Ich will Spaß!
Essen / 2008

Die Dynamik dieser Live-Aufnahme begeistert und sorgt dafür, dass die 23 Songs wie im Flug vergehen.


In einem Musical-Lexikon wäre das Compilation-Stück „Ich will Spaß!“ mit den Hits der Neuen Deutschen Welle mit dem Eintrag „entbehrlich“ hinreichend beschrieben und erörtert. Die Live-Aufnahme des im Colosseum Theater Essen am 5. Oktober 2008 uraufgeführten Musicals verdeutlicht jedoch einmal mehr, dass es nicht an der Musik liegt, dass dieses Stück nicht funktionieren will. Im Gegenteil – was die sechsköpfige Band unter der musikalischen Leitung von Thomas Meyer auf dieser Einspielung abliefert, ist aller Ehren wert und lässt die Originale oftmals locker hinter sich.Im Gegensatz zu Buch und Regie hat die musikalische Seite der Produktion nämlich ihre Hausaufgaben gemacht und sich allem Anschein nach in der notwendigen Tiefe mit dem Thema auseinandergesetzt. Wo es geboten erscheint, lassen die beiden Arrangeure Jeroen Sleyfer und JB Meijers den Wiedererkennungswert der bekannten Hits unangetastet und transferieren unverwechselbare Klangbilder wie etwa die von Spliff’s „Carbonara“ und Falco’s „Der Kommissar“ nahezu perfekt auf die Bühne, während sie anderen Songs gezielt eine voluminösere Instrumentierung oder den ein oder anderen Ensemblegesang hinzufügen, wenn es die Bühnenaufführung erfordert. Hierdurch wird sogar aus einem Liedchen wie Nena’s „Rette mich“ noch ein richtiger Song mit Aufbau und Dramaturgie. Insgesamt eine sehr zielführende Arbeit, die die Originale auf angenehm unaufdringliche Weise veredelt, ohne durch Verfremdung zu sehr auf sich aufmerksam machen zu wollen.Auch den gesanglichen Leistungen ist anzuhören, dass sämtliche Darsteller mit Verve bei der Sache sind und sich die jeweilige Psychologie ihrer Songs angeeignet haben. Besonders Michael Ernst kann mit einer überaus gelungenen Version von „Hurra, hurra die Schule brennt“ glänzen. Auch Leila Vallio bietet mit „Skandal im Sperrbezirk“ eine packende Interpretation eines der bekanntesten Hits der NDW, die sich eher nach Neuveröffentlichung als nach Musicalbühne anhört. Wem der Sinn mehr nach letzterem steht, wird bestens von Claudia Agar bedient, die mit kräftiger klarer Stimme den Klassiker „99 Luftballons“ gibt. Heimlicher Star der Show, weil Identifikationsfigur für die angestrebte Zielgruppe der in die Jahre gekommenen NDW-Hörer, ist Cusch Jung als fremdgehender Oberspießer – leider vermag die Cast-Aufnahme hiervon außer seinem herrlichen Auftritt als Herr des Hasses bei DÖF’s „Codo“ nur wenig abzubilden. Auf dem Hidden Track der Aufnahme präsentiert er immerhin noch eine amüsante Variante von „Ich schau‘ Dich an“. Michael Eisenburger zeigt sich in gesanglicher Hinsicht weitaus wandlungsfähiger als in seinem Spiel auf der Bühne und überzeugt mit einer mitreißenden Version von Ideal’s „Eiszeit“. Deutliche Abstriche gibt es jedoch beim Gesang von Romina Langenhan, die sich auf dieser Aufnahme mit blechern-dünner Stimme und ohne letzte Konsequenz im Ausdruck präsentiert.Aber trotzdem: Die Dynamik der knapp 70-minütigen Live-Aufnahme begeistert und sorgt dafür, dass die 23 Songs wie im Flug vergehen und die CD in Griffweite aufbewahrt wird. Dabei kann das lieblos gestaltete Booklet getrost aus den Augen verloren werden, da von den zwölf mageren Seiten sogar noch eine Doppelseite mit einem selten dämlichen Bild zum Song „Rosemarie“ belegt ist, das auf die Party-Hit-Mix-Käuferschaft abzielt und mit Sicherheit niemals Eingang in die Bewerbungsmappe eines der hierauf abgebildeten Darsteller finden wird. Aufgrund der musikalischen Qualität schafft es die CD zum Stück in dem eingangs erwähnten Musical-Lexikon jedoch immerhin zu dem respektablen Eintrag „Warum nicht?“. Eine gewisse Affinität zu den Songs der NDW sollte allerdings vorhanden sein…

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