Anatevka (2004 - 2005)
Mainfranken Theater, Würzburg

Tradition zählt nicht nur in Anatevka viel, sondern ganz offensichtlich auch in Würzburg. Die etwas altbackene Inszenierung ist aber trotzdem eine runde Sache mit bewegenden Momenten, Humor, einem strahlenden Ballett und einem Tevje, wie man ihn sich nur träumen mag.

Reinhold Röttger, scheidender Intendant des Mainfrankentheaters inszeniert einen grundsoliden Theaterabend, der zwar etwas angestaubt wirkt (Zitat Premierengast: „Das ist ja voll konservativ!“), aber trotzdem funktioniert. So läßt er zur Eröffnungsnummer das Ensemble in Formationen über die Bühne marschieren, die in ihrer Wucht dem Publikum gleich das rechte Gefühl für den Stellenwert der Tradition in diesem Ort geben. Auch schafft er ganz wundervolle Momente zwischen Tevje und seiner Frau Golde (mit viel Herz: Silvia Rhode). Neben dem andauernden Gerangel um den Platz des „Herrn im Haus“ haben die beiden auch einen sehr bewegenden Moment, als sie ihre Gefühle füreinander hinterfragen.
Und überhaupt: Wann hat man schon mal solch einen Tevje erlebt? Michail Litmanow ist ein wandelnder Sprichwörter-Duden, sprüht vor Bauernschläue, hat das Herz am rechten Fleck, singt ganz ausgezeichnet und ist einfach ideal besetzt. Allein seine „Dialoge“ mit Gott sprühen vor Witz und sind absolut sehenswert.
Aus dem durchweg gut agierenden Ensemble sei vor allem das Ballett hervorgehoben. Fernanda Guimaraes hat zackige, mitreissende Choreographien geschaffen, die das Tempo immer gerade im rechten Moment wieder anheizen. Besonderer Hingucker: Während der Hochzeitsfeier tanzt das Ballett, indem jeder Tänzer eine Wodka-Flasche auf seinem Hut balanciert.
Bühnenbild und Kostüme (Ottowerner Meyer) sind sehr operettenhaft, immerhin das Licht sorgt für einigen Zauber, v.a. in der Traumszene.
So kann man einen wunderbar unterhaltsamen Theaterabend in Anatevka verbringen, der ohne jegliche Enttäuschung abläuft, der andererseits auch nicht viel Neues bietet.