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Rein optisch kommt die Inszenierung des Klassikers von Alan Jay Lerner und Frederick Loewe auf den ersten Blick traditionell und klassisch daher – eben wie es von einem Klassiker zu erwarten ist. Mit viel Bedacht hat das Kreativteam um Thomas Weber-Schallauer jedoch gewagt, die Vorlage hier und da ein wenig zu adaptieren – ohne am Ende das Premierenpublikum zu enttäuschen. Eliza verlässt als emanzipierte Frau die Bühne – und das kommt gut an!
Eliza Doolittle (Vera Lorenz), ein einfaches Blumenmädchen, will der Gosse entkommen und bemüht sich um Sprachunterricht bei dem arroganten Phonetiker Henry Higgins (Richard van Gemert). Als Gegenstand einer Wette zwischen ihm und seinem Freund Oberst Pickering – der auch mal „Fickering“ genannt wird – wird das junge Mädchen bis zum Rande der Erträglichkeit verdinglicht und verbal gedemütigt: Higgins bezeichnet sie u.a. als „Dreckstück“ oder „kannibalistische Rinnsteinschlampe“. Unter diesen harten Demütigungen erwirbt sie genügend Selbstvertrauen, sich von ihrem bisherigen Leben loszusagen und erhobenen Hauptes völlig autark in eine ungewisse Zukunft zu schreiten. Den Sprung in die höhere Gesellschaft traut der Zuschauer dieser Eliza Doolittle nach ihrer Metamorphose ohne Wenn und Aber zu.
Die Inszenierung irritiert und beeindruckt zugleich mit vielerlei verbalen Überspitzungen, die sehr deutlich aufzeigen, wie sich einzelne Figuren am Rande der Asozialität bewegen und selbst lächerlich machen: Nämlich diejenigen, die es nötig haben, andere herabzuwürdigen und zu verdinglichen, um sich selbst stärker zu präsentieren als ihr Selbstbild es eigentlich zulässt. Anders als in der Vorlage müssen die Herren am Ende dafür auch geradestehen:
Richard van Gemert spielt überzeugend den Kotzbrocken Henry Higgins, der ohne jedes Wimpernzucken eine verbale Triade nach der anderen auf Eliza abfeuert. Wenn auch im Gesang etwas schwächer als im Spiel versteht van Gemert, den Ausfall seines Mikrophons zu überspielen und setzt sich im Dialog auch ohne Verstärkung stimmlich durch. Den personifizierten Ekel bedient er durchgehend gekonnt. Als Muttersöhnchen vor Mrs. Higgins wirkt er viel kleiner und stellt seine Rolle des Phonetikers gnadenlos bloß. Nur zu nachvollziehbar lässt sich Eliza am Ende nicht auf seine Manipulation ein, sie zurück „nach Hause“ zu holen.
Ralf Grobel kommt als Oberst Pickering weder im Spiel noch im Gesang an van Gemert heran. Er wirkt neben dem Antihelden Higgins blasser als es ihm bekommt. Gäbe es nicht die Wette, auf der Elizas Entwicklung fußt, käme das Stück auch ohne ihn aus.
Ansgar Schäfer als Vater Doolittle ist der absolute Publikumsliebling des Abends, obwohl seiner Rolle als schlechter Vater nur wenig Sympathie zugutekommt. Er schmettert seine Songs „Mit nem kleenen Stückchen Glück“ und „Bringt mich pünktlich zum Altar“ voller Inbrunst und Hingabe und führt den Tanz des Ensembles an. Da sitzen jeder Schritt und Ton gleichermaßen. Schäfer verleiht seiner Figur mit Schalk im Nacken eine eigene Tiefe und spielt souverän mit dem Publikum.
Anton Kuzenok als Freddy Eynsford-Hill überzeugt gesanglich mit einer glockenklaren Stimme und seinem Spiel des naiven verliebten jungen Mannes, der logischerweise bei einer erstarkten Eliza keinen Treffer landen kann.
Die Dame des Abends, Vera Lorenz, gibt die Lady wie auch eingangs das Blumenmädchen so natürlich und authentisch, dass es eine wahre Freude ist, ihrem Spiel und der Entwicklung ihrer Figur zu folgen. Unvorteilhaft verkleidet wirkt sie in den Kostümen von Yvonne Forster, einem übergroßen Puppenkleid und aufgepumpt wirkenden Alltags- und Abendkleidern, die ihre Weiblichkeit verstecken. Verbal immer wieder zurechtgestutzt bekommt der Zuschauer Mitleid mit ihr und möchte protestieren – bis sie es endlich, dann aber sehr deutlich, selbst tut. Große Spielfreude und gesangliches Können stellt sie bei ihren Interpretationen der Klassiker wie „Ich hätt´ getanzt heut´ Nacht“ oder „Es grünt so grün“ unter Beweis.
Zu Beginn des zweiten Aktes trumpft Eliza dann endlich auf. Vera Lorenz stellt ihre Wandelfähigkeit vom naiven jungen Ding zur emanzipierten jungen Frau unter Beweis: Sie grenzt sich klar von den ihr zugedachten Lebensentwürfen ab. Es wird deutlich, dass, anders als im Original, ihre Angst, nicht zu wissen, wo sie denn nun hingehöre, unbegründet ist. Dies spiegelt den heutigen Zeitgeist wider, der während der Entstehung des Stücks noch Zukunftsmusik war: Die Dame bedarf keines Mannes an ihrer Seite und schon gar nicht eines Mannes, der ihren Wert nicht zu schätzen weiß – Higgins – oder eines Mannes, der sich nur in ihr zu spiegeln vermag, wie der Junggeselle Freddy. Eine Eliza Doolittle kann es sich 2024 erlauben, einen glühenden Verehrer in den Wind zu schießen und kann auf den herablassenden Mr. Higgins pfeifen, dem immerhin noch ein sehnsüchtiges „Ich bin gewöhnt an ihr Gesicht“ über die Lippen kommt, nachdem er sich im Verlauf des Abends selbst mehr und mehr ad absurdum führte.
