Annika Bruhns hat sich mit Rollen in großen und kleinen Produktionen von „Les Misérables“ in Wien bis „Ich war noch niemals in New York“ in Hamburg einen Namen in der Musicalbranche gemacht. Nach einigen Jahren, die sie in Schweden zugebracht hat, lebt sie nun wieder in Deutschland.
Von 2013 bis 2018 hast du in Schweden gelebt. Vielen von uns erscheint der Lebensstandard und die gesellschaftliche Situation in den skandinavischen Ländern als sehr angenehm, wenn nicht sogar erstrebenswert. Welche Unterschiede hast du im Alltag im Vergleich zu Deutschland gespürt? Und warst du in Schweden auch auf Bühnen tätig?
Das Landleben in Schweden ist ein anderes als in den Großstädten. 9 Millionen Einwohner auf eine Fläche verteilt, die 2,5 mal so groß wie Deutschland ist. Das ist viel Platz, sehr viel Platz. Man ist eher für sich. Egal wo im Land. Die schwedische Kultur ist tatsächlich eine ganz andere, als die idyllisch romantisierte, sicher auch durch Astrid Lindgren und die 70er Jahre geprägte. (Und unterscheidet sich maßgeblich von der dänischen und norwegischen.) Der Lebensstandard ist hoch, das stimmt.
Der Unterschied zu Deutschland hat sich in meinem Umfeld vor allem dadurch bemerkbar gemacht, dass die Menschen unter sich sind und Neues nur sehr langsam und zögerlich zur Kenntnis nehmen. Das beruht hauptsächlich auf einer extremen Rücksichtnahme, die man in Schweden schon als Kind verinnerlicht. Im Allgemeinen haben Schweden eine sehr zurückhaltende Art, sind eher distanziert und schauen erst einmal, was passiert. Bis sich tiefe Kontakte und Freundschaften entwickeln, dauert es oft sehr lang. Man ist höflich, aber distanziert. Es hat schon eine Zeit gedauert, bis ich diese Unterschiede verstanden und gelernt habe, damit zu leben und umzugehen.
Ich hatte einige Gigs in Schweden, habe aber überwiegend als Public Speaking Coach gearbeitet. Und bin natürlich immer beruflich nach Deutschland geflogen, wenn es sich ergab.
Auf den deutschen Bühnen hast du dich in den vergangenen Jahren ja eher rar gemacht. Lebenserfahrung sammeln ist das eine, aber was tust du um Stimme, Körper und Geist in Form zu halten? Hast du ein paar Tips für unsere Leser?
Ich habe zwar keine Long Run Shows mehr gemacht, war trotzdem noch auf der Bühne. So ist vor kurzem z.B. die CD „Nimmerwiedermehr“ erschienen, an der ich mitgewirkt habe.
Das Coaching hat sich gleich in meiner Anfangszeit in Schweden ergeben und hat mir riesig Spaß gemacht. Ich habe vorher in Hamburg schon viele Jahre unterrichtet, und auf einmal konnte ich das Gebiet ausweiten. Denn jeder, der sich vor Menschen stellt und etwas mitteilen will, ob durch Musik, Tanz oder eben Vortrag hat einen Sendeauftrag. Wie das geht, kann man lernen. So durfte ich mit den unterschiedlichsten Branchen in Kontakt kommen, hoch spannend und eine große Bereicherung.
Abgesehen davon, haben wir viel Zeit mit der Renovierung unseres Hauses verbracht (das hält körperlich fit), unendliche Stunden im Riesengarten genossen und gewerkelt (noch mehr Fitness), einen Pizzaofen gebaut (und viel benutzt), die Natur und die Einsamkeit genossen, auf den unendlichen Schnee irgendwann nur noch geschimpft, die weißen Nächte aufgesogen und die lange Dunkelheit mit vielen Kerzen und noch mehr Musik ertragen. Insgesamt war es eine große Umstellung, ein weiteres Kapitel in meinem Leben.
Im Moment ist karrieretechnisch ja eine schwierige Zeit für Schauspieler. Gibt es trotzdem schon nennbare Pläne – oder zumindest Wünsche – für deine berufliche Zukunft?
Es ist unendlich schwierig und die Branche fühlt sich missverstanden, nicht gesehen und leidet sehr. Physisch wie psychisch. Für viele Kollegen/innen auf und hinter der Bühne ist es existenzbedrohend. Für mich gibt es, dankenswerterweise Pläne, die kurz vor Vertragsabschluss stehen. Ich tauche wieder auf, wenn es die Pandemie zulässt. Ich werde es verkünden, sobald die Tinte auf dem Vertrag trocken ist.
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