Denis Riffel © Philipp Noack
Denis Riffel © Philipp Noack

NEUES FEATURE
3 Fragen an... Denis Riffel

Im Frühjahr dieses Jahres verkörperte Denis Riffel die Hauptrolle in der deutschsprachigen Erstaufführung von „Dear Evan Hansen“ beim Musicalfrühling Gmunden. Ab Oktober ist diese Inszenierung ebenfalls als deutsche Erstaufführung am Stadttheater Fürth zu sehen. Wie es ihm gelingt, dieser komplexen Figur seinen eigenen Stempel aufzudrücken, wie Regisseur Markus Olzinger und das Team des Musicalfrühlings Gmunden einen Raum für authentische und berührende Momente geschaffen haben und wie er persönlich mit den emotionalen Themen des Stücks umgeht, erzählt uns Denis Riffel in unseren drei Fragen.

Die deutschsprachige Erstaufführung von „Dear Evan Hansen“ in Gmunden wurde überall sehr positiv aufgenommen. Was macht diese Inszenierung aus deiner Sicht besonders und wie hast du es geschafft, der Figur des Evan Hansen deinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken?

Denis Riffel in „Dear Evan Hansen“ © Rudi Gigler

An erster Stelle muss da Markus Olzingers Regiestil erwähnt werden. Er hat von Tag eins einen Raum geschaffen, in dem wir scheitern durften und uns sehr wohlgefühlt haben, uns zu öffnen. Sein Motto war: Wenn wir diese Thematik nicht sensibel und ehrlich anfassen, können wir es lassen. Dann haben wir uns Zeit genommen. Dadurch sind viele echte Momente entstanden, die wir dann wiederum länger reflektiert haben, um sie wiederholen zu können. Markus hat einmal (halb) als Scherz gesagt, wenn er ein Buch über seinen Regiestil schreiben würde, hieße es „Bitte nicht stören.“ Er hat einfach laufen lassen und nur dann eingegriffen, wenn etwas nicht gestimmt hat. Hauptsache, es war echt. Es war dabei egal, ob man das nun als „Ich muss es fühlen, um es zu spielen“ beschreiben möchte (woran ich nicht glaube) oder (woran ich deutlich mehr glaube) als das Hineinfinden in echte Emotionen durch begründete Handlungen – und das jeden Abend mutig aufs Neue und anders. Hauptsache, am Ende treten wir in einen ehrlichen, direkten Austausch mit dem Publikum durch die Rolle und durch das Stück. Das hat auch dazu geführt, dass das Stück bei uns eine knappe halbe Stunde länger ist als am Broadway. Wir spielen die Situationen mehr aus, die Figuren bekommen eine größere Tiefe, vor allem im Umgang miteinander. Ich konnte da jeden Abend meinen tollen Mitspielenden in die Augen schauen und den Mut finden, nicht zu wissen, was gleich passiert. Das ist unglaublich erfüllend – und echt.

Dann ist da noch Elisabeth Sikora, die Co-Intendantin des Musical Frühlings. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr sie mich aufgenommen und unterstützt hat. Ihr Kostümbild unterstützt auf eine derart elegante Weise die Glaubwürdigkeit dieser jugendlichen Schulsituation, dass es ein Genuss ist, sich in die Geschichte reinfallen zu lassen. Und sie war immer da für eine Umarmung. Der ganze Umgang ist sehr herzlich.

