Sophia Euskirchen (Sally Bowles) mit den Kit Kats Evert Bakker (links) und Christopher Hemmans (rechts) © Stephan Walzl
Sophia Euskirchen (Sally Bowles) mit den Kit Kats Evert Bakker (links) und Christopher Hemmans (rechts) © Stephan Walzl

Cabaret (seit 10/2024)
Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg

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Das Oldenburgische Staatstheater bringt diesen Klassiker in einer modernen Inszenierung auf die Bühne und vermittelt dabei eine eindringliche politische Botschaft. Mit einer cleveren Umsetzung entfaltet sich eine wahre Gefühlsachterbahn: Von pointierter Situationskomik bis hin zu Momenten des schockierenden Schauderns durchlebt das Publikum das gesamte emotionale Spektrum.

Anstelle der 1920er-Jahre platziert Regisseurin Katja Wolff diese Inszenierung von „Cabaret“ bewusst in einer überzeitlichen, aber modernen Kulisse, um die Geschichte des KitKat Clubs und der unkonventionellen Sally Bowles in einem Kontext zu erzählen, der den ZuschauerInnen die brisante Aktualität der Themen nahebringt. Die Liebesgeschichte zwischen Sally und dem amerikanischen Schriftsteller Clifford Bradshaw und das dekadente Nachtleben Berlins werden hier zum Spiegel für gesellschaftliche Spannungen und den gefährlichen Aufstieg des Rechtsextremismus. Wolffs Ansatz, diese Parallelen zur Gegenwart aufzuzeigen, funktioniert größtenteils gut und viele gelungene Wendungen sorgen für eine tief treffende politische Botschaft. Jedoch wirken manche Witze und Dialoge, die am Originaltext festhalten, in der modernen Verortung stellenweise unpassend.

Das Bühnenbild von Jule Dohrn-van Rossum ändert sich nur minimal. Besonders hervorzuheben ist, dass die Bühne in Form eines Stegs in den Zuschauerraum hineinragt und neben diesem Steg bestuhlte Tische als zusätzliche Zuschauerplätze dienen. Dass dort zwischen den Zuschauern und in den Logen gespielt wird, sorgt mit einer gedimmten Lichtatmosphäre dafür, dass der Zuschauer sich wie in einem echten Cabaret fühlt. Generell trägt das Lichtdesign von Arne Waldl maßgeblich zur Stimmung der Inszenierung bei und untermalt jede Szene mit der passenden Emotion.

Die Kostüme von Alexander Djurkov Hotter greifen die moderne, doch überzeitliche Thematik des Stücks auf, hinterlassen jedoch letztlich keinen bleibenden Wow-Effekt. Sie erfüllen ihren Zweck solide und tragen zur Atmosphäre bei, ohne jedoch besonders herauszustechen.

Musikalisch ist diese Produktion einwandfrei. Die neunköpfige Band unter der Leitung von Eric Staiger spielt fehlerfrei. Die reduzierte Orchesterfassung von Chris Walker wirkt hier nicht weniger kräftig als eine Fassung mit großem Orchester. Insgesamt ist der Ton gut abgemischt, und Musik, Gesang und Dialoge sind jederzeit verständlich.

Die Choreografie von Kati Farkas wirkt für ein Cabaret etwas zurückhaltend, besonders im ersten Akt, wo die Bewegungsdichte für das lebhafte Cabaret-Ambiente mehr Dynamik vertragen könnte. Insgesamt passt die Choreografie jedoch gut, und gerade in den ernsteren Momenten gelingt es ihr, die düstere Stimmung und emotionale Tiefe des Stücks eindrucksvoll zu transportieren.
Die Cast, die zu einem großen Teil aus Gastspielenden besteht, ist sehr gut besetzt, und die Darstellenden passen zu den Rollen.

Bevor die eigentliche Vorführung losgeht, singt Marvin Kobus Schütt im Zuschauerraum bereits beim Einlass einige Lieder, wobei er von Eric Staiger am Klavier begleitet wird. Auch im Verlauf des Stücks ist er eher im Zuschauerraum tätig, wobei er die Cabaret-Atmosphäre aufrechterhält.

Mit Sophia Euskirchen als Sally Bowles ist dem Staatstheater ein Glückstreffer gelungen. Egal ob heiter und voller Tatendrang im ersten Akt oder emotional instabil und verstört gegen Ende des zweiten Aktes – Sophia Euskirchen spielt ihre Rolle überaus überzeugend. Auch gesanglich zeigt sie ein breites Spektrum an Emotionen und zieht das Publikum problemlos in ihren Bann.

Moritz Carl Winklmayr wirkt aufgrund seiner Rolle als Clifford Bradshaw, der für eine Hauptrolle eher passiv in der Geschichte mitwirkt, selbst leicht zurückhaltend. Er sticht aber immer wieder durch gute schauspielerische Leistungen und eine schöne Gesangsstimme hervor.

Heike Jonca und Thomas Marx als Fräulein Kost und Herr Schultz füllen ihre Rollen komplett aus. Sowohl die Situationskomik, die diese Rollen mit sich bringen, als auch die gegensätzlichen Charakterzüge und Lebensansichten werden überzeugend auf die Bühne gebracht.
Kammersänger Paul Bradys Conferencier ist eine eher ruhige Interpretation der Rolle. Das sorgt dafür, dass er in dieser Produktion nahezu untergeht, obwohl die Rolle eigentlich für ihre Auffälligkeit und Präsenz bekannt ist. Hier mangelt es an manchen Stellen an mutigen schauspielerischen Entscheidungen, um aus dieser Rolle alles herauszuholen.

Die KitKats setzen ihre Rolle als charmante, provokante Begleiterinnen der Handlung mit viel Humor um, wobei ihre Darbietungen mit zunehmendem Ernst der Handlung spürbar von subversiv zu ängstlich übergehen.

Fräulein Kost, die in dieser Produktion von Kira Primke gespielt wird, ist als Rolle nicht merklich an eine modernere Zeit angepasst worden, was bestimmte Witze des Originaltextes im Kontext der moderneren Zeit fehl am Platz wirken lässt. Primke verkörpert die Rolle dennoch überaus überzeugend und verleiht der häufig traurigen Geschichte immer wieder einen humorvollen Kick.

Hagen Bähr versteht es meisterhaft, die Zuschauer in seiner Rolle als Ernst Ludwig subtil zu manipulieren. Als sympathischer Freund eingeführt, offenbart seine Figur nach und nach rechtsextreme Tendenzen. Doch durch Bährs nuanciertes Schauspiel fällt es schwer, ihn bei den ersten Anzeichen seiner Gesinnung sofort als „den Bösen“ zu erkennen. Dies führt zu einem schockierenden Moment, in dem der als Zuschauer getarnte Opernchor des Theaters den echten Zuschauer*innen einen Spiegel vorhält und zeigt, dass rechtsextreme Gesinnungen längst auch in ihren Reihen sitzen: Menschen wie Ernst Ludwig, die man viel zu lange nicht als solche wahrnehmen wollte.

Es sind Momente wie diese, die diese Produktion so kraftvoll und sehenswert machen. Die Produktion ist insgesamt sehr gut gelungen, unterhält nicht nur, sondern regt auch zum Nachdenken an. Trotz kleiner Schwächen gelingt es, eine Geschichte aus den Zwanzigern in die Moderne zu verfrachten und damit eine umso stärkere Botschaft zu senden. Ein Theaterabend, der noch lange nachklingt.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungEric Staiger
InszenierungKatja Wolff
ChoreografieKati Farkas
BühneJule Dohrn-van Rossum
KostümeAlexander Djurkov Hotter
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Sally BowlesSophia Euskirchen
Clifford BradshawMoritz Carl Winklmayr
Fräulein SchneiderHeike Jonca
Herr SchultzThomas Marx
Fräulein KostKira Primke
ConferencierPaul Brady
Ernst LudwigHagen Bähr
PiccoloMarvin Kobus Schütt
Zollbeamter 1Judith Urban
Zollbeamter 2Sarah Steinemer
MaxVolker Röhnert
Freier von Fräulein KostIhor Salo
Sandro Monti
Ryan Stoll
Andreas Lütje
KitKatsEvert Bakker
Yoko El Edrisi
Christopher Hemmans
Richie Patrocinio
Sarah Steinemer
Judith Urban
  
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TERMINE
Fr, 29.11.2024 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
So, 19.01.2025 18:00Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Fr, 24.01.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Mi, 29.01.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Sa, 08.02.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
So, 09.02.2025 15:00Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Mi, 26.02.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Mo, 17.03.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Mi, 09.04.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Mo, 28.04.2025 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
▼ 3 weitere Termine einblenden (bis 29.05.2025) ▼
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 26.10.2024 19:30Großes Haus des Staatstheaters, OldenburgPremiere
Do, 31.10.2024 18:00Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
Do, 07.11.2024 19:30Großes Haus des Staatstheaters, Oldenburg
▼ 2 weitere Termine einblenden (bis 20.11.2024) ▼
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