Ehrgeiziges Projekt in München: Im Hofbräukeller wird im November 2009 ein privat betriebenes Off-Musicaltheater eröffnet. Theaterchef Thomas Siedhoff über seine Pläne, die Finanzen und den Musicalstandort München.
Das ist ein Novum: Als einziges deutsches Theater will sich das Off-Broadway Musicaltheater im Münchner Stadtteil Haidhausen auf die Pflege des Kammermusicals konzentrieren und einen regelmäßigen Spielbetrieb aufbauen. Allein bis zum Jahresende sollen vier Produktionen mit insgesamt 21 Vorstellungen über die Bühne gehen – unter anderem „Die letzten fünf Jahre“ und „December Songs“. „Wir wollen denkanstößiges Musiktheater machen“, sagt Thomas Siedhoff, Musicaldozent, Fachbuchautor und Dramaturg. Er ist neben Radioredakteur Wolfgang Aschenbrenner und dem Pensionär Wilhelm Wille einer der drei Gründungsvorstände.
100 Plätze soll der Gewölbekeller im Münchner Stadtteil Haidhausen nach dem Umbau haben, das Publikum sitzt an Tischen. Die Bewirtschaftung ist Teil des Konzept, die Hofbräu AG finanziert dafür den Umbau und die teilweise Neubestuhlung. Auch von anderen Seiten wird das Theater unterstützt, etwa mit Sachspenden vom Kulturreferat der Stadt. Wichtigster Partner ist die Bayerische Theaterakademie August Everding, die Produktionen ihrer Musicalstudenten im neuen Theater zeigen will – beispielsweise die Ein-Personen-Abschlussstücke ihrer Absolventen. „Bisher sind diese Produktionen einfach in der Versenkung verschwunden“, sagt Siedhoff. Für den Theaterverein ein wichtiger Faktor: Die Shows sind bereits produziert, das spart viel Geld.
Den reinen Theaterbetrieb finanziert der Verein aus eigener Tasche. „Uns war wichtig, dass wir nicht von Anfang an die Hand aufhalten“, sagt Siedhoff. Die Vorsitzenden würden für das Startkapital mit ihrem Privatvermögen haften. „Über kurz oder lang werden wir aber nicht ohne die Förderung der öffentlichen Hand auskommen.“
In London und New York gibt es lebendige Off-Theater-Szenen – aber dort arbeiten auch viele Menschen in der Musicalbranche, zudem reisen zahlreiche Touristen gezielt für diese Kunstform an. Ob ein solches Theater auch in einer Stadt wie München funktioniert, die als Musicalstandort in Deutschland ohne überregionale Bedeutung ist? „München ist eine musiktheaterversessene Stadt“, sagt Siedhoff, der lange Jahre Chefdramaturg am Theater am Gärtnerplatz war. Im Umfeld der Bayerischen Theaterakademie sei eine Musicalszene entstanden, die weiter wachse. Aber auch er gibt zu: „München ist sicherlich nicht das Drehkreuz des Musicals.“ Trotzdem sei er optimistisch, zumal die Ankündigung des neuen Theaters auf großes Medieninteresse gestoßen sei. „Und unser Haus ist klein genug, um sich tragen zu können.“
Ob es neben genügend Publikum auch genügend Programm gibt? Denn vorerst lebt das Theater davon, bestehende Produktionen zu übernehmen – insbesondere von der Theaterakademie. „Den Bereich Eigenproduktionen wollen wir erst langsam aufbauen“, sagt Siedhoff. Er sei aber optimistisch, eine Frequenz von etwa zwei Stücken pro Monat halten zu können. „Natürlich wollen wir erfolgreiche Produktionen auch wiederaufnehmen.“ Und zwei Showtitel für das nächste Jahr nennt der Flyer des neuen Theaters auch bereits: die Nonnen-Komödie „Non(n)sense“ und das Lloyd-Webber-Solo „Tell Me On a Sunday“.