Dennis Riffel, Jelle Wijgergangs bei den Proben zu „Dear Evan Hansen“ © Konstantin Zander

Auch habe ich noch nie eine derart sensible musikalische Leitung wie die von Jürgen Goriup erlebt. Mit ihm zu arbeiten ist einfach ein Riesen-Geschenk. Das war wirklich ein Duett zwischen Schauspielern und Musikalischem Leiter! Wir sind uns gegenseitig so gut gefolgt, das hat es mir sehr leicht gemacht, mich auf die Situation zu konzentrieren und nicht, „Wie bekomme ich meinen nächsten Einsatz?“ Jürgen hat ständig darauf bestanden, dass wir eine Geschichte erzählen, und kein Rock/Pop-Konzert veranstalten. Im Zweifel steht immer im Vordergrund: „Worum geht es?“

Zum Ende sei noch erwähnt: Was Markus und Elisabeth dort aufgebaut haben, ist auch deshalb möglich, weil Stadt und Privatpersonen das Theater und so viel Technik zur Verfügung stellen – das ist sonst alles nicht da. Und weil Markus, wenn er etwas macht, es richtig macht, stehen dort die besten Soundanlagen und spektakuläre LED Wände.

Zur Rollenfindung, da war mir am Anfang ganz klar: Ich schaue mir nichts vom Broadway an, ich lese nicht die Bücher dazu, ich schaue nicht den Film. Die Musik und das Libretto, darauf habe ich mich konzentriert. Die Thematik hat sofort mit etwas in mir – man mag es Seele, Herz, Körper nennen, ich weiß es nicht – resoniert und etwas in mir zum Klingen gebracht. Und dann war es ein monatelanges Ausprobieren. Und – dank Markus, Elisabeth und Jürgen – ein Fallenlassen.

Die Show behandelt ernste Themen wie Einsamkeit und psychische Gesundheit. Wie gehst du persönlich damit um, diese emotionale Schwere auf der Bühne zu tragen, und gab es Publikumsreaktionen, die dich besonders berührt haben?

Es ist doch wunderschön, Themen wie Einsamkeit und die daraus resultierenden Emotionen mit dem Publikum teilen zu dürfen. Jemand hat einmal gesagt: „Wir weinen, damit das Publikum es nicht muss.“  Ich habe dem nie ganz zustimmen können. Als Anna Thorén, die meine Bühnenmutter Heidi Hansen spielt, dann einmal sagte: „Wir weinen mit dem Publikum zusammen“, da war ich sofort einverstanden.  Zusammen durch Emotionen zu gehen hat doch etwas unglaublich Heilendes. Und tun Menschen dies gemeinsam, so schafft das Verbindung. Nicht anders funktionieren jegliche Arten von gesunden Beziehungen, oder? Wir teilen Freud und wir teilen Leid. Warum sollte Theater das nicht bieten können? Davon ein Teil zu sein – also ein Thema ernst zu nehmen, sich zu öffnen und zu zeigen, dass Schmerz veränderbar ist  ist einfach ein Geschenk. Das ist auch Evans große Herausforderung: Er glaubt, dass der Schmerz, den er spürt, nicht veränderbar ist. Das jeden Abend als Ausgangspunkt zu nehmen und am Ende anzukommen bei: „Lieber Evan Hansen, das wird heute ein großartiger Tag (…), denn heute bist du ganz einfach du selbst. (…) Und das ist genug.“ Wir lernen zusammen bei diesem Stück, das Schmerz veränderbar ist. Das ist wunderschön.

Anna Thorén mit Denis Riffel in „Dear Evan Hansen“ © Konstantin Zander

Menschen im Publikum zu sehen, die derart ergriffen sind, dass sie selber nicht aufhören können zu weinen – ja, natürlich berührt mich das. Ich bin durch meine Arbeit in Verbindung mit ihnen. Da fällt dann für eine kurze Zeit Identität weg: Einfach zwei Menschen, die sich treffen lassen und nicht wissen, was passiert. Eltern, die am Ende zu mir kommen und sagen, dass Ihnen dieses Stück geholfen hat, ihre Kinder besser zu verstehen. Ich habe einmal eine ganz tolle Mail bekommen, in der ein Vater mir berichtet hat, wie sehr ihn dieses Stück zum Nachdenken gebracht hat. Das ist auch Schauspiel, das kann Theater: Empathie entwickeln. Verständnis. Und für Menschen wie Evan vielleicht der erste Schritt zur Katharsis.

