Avantika (Karen), Renee Rapp (Regina), Bebe Wood (Gretchen), Angourie Rice (Cady) © Jojo Whilden / Paramount, 2023 Paramount Pictures
Avantika (Karen), Renee Rapp (Regina), Bebe Wood (Gretchen), Angourie Rice (Cady) © Jojo Whilden / Paramount, 2023 Paramount Pictures

Mean Girls - Der Girls Club
Kinofilm / 2024

20 Jahre nach der Premiere des Kultfilms „Mean Girls – Vorsicht bissig!“ öffnet heute das Remake unter dem Titel „Mean Girls – Der Girls Club“ in den deutschen Kinos. Was in vielen Trailern gekonnt verborgen wurde: Diese Neuadaption kommt als Musical-Film daher, der sich der Songs aus der Broadway-Fassung bedient.

Die Handlung und die Figuren des Originals bleiben auch in Tina Feys neuester „Mean Girls“-Inkarnation erhalten. Die schüchterne Cady kommt an eine neue Schule, wo sie unter die Fittiche der ‚Plastics‘ genommen wird. Anführerin des It-Girl-Trios ist Regina George, die für ihr ruchloses Naturell mit Ehrentiteln wie ‚Queen Bee‘ oder ‚Apex Predator‘ auf der Schule bekannt ist. Cady wird von den Außenseitern Damian und Janis dazu angestiftet, bei der Entthronung von Regina als Spitzel zu helfen. So findet sich Cady zwischen den Fronten wieder und es entspinnt sich ein High-School-Drama, bei dem am Ende nicht mehr klar ist, wer eigentlich Opfer und wer Täter ist.

Nachdem Tina Fey sowohl den ersten Film als auch das erfolgreiche Bühnenmusical als Regisseurin verantwortet, ist das Drehbuch des neuen Kinostreifens ihr nunmehr dritter Streich im Franchise – und der kann sich sehen und hören lassen. Die Handlung des Films wurde ins Smartphone-Zeitalter verlegt, was die brodelnde Gerüchteküche an der North Shore High School umso mehr befeuert und die Intrigen von Regina, Cady und Co. substantieller als im Originalfilm erscheinen lässt. Der Cast ist deutlich diverser besetzt als in der 2004er Version und der zuvor im Ursprungsfilm negativ konnotierte Umgang mit den Themen Homosexualität und Ethnizität ist in der Neuverfilmung dankenswerterweise nicht mehr aufzufinden. Es ist also nicht von der Hand zu weisen, dass die „Mean Girls“ sich 20 Jahre nach ihrem ersten Auftritt auf der Leinwand zeitgemäß weiter entwickelt haben, was ihnen sehr gut zu Gesicht steht.

Für diese Musicalverfilmung wurden 14 Lieder und Reprisen von Komponist Jeff Richmond aus dem Bühnenstück übernommen und um eine Handvoll zusätzlicher Songs erweitert. Dabei sind die Sprechparts des Films auf Deutsch, während der Gesang im englischen Original verbleibt. Obwohl die Synchronarbeit, v.a. mit Moira May als herausragende deutsche Stimme von Regina, sehr gelungen daherkommt, ist die Wahl auf die englischsprachigen Originalsongs doch erfreulich. Viele der von Fans gefeierten Lieder aus dem Musical wie „Meet The Plastics“, „Apex Predator“, „Sexy“, „World Burn“ und „I See Stars“ haben es in den Film geschafft, wurden für den Film allerdings zum Teil massiv eingekürzt, um die Laufzeit von anderthalb Stunden nicht zu sprengen. Einige bekannte Songs wie „Stop“, „Fearless“, „Do This Thing“ und „More Is Better“ fehlen komplett. Cadys Charaktersong „It Roars“ wird im Film durch das neu geschriebene „What Ifs“ ersetzt, das die Figur noch vor ihrem Umzug von Kenia nach Amerika als Charakter greifbar macht – allerdings fehlt es diesem Lied im Vergleich zu „It Roars“ deutlich an Pepp und Dynamik. Generell wird leider durch die starke Einkürzung an Liedern und bedeutungstragenden Reprisen im Vergleich zum Bühnenmusical, und der Fokus auf humoristische Song-Inszenierung seitens des Regie-Duos Jayne und Perez leider viel Potenzial verschwendet, um die Figuren charakterlich aufzubauen. Viele Handlungsmotive und Entwicklungen können nur noch erahnt werden, was eine große Schwäche dieses Films ist.

