Daniel Jeroma (Interviewer), Klaus Brantzen (Mr. Mushnik), Julia Heiser (Chiffon), Nikko Forteza (Seymour) © Pedro Malinowski
Daniel Jeroma (Interviewer), Klaus Brantzen (Mr. Mushnik), Julia Heiser (Chiffon), Nikko Forteza (Seymour) © Pedro Malinowski

Der kleine Horrorladen (seit 09/2024)
MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Mit „Der kleine Horrorladen“ bringt Carsten Kirchmeier ein wahres Kult-Musical unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Wilger ins Kleine Haus des Musiktheaters im Revier. Ein starkes Ensemble in Gesang und Spiel sowie eine ansprechende Ausstattung im Stil der 1960er Jahre sprechen für gute Unterhaltung. Leider wird den Figuren nur wenig Tiefe zugesprochen. Dass diese aufgrund ihrer Herkunft nicht anders handeln könnten als dem Unmoralischen und der Manipulation zu verfallen, wirkt am Ende leider doch etwas platt.

Der kleine Blumenladen Mr. Mushniks steht vor dem Aus, als Ziehsohn und Mitarbeiter Seymour mit einer mysteriösen Pflanze aufwartet. Nicht nur die von Seymour umworbene Angestellte Audrey ist beeindruckt, sondern auch die Kundschaft sucht den Laden endlich wieder regelmäßig auf und die Kasse klingelt. Der linkisch gezeichnete Seymour muss nun dem zunehmenden Blutdurst der Pflanze gerecht werden und vergisst darüber zunehmend sich selbst.

Carsten Kirchmeier zeichnet sich für die Regie des Kult-Grusicals verantwortlich und setzt zusammen mit dem Bühnen- und Kostümbild von Beata Kornatowska auf Abbildung der Filmvorlage von 1960. Immer höher toupierte Perücken zeigen überdeutlich die wachsende Bedrohung durch die Horrorpflanze auf: Den Damen scheint eine eigene Horrorpflanze auf dem Kopf zu wachsen. Das Bühnenbild von Kornatowska stellt im Hintergrund eine abgerollte Filmrolle dar. Diese gibt den Rahmen um sämtliche Szenen. Die weiteren Requisiten sind sehr reduziert, sodass alles, was nicht im Blumenladen stattfindet, halbszenisch bzw. im Schattenspiel umgesetzt wird. Die sächliche Reduktion geht auf und verfehlt ihre Wirkung nicht.

Ronnette, Chiffon und Crystal, gespielt von Elena Otten, Julia Heiser und Sonja Hebestadt, tauchen in der ersten Szene aus dem Off auf und finden im Slum der Skid Row ein Drehbuch, das mit „Der kleine Horrorladen“ betitelt ist und schließlich zum Leben erwacht. So scheinen die drei Ladies dem Fortlauf der Story immer einen Schritt voraus zu sein, zeigen sich mal mit den Charakteren empathisch, dann wieder als Teil der mörderischen Pflanze, was nicht nur dem zerstreuten und verunsicherten Seymour, gespielt von Nikko Forteza, eine gnadenlose Verwirrung beschert. Der Inszenierung fehlt es neben dem optischen Motiv der 1960er Jahre ansonsten an klarer Linie. Die stereotypisiert gezeichneten Charaktere wirken unnatürlich dunkel und / oder naiv und schlicht gezeichnet.

Die Quintessenz, dass die Figuren aufgrund ihrer Herkunft und Prägungen nicht anders könnten, als immer neue Abhängigkeiten einzugehen, scheint doch sehr vereinfacht.

Nikko Forteza zeigt keine stetige Entwicklung Seymours, sondern eher sprunghafte Wandlungen auf. Diese vermittelt er glaubhaft und gekonnt, jedoch tun diese Sprünge dem Fluss der Geschichte nicht gut. Gesanglich überzeugt Forteza mit wohlklingender Singstimme.

Tamara Köhn gibt eine naive Audrey, die nur wenig Entwicklung aufweist. Von der einen Abhängigkeit von Zahnarzt Dr. Scrivello begibt sie sich blauäugig in die Arme des eben noch so tumben Arbeitskollegen Seymour. Allerdings sticht Köhn gerade in emotionalen Szenen mit Klarheit in ihrer Singstimme aus dem starken Ensemble hervor und berührt vor allem mit ihrem Solo „Im Grünen Irgendwo“ wie auch in der Sterbeszene der Audrey.

Mr. Mushnik wird von Klaus Brantzen hervorragend als Stereotyp eines Narzissten interpretiert. Mit schönem Timbre umschmeichelt und demütigt er seine Mitarbeiter gleichermaßen – je nachdem wie es gerade um seinen Stand bestellt ist.

