Matthias S. Raupach (Georges), Andreas Renee Swoboda (Albin), Christoph Jonas (Jacob) © JENKINS PHOTOGRAPHY
Matthias S. Raupach (Georges), Andreas Renee Swoboda (Albin), Christoph Jonas (Jacob) © JENKINS PHOTOGRAPHY

La Cage aux Folles - Ein Käfig voller Narren (2022)
MusikTheater Brandenburg e. V., Wriezen

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Der Stadttheater-Klassiker „La Cage aux Folles“ ist im rund 55 Kilometer von Berlin entfernten, verträumten Kurstädtchen Bad Freienwalde alles andere als eine billig produzierte Schwulen-Klamotte mit mittelmäßiger Darsteller-Schar. Im Gegenteil: Hinfahren, staunen und rundum zufrieden, uneingeschränkt weiterempfehlen!

Abend für Abend wird Albin im Cabaret „La Cage aux Folles“ an der französischen Riviera von der grauen Ente zum schillernden Schwan. Als sein weibliches Alter Ego Zaza ist er dort der Glanzpunkt der Travestie-Show. Die Attribute „schillern“ und „glänzen“ sind in dieser Musical-Produktion am Hof-Theater in Bad Freienwalde noch tiefgestapelt, denn ihre Optik ist einfach berauschend. Stephan Bolz ́ Kostümbild ist für das Travestie-Ensemble eine wahre Orgie aus Tüll, Federn, Glitzer und Glamour. Allein in der Eröffnungsnummer der Cagelles „Wir sind, was wir sind“ gibt es auf offener Bühne drei Kostümwechsel – ein wirklich gelungener Coup. Im Verlauf des Stückes treten sie, Zaza und die Butler-Zofe Jacob-Claudine in immer neuen, auch sehr körperbetonten, Kreationen und Haartrachten auf, denen man ansieht, dass hier nicht gespart wurde.

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Bis auf ein paar Möbel, Vorhänge und vier beleuchtbare Stufen hat Andreas „Ivo“ Ivancsics ein rein digitales Bühnenbild entworfen – und was für eines! Die auf fünf Leinwände projizierten Landschaften und Interieurs vermitteln die perfekte Illusion von tatsächlich existenten Kulissen. Das ermöglicht nur einige Sekunden dauernde Schauplatzwechsel, sodass zum Beispiel aus einem eleganten Wohnzimmer mit Kranich-Tapete blitzschnell das
Restaurant „Chez Jacqueline“ wird. Darüber hinaus kann eine gewisse Bühnentiefe suggeriert werden, die tatsächlich nicht da ist.

Das stellt Choreografen Patrick Stauf vor die große Herausforderung, die Showszenen mit sieben und mehr Darstellern so zu arrangieren, dass niemand bei den Tänzen zu Schaden kommt. Das gelingt Stauf trotz der Enge ganz vortrefflich und insbesondere die Cagelles Marcus Mundus, Luca Graziosi, Koffi Missah und Elias Ziegler glänzen nicht nur mit hoher Präzision und hohem körperlichen Einsatz. Besonders hervorzuheben sind ihre
gesprungenen Spagate und Flick-flacks.

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Da die räumlichen Bedingungen des Hof-Theaters keinen Platz für ein Orchester oder auch eine noch so kleine Band zulassen, wird die musikalische Begleitung vom Band eingespielt. Ein Manko, das jedoch schnell vergessen ist. Andreas Brenicic hat ein hochwertig klingendes Playblack produziert, das sich alles andere als nach einer Notlösung anhört und Jerry Hermans Kompositionen im satten Sound wiedergibt. Auch hier überrascht die Aufführung positiv.

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Die Inszenierung von Matthias S. Raupach und Co-Regisseur Patrick Stauf holt das 1983 uraufgeführte Musical behutsam in die Gegenwart. So wird an der Côte d’Azur mit Euro bezahlt, Rosamunde Pilcher gelesen und Rotkäppchen-Sekt als neuestes Trend-Getränk ausgeschenkt. Damit unterstreichen beide eindrücklich, dass die Diskriminierung von Homosexuellen auch 2022 leider immer noch aktuell ist. Diese Botschaft blitzt insbesondere
bei Sohn Jean-Michel auf, der aus liebesgetriebenem Kalkül dem rechtskonservativen Schwiegervater in spe seine tuntige Familie vorenthalten will. Dass er Albin damit zu tiefst verletzt, wird unmittelbar vor der Pause deutlich: Beobachtet von Georges und Jean-Michel singt Albin in einem weißen Kleid auf der komplett schwarzen, leeren Bühne ein trotziges „Ich bin, was ich bin“ und verlässt tief gekränkt durch den Zuschauerraum den Saal.