Fans des Originalfilms können sich allemal freuen, denn so ziemlich jedes ikonische Zitat hat es auch in die 2024er Version geschafft. Die pseudo-coolen Modewörter ‚fetch‚ und ‚grool‚ sind trotz deutscher Synchronisation erhalten geblieben und auch Reginas zahllose boshaft-witzige Beleidigungen haben nichts an Strahlkraft verloren. Immer wieder finden sich kleine Verweise an den Ursprungsfilm und jede Menge Easter Eggs, die gerade eingefleischte Fans feiern dürften. Durch die Musicalsongs gewinnen einige Charaktere im Vergleich zum 2004er Film deutlich an Tiefe, wobei die Lieder vor allem komödiantisch äußerst wirksam eingefügt sind und zeigen, dass sich dieser Film selbst nicht allzu ernst nimmt. Dabei sind die Gruppennummern durch die sorgfältig ausgearbeiteten und sehr expressiv-übertriebenen Choreographien visuell gleichermaßen eindrucksvoll wie lustig. Die Songs befinden sich zum Großteil in der gleichen Reihenfolge wie im Musical und setzen an denselben Handlungspunkten dramaturgisch effektiv an, wobei im Vergleich zum Bühnenstück nahezu alle Lieder mit einer deutlich größeren Portion an Selbstironie versehen wurden, was sich neben den Choreographien an den zahllosen lustigen Einwürfen der Charaktere und den bewusst überzogenen Settings äußert. So werden auch das Genre Musical selbst und speziell das schon fast als eigenes Unter-Genre fungierende High-School-Musical-Thema parodiert. Im Vergleich zum Musical bleiben sowohl Figuren als auch die Geschichte an sich durch den überstarken Comedy-Fokus aber blass zurück.

Der Schnitt des Filmes setzt durchweg auf Dynamik und Comedy: Schnelle Bildwechsel und zahlreiche zufällig wirkende Einspieler sorgen für ein kurzweiliges und nahezu durchgängig witziges Erlebnis, bei dem die Lachmuskeln deutlich beansprucht werden. Mit dem überbetonten Kamerafokus auf die singenden und tanzenden Hauptfiguren wird der Zuschauerblick absichtlich immer wieder auf das Geschehen im Hintergrund gelenkt, wodurch sich oftmals eine Lachsalve nach der nächsten löst. Diese Art von überdrehtem Humor polarisiert und spricht nicht jeden Zuschauer an, doch wenn man eben zum Zielpublikum gehört, ist dieser vor Witz überquellende Film sicherlich schon jetzt das Comedy-Filmevent des Jahres.

Hervorragend besetzt ist der Film auf jeden Fall: Tina Fey übernimmt abermals die Rolle von Lehrerin Miss Heron, die sie schon 2004 verkörpert hatte, und hat dabei nichts von ihrem Witz und Esprit eingebüßt. Tim Meadows gibt ebenso seine Rolle als Schuldirektor aus dem Originalfilm erneut zum Besten, mit einer großen Portion Ironie und betonter Unlust, diesen Job immer noch ausführen zu müssen. Lindsay Lohan, die Original-Cady, hat einen sehr gelungenen Cameo-Auftritt als Schiedsrichterin des Mathe-Wettbewerbs gegen Ende des Films. Auch Ashley Park, die am Broadway die Rolle der Gretchen kreiert hat, findet als Französischlehrerin mit einem Faible für Sängerin Beyoncé eingang in die Neuverfilmung.

Die meisten der Hauptdarsteller haben eine Verbindung zum Musical-Genre, was ihre zum Großteil bemerkenswerten Gesangsstimmen erklärt: Jaquel Spivey gibt sassy und süffisant den Quotenschwulen Damian, dem die Sympathie des Publikums durch sein charmant-lustiges Auftreten als Grande Dame sicher ist – Spivey ist für seine Broadway-Rolle als Usher in „A Strange Loop“ mit einem Tony nominiert worden. Comedy liegt ihm im Blut, was er als Damian vor allem am Weihnachtskonzert der Schule im auf französisches Erotikdrama gepimpten „Leave It All to Me“ zum Besten gibt  – zu schade, dass es diesen Song nicht auf dem Filmsoundtrack zu hören gibt!

