihre stärkste Phase. Den gesamten Abend über, aber besonders an dieser Stelle, können sich die Darsteller auf die Unterstützung einer wirklich starken Begleitband verlassen. Der rasant inszenierte und dramatische letzte Teil, als Sorglosigkeit und Übermut der Protagonisten mit einem Schlag verschwinden, entschädigt schließlich für die Längen der vorangegangenen zwei Stunden.
Sa, 08.04.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | Premiere |
So, 09.04.2006 18:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Di, 11.04.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
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Mi, 12.04.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Do, 04.05.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Sa, 13.05.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
So, 14.05.2006 18:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Do, 01.06.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Fr, 02.06.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
Sa, 21.10.2006 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
So, 22.10.2006 18:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
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Mo, 26.02.2007 20:00 | Hessisches Landestheater, Marburg | |
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