Gründungsgeschäftsführer Maik Klokow verlässt die Stage Entertainment. Die Turbulenzen rund um das Udo-Jürgens-Musical „Ich war noch niemals in New York“ sind daran wahrscheinlich nicht ganz unschuldig.
Klokow raus! Noch vor wenigen Monaten waren sich selbst Insider sicher, dass sich der Deutschland-Statthalter der Stage Entertainment allerhöchstens selbst entlassen könnte. Zu fest saß der ausgewiesene Theaterfachmann nach dem missglückten Experiment mit dem Medienmann Jan Pelgrom de Haas im Sattel: Als „Retter“ in die Hamburger Stage-Zentrale zurückgekehrt, als Mitglied des SE-Gesamtvorstandes gut vernetzt in der niederländischen Chefetage, nicht zuletzt aber auch weithin als „Joops Ziehsohn“ gehandelt. Es muss eine Menge passiert sein in den vergangenen Monaten, um eine so plötzliche Trennung – von wem auch immer sie ausgegangen sein mag – zu rechtfertigen. Souveränes Handeln sieht anders aus, souveräne Kommunikation auch.
Der Vorgang passt ins Bild des letzten Jahres. Noch unter Kurzzeit-Vorgänger de Haas war eine künstlerische Offensive angekündigt worden, die deutlich Klokows Handschrift trug, war er doch auch während seiner Zeit in der Konzernzentrale stets mitverantwortlich für den Bereich der Stückentwicklungen. Besonders eng verknüpft war sein Name stets mit der Entstehung des Udo-Jürgens-Musicals „Ich war noch niemals in New York“. Gerade dieses Stück, als erstes in einer Reihe geplanter Eigenproduktionen mit besonderen Erwartungen verknüpft, muss einiges zerstört haben im Verhältnis zwischen Klokow und dem Übervater Joop van den Ende.
Entwickelt wurde das Stück maßgeblich in der Hamburger SE-Zentrale vom künstlerischen Direktor Christian Struppeck. Man darf davon ausgehen, dass Klokow nicht nur indirekt an der Produktion beteiligt war, sondern auch den täglichen Entwicklungsprozess intensiv begleitet hat. Das vermutlich im Einvernehmen und mit voller Rückendeckung van den Endes.
Erst die Schlussphase der Produktion führte zum offenen Eklat: Regisseur und Co-Autor Struppeck wurde mit einem Teil seines Teams quasi über Nacht in die Wüste geschickt, nachdem van den Ende einen Durchlauf des Stückes gesehen hatte. Mit Glenn Casale sollte ein Spezialist fürs Leichte als neuer Regisseur die Show retten, von der der Konzerngründer offensichtlich ziemlich entsetzt war.
Diese Entscheidung gegen Klokows engste Mitarbeiter kann nicht folgenlos geblieben sein, ebenso wie die dann folgende Kommunikationskatastrophe des Konzerns. Da wurde der Struppeck-Rauswurf eher unelegant als „krankheitsbedingt“ getarnt und selbst Udo Jürgens war sich nicht zu schade, das Kurzfrist-Engagement Casales als von vornherein geplant zu schönen. Was schließlich auf die Bühne kam, kann weder für Klokow, noch für van den Ende befriedigend gewesen sein. Wie die neue Flaggschiffproduktion eines Marktführers sah das Kreuzfahrtepos jedenfalls nicht aus.
Dass der unschöne Rauswurf der Klokow-nahen deutschen Entwicklungsabteilung nur die Spitze des Eisbergs sein dürfte, liegt nahe. Auch andere Entwicklungen der zweiten Klokow-Ära sind bei Licht betrachtet durchaus diskussionswürdig: Da wurde mit „Wicked“ der Broadway-Hit der letzten Jahre im Stuttgarter SI-Centrum positioniert, dessen Theater sicher nicht die renommiertesten des Konzerns sind. Da musste die SE-Castingshow mit dem selten dümmlichen Titel „Ich Tarzan – Du Jane“ mit einem Sendeplatz bei Sat.1 und mit Hugo-Egon Balder vorlieb nehmen, weil Konkurrent Krauth das ZDF und Thomas Gottschalk für seinen angejahrten „Starlight Express“ gekapert hatte. Da bewegte sich nichts in Sachen Umbau des Münchener Olympia-Radstadions zum Musicaltheater.
Ein zentrales Moment dürfte darüber hinaus der gegenseitige Vertrauensverlust sein: Das fehlende Vertrauen in Klokows strategische Fähigkeiten und seine künstlerischen Entscheidungen einerseits, die fehlende Rückendeckung und das brutale Durchregieren van den Endes im Falle „Ich war noch niemals in New York“ andererseits sind wahrscheinlich nicht ohne Folgen geblieben.
Dass auch unprofessionelle Kommunikation und gekränkte Eitelkeiten ihre Rollen gespielt haben, ist anzunehmen. Wenn mit Henk Kivits nun ein Mann aus der niederländischen Zentrale vorerst das Ruder in Hamburg übernimmt, dürfte das das Ende des deutschen Musical-Sonderweges innerhalb des Konzerns sein. Experimente wie der Kauf des Schlossparktheaters oder die Produktion eigener deutscher Stücke à la Udo Jürgens dürften der Vergangenheit angehören. Vielleicht gar keine so finsteren und schlechten Aussichten: Eine Ausweitung des niederländischen Tourneenmodells mit namhaft besetzten „Evita“- oder „Sunset Boulevard“-Produktionen würde auch deutsche Musicalfreunde mit Vorfreude erfüllen. Trotzdem ist der Stage Entertainment zu wünschen, dass die Verantwortlichen in der nun notwendigen Konsolidierungsphase der Mut zu neuen und mutigen Produktionen nicht ganz und gar verlässt.