© GoJa Music Hall
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Die Vampire tanzen in Prag: gewöhnungsbedürftig, aber lohnenswert

 

„Tanz der Vampire“ ist aktuell zeitgleich auf gleich drei deutschsprachigen Bühnen zu sehen – doch nicht nur dort. Unser Autor Robin Jantos war in Tschechien unterwegs. Auch dort haben die Vampire zum Tanz geladen – und Robin hat genau hingeschaut.

Eine insgesamt knappe Grundfläche und dann auch noch schräge Wände – man ahnt, dass es im Backstage-Bereich der Prager GoJa Music Hall enorm eng zugehen muss. Die Pyramidenform ist eben nicht gerade funktional für einen Theaterbau. Einen Bühnenturm gibt es auch nicht, und allein deshalb musste Roman Polanskis Original-Inszenierung von „Tanz der Vampire“ an etlichen Stellen verändert werden. Das Team vor Ort um Regisseur Radek Balaš nutzt die Gelegenheit und setzt auch inhaltlich bei „Ples Upírů“ einige neue Akzente. Wäre Platz für die Originalkulissen gewesen, hätten diese Änderungen vermutlich kaum den Segen der Lizenzinhaber bekommen. In Moskau beispielsweise lief 1:1 das aus Wien und Deutschland bekannte Original.

Weil sich die Kulissen von Bühnenbildner Daniel Dvořák nicht nach oben oder unten wegfahren lassen, spielen während der Umbauten oft Szenen an der vorderen Bühnenkante vor Projektionen. Die berühmte „Totale Finsternis“ verliert dadurch zwar an Wirkung, da die Wendeltreppe fehlt, aber ansonsten ist es verschmerzbar. Der erste Akt ist noch nah am Original (wobei es im deutlich kleineren Wirtshaus schon arg beengt zugeht), der zweite dagegen wirkt wie komplett neu inszeniert. Auch praktisch alle Kulissen und die meisten Kostüme (Roman Šolc) sind neu und anders gelöst.

Bei „Carpe Noctem“ etwa gibt es kein Himmelbett, aus dessen Dach Vampire klettern, sondern eine einfache, um 90 Grad nach oben gekippte Schlafstätte. Die Vampire – hier eher Skelette – kriechen wie Maden zwischen Alfred und dem Professor hervor und bewegen sich zuckend und kriechend über die Bühne. Echten Tanz gibt es nur von den Figuren, die in Alfreds Alptraum wirklich eine Rolle spielen. Das ist weniger Spektakel als im Original, dafür mehr Fokus auf die Ängste des jungen Assistenten. Und mehr Gänsehaut.

Überhaupt ist den Machern in Prag zu Alfred am meisten Neues eingefallen. Etwa die hübsche Idee, ihn im ersten Akt einen Schneemann für Sarah bauen zu lassen – eine kleine romantische Geste, über die sich Sarah eher amüsiert, womit beide Figuren noch deutlicher konturiert sind. Dass der finale Biss für Alfred nicht unbedingt eine Katastrophe ist, wird im Text nur angedeutet. Hier ist es anders als in der aktuellen Stage-Version auch zu sehen: Zum finalen Tanz kehren Alfred und Sarah zurück und reihen sich in die Vampire ein. Der vorher immer leicht gebückte Alfred wirkt mit anderer Körperhaltung und aufgerissenem Hemd gleich zehn Zentimeter größerer und doppelt so selbstbewusst. Das Leben als Vampir ist seine Bestimmung.

Was sonst noch anders ist? Der Herbert ist noch ein wenig tuntiger (das Publikum findet’s offenkundig super) und spielt gemeinsam mit Magda beim Ball eine herausgehobene Rolle im Vampir-Ensemble. Graf von Krolock (Bohuš Matuš) hat zwar keine übermäßig erotische Ausstrahlung, wirkt dafür aber körperlich bedrohlicher – etwa, wenn er kurzerhand die Kaminwand eintritt, um in Sarahs Zimmer zu kommen, und die von ihrem Vater an die Tür genagelten Bretter mühelos abreißt.

Dass es hier ein großes Orchester gibt, das den Namen auch verdient, tut dem Stück gut. Gespielt und gesungen wird ebenfalls auf hohem Niveau, wobei das Tschechische mit seinen vielen Zischlauten als Musicalsprache für Fremde gewöhnungsbedürftig ist. Aber das ist ein pyramidenförmiges Musicalhaus ja auch.

Wer das Stück noch nicht kennt (und die Sprache nicht versteht), wird dem Inhalt wohl nicht folgen können. Für alle anderen ist ein Besuch jedoch lohnenswert. Die Eintrittspreise liegen massiv unter denen in Deutschland (40 Euro für die teuerste Karte). Und eine Reise nach Prag lohnt sich ohnehin immer.

 
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