Ich selber möchte niemals dieses Handwerk als Therapie missbrauchen, ich arbeite mich nicht an meinem eigenen Schmerz ab. Aber ich lasse mich natürlich jeden Abend emotional treffen, zumindest versuche ich das. Dann reagiert mein Körper. Dafür brauche ich Vor- und Nachbereitung, um meinen Körper dafür bereit zu machen. Es gab Vorstellungen, da konnte ich am Ende nicht aufhören zu weinen. Dann muss ich mir eben Zeit nehmen, um meinem Körper zu zeigen: „Es ist jetzt vorbei. Alles ist gut.“ Ich finde es sehr spannend, mich damit jede Vorstellung auseinandersetzen zu dürfen.

Neben „Dear Evan Hansen“ hast du vor kurzem „Jesus Christ Superstar“ am Staatstheater Nürnberg, „Anatevka“ in Erfurt und „Hair“ in Salzburg gemacht. Was unterscheidet die Arbeit an „Dear Evan Hansen“ als deutschsprachige Erstaufführung von anderen Produktionen, in denen du bisher gespielt hast und hast du vielleicht auch schon Neuigkeiten zu Shows, in denen dich das Publikum demnächst sehen kann?

Denis Riffel © Philipp Noack

Toll bei „Dear Evan Hansen“ war, dass ich mich ganz auf die Rolle konzentrieren konnte. Keine Choreographien, keine Quick-Changes zu anderen Rollen oder ins Tanzensemble. Sowas hatte ich jetzt bei „Anatevka“, auch auf meinen eigenen Wunsch hin, und es hat großen Spaß gemacht. Aber mal so eine große Rolle von Anfang an als erster im deutschsprachigen Raum entwickeln zu dürfen, sie ohne Unterbrechung im Stück erleben zu dürfen, ist dermaßen befriedigend, dass ich es nicht missen möchte. Berger in „Hair“ war ähnlich vom Umfang. Ich freue mich auch wieder sehr darauf – am 1.11.24 ist meine erste Vorstellung der mittlerweile 3. Wiederaufnahme. Aber „Hair“ ist ganz anders erzählt. „Dear Evan Hansen“ hat lange Szenen, in denen wir uns richtig Zeit nehmen können herauszufinden, worum es geht. Und die Bühne ist deutlich kleiner. Das macht dieses sowieso schon so intime Stück noch nahbarer. Und so wie wir immer unser Bestes (ver)suchen, so oft finden wir es nicht, und das ist in Ordnung.

Alle oben genannten Stücke sind gut gearbeitet. Aber mit der erzählerischen Wucht von „Dear Evan Hansen“ können sie es nicht aufnehmen. Es ist nah, unversteckt und ehrlich. Teilweise unkonventionell, wenn z.B. Evan die ersten drei Minuten von „Words Fail“ mit dem Rücken zum Publikum singt, bis er sich dann irgendwann umdreht und man seinen Schmerz sehen kann. Es lebt jede Vorstellung, das kann ich euch versprechen. Aber da ich selber in allen diesen Produktionen mitspiele, bin auch ich betriebsblind, also kommt einfach vorbei und macht euch ein Bild davon!  Die deutsche Premiere ist am 11.10. in Fürth. Ich freue mich sehr darauf!

Ansonsten ist seit dem 5.9. „Ellbogen“ von Asli Özarslan mit mir in einer kleinen Nebenrolle in den Kinos. Und ich war bestimmt nicht das letzte Mal in Gmunden…

Vielen Dank lieber Denis für die spannenden Einblicke hinter die Kulissen dieser besonderen Produktion. Wir durften damals bei der Premiere in Gmunden dabei sein und können uns deswegen der Empfehlung sich „Dear Evan Hansen“ in Fürth anzusehen, unbedingt anschließen!

 
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