Auf die Frage „Wo sind meine Pantoffeln?“ steht Eliza schließlich auf und geht, während über Higgins ein Platzregen Filzpantoffeln niederfällt.
Das Bühnenbild von Sandra Linde ist aufwendig auf einer dreigeteilten Drehbühne installiert: Es zeigt eine dunkle Gasse auf dem Gemüsemarkt mit einer Spelunke am rechten Bühnenrand, aus der mehrfach der volltrunkene Alfred P. Doolittle gestolpert kommt. Hier beginnt Elizas Geschichte: in der schäbigen Gosse. Die Kulisse wirkt durch Treppenauf- und -abgänge wie eine Schlucht in verschiedenen Ebenen, ist in matten Farben wie braun und grau gehalten und wirkt wenig einladend. Der Sog des Vaters, sie hierhin zurück zu ziehen, bleibt das gesamte Stück über bestehen. Zur Hochzeit begleiten will Eliza ihren Vater am Ende aber nicht.
Ein weiterer Teil der Drehbühne beheimatet die Wimpole Street, das Heim und die Wirkungsstätte Henry Higgins. Mit Treppen und verschiedenen Ebenen und Tiefen erscheint das Ambiente groß wie eine Nobelvilla. Aufwendige Apparate und Bilder von Büchern an den Wänden wirken ziemlich dick aufgetragen: Hier wird mehr gearbeitet als gelebt. Die Wände sind giftgrün gehalten. Dies passt zur giftigen Atmosphäre, die Richard van Gemert als Henry Higgins verbreitet.
Der dritte Teil der Drehbühne wird durch Licht, Vorhänge und kleineres Mobiliar universell eingesetzt und kurzerhand zur improvisierten Tribüne beim Pferderennen, dem Garten von Mrs. Higgins oder der Spielstätte des Diplomatenballes umgestaltet.
Das Ballett des Theaters Hagen führt die z.T. vom gesamten 40-köpfigen Ensemble getanzten Choreographien von Riccardo De Nigris an. Paso Doble und witzige Passagen des getanzten Pferderennens beleben das Stück. Alle Tänzer arbeiten präzise, synchron und mit starkem Ausdruck.
Das Philharmonische Orchester Hagen spielt unter der Leitung von Steffen Müller-Gabriel klangvoll, beschwingt und mit viel Schwung die allseits bekannte Partitur.
Eine tolle Zusammenarbeit des Kreativteams und viel Engagement des Ensembles bringen die mutig modern interpretierte Geschichte von „My Fair Lady“ gekonnt in die 2020-er Jahre. Bravo!
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Steffen Müller-Gabriel |
Inszenierung | Thomas Weber-Schallauer |
Bühne | Sandra Linde |
Kostüme | Yvonne Forster |
Choreografie | Riccardo De Nigris |
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CAST (AKTUELL) |
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Henry Higgins | Richard van Gemert |
Eliza Doolittle | Vera Lorenz |
Alfred P. Doolittle | Ansgar Schäfer |
Oberst Pickering | Ralf Grobel |
Freddy Eynsford-Hill | Anton Kuzenok |
Mrs. Pearce | Kristina Günther |
Mrs. Higgins | Kerstin Thielemann |
Mrs. Eynsford-Hill | Dorothee Ueter |
Harry / Zoltan Karpathy | Matthias Knaab |
Jamie | Robin Grunwald |
Erster Obsthändler | Bernd Stahlschmidt-Drescher |
Zweiter Obsthändler | Egidijus Urbonas |
Dritter Obsthändler | Dirk Achille |
Vierter Obsthändler | Johannes Richter |
Frau aus Hoxton | Sophia Leimbach |
Frau aus Selsey | Nina Andreeva |
Mrs. Hopkins | Verena Grammel |
Ärgerlicher Mann | Johan de Bruin |
Lord Boxington | Götz Vogelgesang |
Lady Boxington | Andrea Kleinmann |
George | Sebastian Joest |
Charles / Majordomus | Tobias Kramm |
Chor | Chor des Theaters Hagen |
Tanz | Ballett Hagen |
Musik | Philharmonisches Orchester Hagen |
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GALERIE |
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TERMINE |
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Sa, 30.11.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | |
So, 02.03.2025 15:00 | Großes Haus, Hagen | |
Sa, 29.03.2025 19:30 | Konzert Theater, Coesfeld |
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TERMINE (HISTORY) |
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Sa, 20.04.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | Premiere | |||||||
Mi, 24.04.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
Do, 25.04.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
▼ 7 weitere Termine einblenden (bis 20.10.2024) ▼ | |||||||||
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Mi, 01.05.2024 18:00 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
Fr, 24.05.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
Do, 30.05.2024 18:00 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
So, 07.07.2024 18:00 | Großes Haus, Hagen | zum letzten Mal 2023/24 | |||||||
So, 22.09.2024 15:00 | Großes Haus, Hagen | Wiederaufnahme | |||||||
Sa, 12.10.2024 19:30 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
So, 20.10.2024 15:00 | Großes Haus, Hagen | ||||||||
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