Die Lady-Combo Ronnette (Elena Otten), Chiffon (Julia Heiser) und Crystal (Sonja Hebestadt) ist ein starkes Gesangstrio und beeindruckt durch Präsenz, gesangliche Perfomance und im Tanz vermittelte Emotionen. Hier als Erzählerfiguren, dort als Statisten, dann wieder wie der Kulisse (bzw. der Pflanze) zugehörig – wandlungsfähig und auf den Punkt halten die Damen den Rahmen der Story, wechseln in Sympathie aber ganz klar die Seiten von den menschlichen Protagonisten zu Audrey II.

Daniel Jeroma als sadistischer Zahnarzt Dr. Scrivello glänzt durch Kälte und Brutalität im Spiel. Man meint den Wahn in seinen Augen schimmern zu sehen. Gesanglich und im Spiel überzeugt er auf ganzer Linie, auch in seinen kleineren Rollen wie die des Reporters, des Hausierers und des Geschäftsmanns, womit er eine enorme Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt.

Audrey II, gebaut von Sarah Schulze, regiert in vier verschiedenen Größen über das Bühnengeschehen und ist als eigentlicher Star des Stückes fulminant in Szene gesetzt. Auf den Punkt gespielt von Julius Warmuth und humorig dunkel, mit passendem American English der Südstaaten von Dennis LeGree gesprochen, schindet sie Eindruck und sorgt für Gänsehautmomente. Ihre immer wiederkehrende Aufforderung „Fütter mich!“ geht durch Mark und Bein.

Tenald Zace zeichnet mit seinen Choreographien Tanzgeschichten auf, die das Stück beleben und passend die vorherrschende Stimmung transportieren. Seymours Überforderung mit der Pflanze und zunehmende Verwirrung werden nicht nur durch seine unsicheren Schritte, sondern auch dessen tänzerische Begleitung durch das Damentrio Chiffon, Crystal und Ronnette aufgezeigt. Der arme Kerl wirkt zudem durch die vorherrschende starke weibliche Präsenz in dieser Szene völlig überfordert.

Die Band spielt unter der musikalischen Leitung von Wolfgang Wilger alle Songs der Partitur angemessen kontrastierend: zwischen gefühlvoll sanft („Jetzt hast Du Seymour“) wie auch dunkel („Gib´s mir!“) und kalt („Zahnarzt“) ist das Ensemble an den Saiten, Tasten und Drums immer passend in Emotion und Stimmungslage.

Die oft optische Reduktion des Stückes konzentriert das Publikum auf das Geschehen und das Erleben der so konträren Charaktere. Musikalisch und im Spiel vollkommen überzeugend bleibt der Wermutstropfen, dass die Figuren gar so einfach gestrickt sind. Man möchte aufschreien und die Personen verteidigen: dass die Gier nach Ruhm und Reichtum in jedem Menschen doch die dunkelsten Seiten hervorrufen kann und dies nicht auf die Einfachheit ihres Charakters oder gar ihre Herkunft zurückzuführen ist.

 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
KREATIVTEAM
Musikalische LeitungWolfgang Wilger
InszenierungCarsten Kirchmeier
ChoreografieTenald Zace
Bühne und KostümBeata Kornatowska
PuppenbauSarah Schulze
LichtMario Turco
TonMax Kallien
DramaturgieAnna-Maria Polke
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
CAST (AKTUELL)
SeymourNikko Forteza
Audrey / Mrs. LuceTamara Köhn
Mr. Mushnik / BernsteinKlaus Brantzen
Orin Scrivello / Penner / Kunde / Agent / Interviewer / Patrick MartinDaniel Jeroma
CrystalSonja Hebestadt
ChiffonJulia Heiser
RonnetteElena Otten
Stimme Audrey IIDennis LeGree
Spiel Audrey IIMaximilian Teschemacher
Julius Warmuth
  
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE
Sa, 23.11.2024 19:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
Fr, 29.11.2024 19:30MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
Sa, 21.12.2024 19:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
Di, 31.12.2024 19:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
So, 05.01.2025 18:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
Fr, 24.01.2025 19:30MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
So, 23.02.2025 18:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
 
Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
TERMINE (HISTORY)
Sa, 14.09.2024 19:00MiR (Kleines Haus), GelsenkirchenPremiere
So, 22.09.2024 18:00MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
Mi, 02.10.2024 19:30MiR (Kleines Haus), Gelsenkirchen
▼ 4 weitere Termine einblenden (bis 09.11.2024) ▼
Zur Zeit steht die Funktion 'Leserbewertung' noch nicht (wieder) zur Verfügung. Wir arbeiten daran, dass das bald wieder möglich wird.
Overlay