Warum spielt jemand immer wieder eine Dampflok und rollt sich jeden Abend die Seele aus dem Leib? Bernie Blanks weiß es…
Der erste deutschsprachige Rusty Bernie Blanks nutzt die (vielleicht letzte?) Chance und stellt sich wieder der harten Anforderungen des „Starlight Express“ in Bochum – und das elf Jahre, nachdem er Bochum und den Rollschuh-Rennen den Rücken gekehrt hatte.
Schon wenige Tage nach seiner dritten Premiere als junge Dampflok hat ihn der Bühnenalltag wieder. Und der beginnt eineinhalb Stunden vor Showbeginn, wenn Bernie Blanks ins Theater kommt, um sich zu schminken und auf den Auftritt vorzubereiten.
Die Hauptdarsteller von Electra (Richard Woodford) und Papa (Lothair Eaton), Caboose (Kapa Kitchen) und eben Rusty teilen sich eine Sammelgarderobe, in der sie sich – je nach Rolle – bis zu 35 Minuten schminken. Jedes Mal, wenn ein neuer Darsteller zum „Starlight Express“ dazu kommt, wird ihm von einem Maskenbildner beigebracht, wie er sich zu schminken hat. Das war auch bei Bernie Blanks nicht anders. Die ersten Male schminkt ein Maskenbildner die eine Gesichtshälfte vor und die andere muss der Darsteller dann selbst schminken. Mit der Zeit bekommt man dann eine gewisse Routine darin, sich in eine Dampflok zu verwandeln. Damit sich keine Fehler einschleichen, überprüfen die Maskenbildner im Starlight Express Theater regelmäßig die Arbeit ihrer Schützlinge und korrigieren gegebenenfalls Fehler im Make-Up.
Noch während Bernie Blanks letzte Hand an seine orange Nasenspitze legt, kommt Choreographin Debbie Hearnden und knöpft sich die Darsteller einzeln vor. Sie geht mit jedem die Show vom Vorabend durch, identifiziert falsche Armbewegungen und gibt Verbesserungstipps. Auch hier unterliegen die Darsteller ständiger Beobachtung und lernen nie aus.
Keine 20 Minuten später ist die optische Verwandlung abgeschlossen und es geht weiter zum 10-minütigen obligatorischen „Vocal Warm Up“, ohne dass an einen Auftritt nicht zu denken wäre. Das „Skate Warm Up“, während dessen sich ein Großteil des Ensembles auf der Bühne aufwärmt, machen weder Bernie Blanks noch Richard Woodford mit. Da für beide Darsteller die Show mit ihren zahlreichen Rennen schon sehr kräftezehrend ist, beschränken sich die beiden auf statische Aufwärmübungen und Stretching.
15 Minuten vor der Show schlüpft der durchtrainierte 40-Jährige in sein Kostüm und versteckt seinen braunen Haare unter dem Helm, den er während der rasanten Abfahrt von der obersten Ebene quer durch den gesamten Saal tragen wird.
Drei anstrengende Stunden später ist auch die letzte Zugabe gegeben und das begeisterte Publikum durch „Abklatschen“ befriedigt. Bei keiner anderen Show kommen Künstler und Zuschauer so dicht zusammen, dass sie einander die Hand reichen! Bernie Blanks findet es fantastisch, dass er als Künstler auch während der Show so viel Feedback vom Publikum bekommt. Kein Wunder also, dass er nach jeder Show an der Backstage-Door Autogramme gibt und sich mit Fans fotografieren lässt.
Was genau macht den Reiz aus, diese Rolle gerade in Bochum zu spielen? „Ich habe in einigen anderen Produktionen von „Starlight Express“ mitgespielt und viele gesehen, aber die hier in Bochum ist einfach die Beste: Die Bühne, die Kostüme, die Halle – alles ist perfekt für „Starlight Express“.
Der ‚neue’ „Starlight Express“ mit den zusätzlichen Rollbahnen und Songs gefällt dem sympathischen Amerikaner sehr gut. „Ich mag die neuen Songs und die neue Bühne ist auch superklasse. ‚Crazy’ ist eine lustige Nummer, die nicht nur dem Publikum sehr gut gefällt. Aber gerade diese Szene ist echte Knochenarbeit.“ Bei „Starlight Express“ kommt es ganz besonders darauf an, dass sich die Darsteller an die vereinbarten Timings halten. Viel Platz für Bewegungsspielraum oder gar Improvisation bleibt da nicht. „Alle Wege sind absolut ausgetimed und man muss sich genau an die Absprachen halten, damit keine Unfälle passieren. Viel Freiraum gibt es bei den Rennen also nicht.“ Doch auch nach unzähligen Shows als Dampflok versucht Bernie Blanks der träumerischen Dampflok seinen eigenen Stempel aufzudrücken: „Ich hoffe, das ich den Rusty ganz anders spiele als alle anderen und mein gewisses Etwas auch für dass Publikum spürbar ist. Es ist mein Job als Schauspieler und Sänger, mein eigenes Ich und meine eigenen Ideen mit einzubringen. Und dazu gibt es auch bei „Starlight Express“ geeignete Szenen.“
Wenn der eigene Name so sehr mit einer bestimmten Rolle verwachsen ist, wird dieser Part dann automatisch zur Traumrolle? „Nein. Rusty ist weder meine Lieblingsrolle noch ist „Starlight Express“ mein liebstes Musical. Rusty passt einfach zu mir. Ich hatte sehr viel Glück mit dieser Rolle und natürlich viel Erfolg. Von allen Rollen, die ich in meinem Leben bisher gespielt habe, ist Rusty vielleicht die Nummer 2. An erster Stelle steht ganz klar Jesus in Godspell. Das war ein Engagement, das mir sehr viel Spaß gemacht hat und mir auch persönlich viel gebracht hat.“
Wer eine Rolle so oft gespielt hat, muss sich auch die Frage gefallen lassen, wie viel Bernie Blanks in Rusty steckt? „Ich bin Rusty! Total! Deshalb habe ich auch so viel Freude daran, diesen kleinen Jungen zu spielen, der all diese Enttäuschungen erlebt und leidet, aber trotzdem immer noch Kraft und Hoffnung schöpfen kann. Genauso bin ich persönlich auch.“