Sebastian Hammer (Ari Leschnikow), Magnus Pflüger (Erich Collin), Lukas Benjamin Engel (Harry Frommermann), Robert Flanze (Roman Cycowski), Johannes Breitsamter (Robert Biberti) © Dominik Fröls
Sebastian Hammer (Ari Leschnikow), Magnus Pflüger (Erich Collin), Lukas Benjamin Engel (Harry Frommermann), Robert Flanze (Roman Cycowski), Johannes Breitsamter (Robert Biberti) © Dominik Fröls

Die Comedian Harmonists (2024)
Grenzlandtheater, Aachen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Bei der Inszenierung eines Biograficals stehen sowohl Darsteller als auch Regie stets vor der großen Herausforderung, dem historischen Vorbild gerecht zu werden und – wenn es richtig gut läuft – auch noch eine Botschaft zu vermitteln. Beides gelingt dem Grenzlandtheater Aachen mit Werner Bauers Inszenierung von „Die Comedian Harmonists“, dessen Ensemble nicht nur musikalisch (musikalischen Leitung: Michael Lohmann) einem hohen Anspruch gerecht wird. Die Zwänge der 1930er Jahre haben nach dem beispiellosen Aufstieg des Berliner Sextetts nicht nur dessen Auflösung zur Folge , sondern lassen auch bewährte Freundschaften zerbrechen. Beim Publikum bleibt eine enorme Betroffenheit, nachdem mit den Helden der Geschichte zuvor das Leben, die Liebe und nicht zuletzt die Freundschaft gefeiert wurde, ganz im Sinne von „Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Schönste, was es gibt auf der Welt“.

Berlin, Ende der 1920er Jahre. Harry Frommermann gründet mit Robert Biberti, Ari Leschnikoff, Roman Cycowski, Erwin Bootz und Erich Collin „Die Comedian Harmonists“, die bis heute mit Hits wie „Mein kleiner grüner Kaktus“, „Veronika, der Lenz ist da“ und „Irgendwo auf der Welt“ Kult sind. Bereits in der Gründungsphase kommt es jedoch zum ersten Unmut zwischen Frommermann und seinen Mitstreitern, da er sich als Ideengeber immer wieder infrage gestellt sieht und sich selbst als eigentliches Bindeglied der Gruppe versteht. Sowohl auf als auch hinter der Bühne agiert Frommermann immer affektierter, was wiederum zur Missstimmung und offenem Streit innerhalb des Ensembles führt. Trotz explosionsartigem Erfolg bröckeln Zusammenhalt und Freundschaft bis schließlich die Nationalsozialisten für drei der sechs Männer ein Berufsverbot verhängen, was zur Auflösung des Sextetts und lebenslangem Zwist zwischen den Männern führt.

Trotz immer wiederkehrender Benennung des Mottos des Ensembles, dass die Gruppe wichtiger als der Einzelne sei, arbeitet Werner Bauer in seiner Inszenierung sehr deutlich den Konflikt zwischen Harry Frommermann und den anderen Männern der Combo heraus. Lukas Benjamin Engel spielt auch während der Szenen, die nicht im Konzertsaal oder Theater stattfinden, stets mit sehr starkem Ausdruck, überambitionierter Mimik und spitzer Intonation, sodass er dem Zuschauer in seiner Rolle schon bald nicht nur positiv durch Können auffällt: Engel spielt seine Figur immer wieder in den Vordergrund und wirkt damit in allem etwas zu viel, zu laut, zu affektiert, und wird dem Motto des Ensembles immer weniger gerecht. Dabei meistert er schauspielerisch den Spagat zwischen sehnsüchtigem Hitzkopf, leidenschaftlichem Musiker, treuem Freund und nerviger Rampensau hervorragend. Gesanglich besticht er mit klarem, gefühlvollem Tenor und witziger Performance.

Johannes Breitsamter als Robert Biberti bietet  Frommermann einen zunehmend erstarkenden Mitstreiter und irgendwann auch Gegenspieler. Kalt spielt er einen Biberti, der vor allem auf Profit aus ist. Gesanglich fügt sich Breitsamter hervorragend in die Männerriege ein und setzt mit seinem sonoren Bass starke eigene Akzente.

Sebastian Hammer gibt der historischen Vorlage entsprechend einen sehr charismatischen und leidenschaftlichen Ari Leschnikoff. Die vielen Frauengeschichten kauft man ihm unbesehen ab. Charmant ist Hammers gesangliche Performance als erster Tenor in der Abbildung des legendären Sextetts.