Auli’i Cravalho gibt eine im Vergleich zum Originalfilm eher weniger als zurückhaltende Außenseiterin wirkende, toughe und selbstsichere Janis, die eher an ihre Broadway-Version erinnert und stimmlich herausragend performt. Besonders in ihrem aufgebrachten und temperamentvollen Solo „I’d Rather Be Me“ überzeugt sie zudem schauspielerisch auf ganzer Linie. Auch Cravalho ist bereits im Musicalgenre eine kleine Bekanntheit, beispielsweise als Stimme von Moana (dt. „Vaiana“) im gleichnamigen Disneyfilm oder als Arielle im Live-Action-Konzertspektakel von ABC. Zusammen mit Spivey brilliert sie in den Duetten „A Cautionary Tale“ und „Apex Predator“.

Avantika Vandanapu als betont dämliche Karen hat vielleicht die meisten Lacher des Films auf ihrer Seite, zu ulkig ist Vandanapus Version dieser Figur, der sie mit leerem Blick und oftmals total unangebrachten Einwürfen Leben einhaucht. Avantika (so ihr Künstlername) kommt aus der bunten Bollywood-Welt und versteht sowohl tänzerisch als auch gesanglich ihr Handwerk, was sie vor allem im Song „Sexy“ unter Beweis stellt.

Bebe Wood als Gretchen ist eine Neuentdeckung, die ihre chronisch nervöse und aufgedrehte Figur mit Bravour in die Jetztzeit befördert und mit „What’s Wrong With Me“ fast schon anrührend über ihre Obsession mit Regina zu den Klängen einer nostalgischen Spieluhr sinniert.

Angourie Rice als Cady glänzt vor allem im Spiel am Anfang des Films. Trotz der generellen plakativen Überzeichnung des Schauspiels dieses Films und der vielen Kürzungen im Vergleich zur Musicalversion gelingt es Rice, die Entwicklung von Mauerblümchen zur neuen „Queen Bee“ mit feinen Nuancen zu versehen. Ihre sympathische Ausstrahlung macht Rice zur idealen zentralen Schachfigur in diesem Film, der das Publikum interessiert und zugewandt folgt. Leider kommt trotz solider Performance in „What Ifs“ und vor allem am Ende bei „I See Stars“ ihre vergleichsweise dünne Gesangsstimme nicht an die Darstellerinnen heran, die Cady im Musical verkörpert haben. Auch im Vergleich mit ihren Kolleginnen im Film klingt sie eher zurückhaltend, was aber vor allem am Anfang recht gut zu ihrer Figur passt.

Ganz anders ist dies bei Reneé Rapp als Regina George, die hier vielleicht die größte Performance ihrer bisherigen Karriere hinlegt. Rapp schlüpft abermals in ihre Paraderolle, die sie am Broadway zu einer Bekanntheit gemacht hat, und brilliert stimmlich wie darstellerisch. Sie ist der absolute Star dieses Films. Gleich bei ihrem ersten Auftritt zu „Meet The Plastics“ lässt sie von ihrem ersten gesungen Satz – „My name is Regina George, and I am a massive deal“ – an Gänsehaut entstehen. Sämtliche Auftritte und Songs, die Rapp als Regina in diesem Film performen darf, sind wahre Highlights: In „Someone Gets Hurts“ nimmt sich Regina ihren Ex-Freund Aaron, auf den Cady ein Auge geworfen hatte, fast schon gewaltsam-dominierend zurück. Ihr großes Solo „World Burn“, in dem Regina mittels ihres „Burn Books“ kochend vor Wut ihre Rache an Cady initiiert und sinnbildlich die ganze Welt um sie in Flammen steht, ist sowohl darstellerisch als auch gesanglich der Höhepunkt des Films.

„Mean Girls“ ist trotz Abstrichen im Vergleich zum Bühnenstück ein Comedy-Highlight und nicht nur für Fans des Originalfilms oder des erfolgreichen Musicals ein absolutes Muss, sondern auch eine große Empfehlung für alle Verehrer von High-School-Filmen und moderner Musicals! Dieser Film ist einfach fetch!

Und wer Blut geleckt hat, der kann sich alsbald in den Flieger setzen: Denn dieses Jahr kommen die „Mean Girls“ erstmals ans Londoner West End!

 
Overlay