Mark Seibert in "Ein wenig Farbe" © Iris Hammann
Mark Seibert in "Ein wenig Farbe" © Iris Hammann

Ein wenig Farbe (2024)
Wolf-Ferrari-Haus, Ottobrunn

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Nachdem bereits Größen wie Pia Douwes und Rob Pelzer im Musical-Monolog „Ein wenig Farbe““ von Rory Six die Geschichte Helenas – einer Frau, die als Mann geboren wurde und einen langen, schmerzhaften Weg zu ihrer wahren Identität gehen musste – erzählt haben, reiht sich nun auch Publikumsliebling Mark Seibert in diese illustre Riege ein. Seibert überrascht hier in einer Rolle, die völlig anders ist als die, für die man ihn bislang kennt: Behutsam und mit großem Feingefühl zeichnet er den Entwicklungsweg eines unverstandenen Teenagers nach, der schließlich zu einer selbstbewussten und optimistischen Frau wird.

Das Besondere an diesem Musical ist, dass der Darsteller oder die Darstellerin in insgesamt 13 verschiedene Rollen schlüpft. Mark Seibert gelingt dieser Wechsel zwischen den unterschiedlichen Charakteren mit einer bemerkenswerten Leichtigkeit. Mal ist er Helena, die schüchtern über ihre Kindheit spricht; in einem anderen Moment ist er der distanzierte Psychotherapeut Dr. Gruber, der in einem Sessel sitzt und kühle Fragen stellt. Seibert versteht es meisterhaft, diese schnellen Wechsel allein durch Nuancen in Körperhaltung, Mimik und Stimmlage zu gestalten. Besonders berührend ist die Szene, in der er als Teenager Klaus zum ersten Mal die Pumps seiner Mutter anprobiert. Er spielt diese unbeholfenen ersten Schritte trotz aller Komik mit großer Ernsthaftigkeit, die die Figur niemals der Lächerlichkeit preisgibt.

Für die nötige Auflockerung sorgt die Figur der Gudrun, Helenas beste Freundin aus Jugendtagen. Sie wirkt wie eine Mischung von Chantal aus „Fack ju Göhte““ und einer überdrehten Schulfreundin, während sie sich von Klaus die Nägel lackieren lässt und spielerisch versucht, ihn zu überreden, zuzugeben, dass er schwul sei. Dieser Wechsel zwischen den ernsten und humorvollen Momenten trägt wesentlich dazu bei, dass die Inszenierung lebendig bleibt und die emotionale Tiefe der Geschichte noch mehr hervortritt.

Gesanglich meistert Seibert die anspruchsvolle Partitur mit Bravour. Ob in temporeichen Stücken wie „David Steiner““ oder in dramatischen Balladen wie „Die Lüge meines Lebens““ und „Wärst du heute hier““, er überzeugt mit seiner kraftvollen Stimme und seiner großen Bühnenpräsenz. Besonders in den Balladen zeigt er, wie sensibel er mit den emotionalen Höhen und Tiefen der Figur Helena umgeht. Seine Darbietung lässt das Publikum tief in Helenas Gefühlswelt eintauchen.

Das Bühnenbild ist bewusst minimalistisch gehalten, um die Aufmerksamkeit des Publikums voll und ganz auf die Handlung zu lenken. Eine große Regalwand, in der einige Requisiten wie etwa eine Schwarz-Weiß-Aufnahme von Helenas Mutter oder ein Kleid hängen, dominiert das Bühnenbild. Außerdem gibt es einen Sessel und ein Krankenhausbett, in dem Helena die letzte Nacht vor ihrer Geschlechtsangleichung verbringt. Trotz der Einfachheit der Kulisse gelingt es, die verschiedenen Handlungsorte durch Lichtstimmungen und die schauspielerische Leistung Seiberts klar zu kennzeichnen. Besonders beeindruckend ist, wie das Regal ohne Rückwand in verschiedenen Szenen unterschiedliche Funktionen übernimmt. Es dient zum Beispiel als Tresen in einem Fitnessstudio, in dem Helena trainieren möchte, bevor sie von einer Mitarbeiterin in die Männerumkleide geschickt wird.

Während des gesamten Stücks bleibt Helena in ihrem Schlafanzug und Morgenmantel, was eine beständige Erinnerung daran ist, dass sie noch auf dem Weg zu ihrem wahren Selbst ist. Nur in wenigen Szenen legt sie ihren Morgenmantel ab. Die schlichte Inszenierung lenkt so nie vom eigentlichen Kern der Geschichte ab: dem inneren Kampf Helenas ihren Platz in der Welt zu suchen und schließlich auch zu finden.

Die Musik, gespielt von einer kleinen, aber effektiven fünfköpfigen Band bestehend aus Violine, Bass, Cello, Gitarre und Rory Six am Klavier, unterstreicht den intimen Charakter der Show. Die sparsame Instrumentierung passt hervorragend zur erzählerischen Struktur und verstärkt die emotionale Wirkung der Szenen. Rory Six hat mit „Ein wenig Farbe““ chansonhafte Nummern geschaffen, die durch ihre Leitmotive auch musikalisch einen roten Faden bilden. So wird etwa Helenas Anklage an ihren Vater im Song „Wärst du heute hier““ in der Reprise zu einer rührenden Szene, in der der Vater seine Trauer darüber ausdrückt, dass sein Sohn den Kontakt zu ihm abgebrochen hat. Die Texte sind so feinfühlig und universell, dass sich das Publikum in vielen Situationen mit Helenas Gefühlen und Erfahrungen identifizieren kann.

Nach Stationen in Wien, Ottobrunn und Düsseldorf endet die aktuelle Spielzeit von „Ein wenig Farbe““ vorerst. Mit Mark Seibert hat Rory Six die Show mit Orchester auf CD verewigt, die bald auch im Handel erhältlich sein wird. Ein Ende von „Ein wenig Farbe““ ist das allerdings noch lange nicht: Neben einer Inszenierung mit AMY an der Musikalischen Komödie Leipzig verriet Rory Six im Interview mit der Musicalzentrale, dass es Pläne gibt, die Show auch im englischsprachigen Raum zu zeigen. Außerdem sei es der Wunsch von Mark Seibert und ihm, eine Inszenierung in der Orchesterfassung auf die Bühne zu bringen.

 
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KREATIVTEAM
Text, Musik, Regie, ProduktionRory Six
Bühnenbild, KostümeTimo Verse
 
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CAST (AKTUELL)
Helena und alle weiteren RollenMark Seibert
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 09.05.2024 19:30Theater am Spittelberg, Wienabgesagt
Fr, 10.05.2024 19:30Theater am Spittelberg, Wienabgesagt
Sa, 11.05.2024 19:30Theater am Spittelberg, Wienabgesagt
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