Robert Flanze überzeugt in der Rolle des Roman Cycowski als gutmütiger und ausgleichender Freund innerhalb der Combo und ist absoluter Sympathieträger. Seine Wandlungsfähigkeit stellt er unter Beweis, als er nach raschem Kostümwechsel die aufgebrachte Vermieterin Frommermanns in Lockenwicklern und Bademantel zum Besten gibt. Er schlüpft aber schnell wieder in seine eigentliche Rolle eines der jüdischen Ensemblemitglieder, das sich trotz anschwellender Anfeindungen in einem zunehmend nationalsozialistisch geprägten Milieu niemals seine Würde nehmen lässt. Sein Bariton fügt sich stimmlich wunderbar in den Gesang des Ensembles ein.

Magnus Pflüger, der „den Schönen“ – Erich Collin – verkörpert, wirkt im Spiel etwas blass neben seinen Mitstreitern und fügt sich mehr als Chormitglied in das Ensemble ein. Auch Felix Koltun, kommt im Spiel weniger zur Geltung als seine Kollegen – schon stückbedingt, da er als Pianist Erwin Bootz dem Publikum meist mit dem Rücken zugewandt ist.

Die Herren des Abends sind stets adrett gekleidet, wie es der Mode der damaligen Zeit und dem historischen Vorbild der Comedian Harmonists entspricht. Schnelle Kostümwechsel ermöglichen, dass das Ensemble im Off rasch in Nebenrollen wie NS-Männer, die Nachbarin oder der nur kurzfristig beteiligten Mitglieder der Combo schlüpfen und danach gleich wieder ihre Hauptrollen einnehmen können. Die klare Abgrenzung der einzelnen Rollen wird nicht nur durch die schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller, sondern auch durch die historisch authentischen Kostüme von Kai Rudat ermöglicht.

Das Bühnenbild von Marlen Heydenaber ist schlicht gehalten. Die verschiedenen Farben und Muster des Lichtdesigns vermitteln unterschiedliche Stimmungslagen und unterstreichen Ortswechsel ebenso wie die knappe, aber stets treffende Requisite wie das Telefon mit Wählscheibe an der Wand oder die Abbildung des alten Kofferradios. In den letzten Szenen, als das Aufstreben der Nationalsozialisten immer mehr Bedrohung und Beklommenheit vermittelt, wird nach und nach ein angedeutetes Hakenkreuz durch aufklappbare Paneele auf dem Boden und dem Hintergrund der Bühne zusammengesetzt. Mit diesem Bild endet das Stück; die Freunde sind auseinandergerissen.

Vor diesem Hintergrund zitiert Engel als Frommermann aus einem letzten, versöhnlichen Brief an Biberti. Der Kontakt sollte jedoch nie mehr zustande kommen. Brücken dieser Art ergeben sich immer wieder zwischen einzelnen Szenen, wenn eines der Ensemblemitglieder aus der Reihe hervortritt und den Fortlauf der Geschichte als Erzähler vermittelt, um lückenlos Aufstieg und Abriss der Karriere sowie die Geschichte der Freundschaft der Comedian Harmonists untereinander nachzuzeichnen.

In all ihrer Vielschichtigkeit wirkt die Inszenierung Bauers nach und stimmt trotz der parodistischen Lieder und witzig interpretierten Evergreens nachdenklich, da so viel angestoßen wird. Das Ensemble um Lukas Benjamin Engel entführt musikalisch wie emotional in die Geschichte des virtuosen Berliner Vokal-Ensembles sowie die dunkelsten Zeiten deutscher Geschichte.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
InszenierungWerner Bauer
BühnenbildMarlen von Heydenaber
KostümbildKai Rudat
Musikalische LeitungMichael Lohmann
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
Erwin BootzFelix Koltun
Erich CollinMagnus Pflüger
Harry FrommermannLukas Benjamin Engel
Ari LeschnikoffSebastian Hammer
Roman CycowskiRobert Flanze
Robert BibertiJohannes Breitsamter
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
keine aktuellen Termine
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Fr, 16.08.2024 20:00Grenzlandtheater, AachenPremiere
Sa, 17.08.2024 20:00Grenzlandtheater, Aachen
So, 18.08.2024 18:00Grenzlandtheater, Aachen
▼ 32 weitere Termine einblenden (bis 10.10.2024) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay