Kommentar zum Minus bei "Marie Antoinette"

Mutig war’s: Intendant Hans-Joachim Frey kaufte die Rechte für die Europapremiere von Kunze/Levays „Marie Antoinette“ und sorgte für eine Premiere. Erstmals realisierte ein Stadttheater mit einem eigens verpflichteten Star-Ensemble eine Musical-Großproduktion in Long-Run-Dimensionen. Und das im angemieteten Bremer Musical Theater, dessen „Jekyll & Hyde“-Pleite der örtlichen Politik bis heute in den Knochen steckt. Und wieder steht ein Millionen-Minus am Ende der diesmal nur auf vier Monate angelegten Spielzeit.

Frey hatte sich schlicht verrechnet. Um neben dem regulären Spielbetrieb im Stammhaus das Musicalprojekt zu stemmen, mussten Gewerke ausgelagert werden: Kostüm und Bühne wurden teurer als gedacht. Dazu die Miete für eine musicaltaugliche Tonanlage; die Produktion war aufwändiger als aus Stadttheatersicht gedacht. Daraus resultierte der Zwang, mehr Karten abzusetzen, ergo stiegen die Werbekosten.

Eine finanzieller Teufelskreis, aus dem nur eine hohe Auslastungsquote einen Ausweg gewiesen hätte. Doch Bremen war, wie schon im Falle „Jekyll“ vor acht Jahren, vielleicht zu klein. Begegnete man in der Stadt auch an jeder Ecke der durchaus hochwertigen Werbung für das Stück, so fehlte doch die überregionale Strahlkraft. Schon im rund 100 km entfernten Hamburg war nichts mehr zu merken vom Königinnendrama in Bremen. So addierte sich zu den Defiziten des Stammhauses durch „Marie Antoinette“ ein Minus von 1,5 Millionen Euro, das Frey nun versuchen will, durch Vorgriffe auf Zuschüsse der kommenden Jahre zu decken.

Wie weit ihm die Politik dabei folgt, ist nach der Wiederholung des „Jekyll“-Traumas und der Beinahe-Insolvenz des Theaters in den vergangenen Jahren ungewiss. Dennoch: Es ist schade um ein Experiment, dem viele gute Ideen zugrunde lagen: starke Partner aus der Wirtschaft, vergleichsweise günstige Eintrittspreise, ein hochkarätiges Ensemble, das das Stück zum Erlebnis machte. War es dann doch, wie Intendant Frey entschuldigt, am Ende die Wirtschaftskrise, die das Publikum am Kartenkaufen hinderte?

Das Potentzial für eine tröstliche Legende von der richtigen Idee zum falschen Zeitpunkt hat diese Interpretation jedenfalls. Doch leider wird der finanzielle Ausgang des Bremer Experiments andere Intendanten in der Zukunft von solcherlei ambitionierten Vorhaben abhalten, wenn ihnen ihr Job lieb ist.

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