Raupach und Stauf zeichnen sehr liebevoll die Charaktere, wobei sie zwar kreischig-tuntige Klischees bedienen, Figuren wie das Faktotum Jacob und die Cagelles jedoch nie der Lächerlichkeit preisgeben. Ihre Inszenierung hält bis zum Schluss das hohe Tempo und es macht einfach Spaß, zuzuschauen.

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Regisseur Matthias S. Raupach steht auch als Georges auf der Bühne. Als Nachtclub-Besitzer ist er in den Conférencen, die er wie auswendig gelernt, wenig pointiert herunterspult, unglaubwürdig, dafür aber als liebevoller Partner von Albin und Vater von Jean-Michel einfach eine Wucht. Mit samtigen Bariton gesungen, ist „Schau mal dorthin“ einer der gesanglichen Höhepunkte der Vorstellung. Als sein Sohn ist Daniel Hauser ein sehr präsenter Jean-Michel, der mit „Anne im Arm“ seinen großen musikalischen Auftritt hat, in dem sein Musical-Tenor gut zur Geltung kommt. An seiner Seite holt Jessica von Wehner das Maximum aus ihrer undankbaren Rolle heraus, wobei sie insbesondere tänzerisch auf sich aufmerksam macht. Ebenfalls vorlagenbedingt undankbar ist die Rolle ihrer Mutter Madame Dindon, die Susanne Rögner als duckmäuserisches Mauerblümchen gibt, das unter dem Pantoffel ihres Ehemanns steht. Henry Nandzik zeichnet diesen als unsympathischen, rechthaberisch-polternden Schreihals.

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Die Partie des Butlers, beziehungsweise der Zofe mit Ambitionen für das Showbiz, scheint Christoph Jonas förmlich auf den muskulösen Körper geschrieben worden zu sein. Er kostet seine Rolle voll aus und wirft sich zur Freude des Publikums mit hohem körperlichem Einsatz und umwerfender Mimik in den knappen Fummel, der nur die wichtigsten Stellen bedeckt. Gut besetzt ist auch Nicole Ciroth als geschäftstüchtige Restaurantbesitzerin Jacqueline, die mit viel Charme und Zielstrebigkeit das von ihr verursachte Chaos zu einem Happy End führt.

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Der Fixstern, mit dem jede „La Cage aux Folles“-Aufführung steht und fällt, ist der Darsteller von Albin/Zaza. Andreas Renee Swoboda, optisch vielleicht noch etwas zu jung für die Rolle, glänzt auf ganzer Linie. Als Zaza ist er eine exaltierte Diva mit Allüren, seinen Albin gibt er als leicht verletzliche Tunte mit einem großen Herzen. Swoboda spielt beide Pole auf den Punkt genau aus, wirkt niemals lächerlich und beeindruckt im Gesang sowohl mit sattem Musical-Tenor als auch locker geführten Pop-Sopran in schwindelerregende Höhe. Eine Idealbesetzung!

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Das Hof-Theater Bad Freienwalde liegt in freier Trägerschaft eines Fördervereins, der mit „La Cage aux Folles“ den zwanzigsten Geburtstag seiner ursprünglich nur auf den Sommer beschränkten Aufführungen feiert. Inzwischen betreibt der Verein ganzjährig seine eigene Spielstätte und kann mit Fug und Recht behaupten, mit dieser Musical-Produktion etwas Hochprofessionelles und ganz Großartiges auf die Bühne gebracht zu haben. Gratulation!

 
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KREATIVTEAM
InszenierungMatthias S. Raupach
Choreografie, Co-RegiePatrick Stauf
Musikalische EinstudierungMatthias Binner
Arrangements, PlaybacksAndreas Brencic
Bühnenbild / GrafikAndreas "Ivo" Ivancsics
KostümeStephan Bolz
VideoThomas Kling
 
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CAST (AKTUELL)
Albin / ZazaAndreas Renee Swoboda
GeorgesMatthias S. Raupach
JacobChristoph Jonas
Jean MichelDaniel Hauser
Anne DindonJessica von Wehner
Herr DindonHenry Nandzik
Frau DindonSusanne Rögner
JaquelineNicole Ciroth
InspizientMichael Chadim
HannaMarcus Mundus
PhädraLuca Graziosi
ChantalKoffi Missaha
MercedesElias Ziegler
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 28.07.2022 19:00Hof-Theater, Bad Freienwalde (Oder)Preview
Fr, 29.07.2022 19:00Hof-Theater, Bad Freienwalde (Oder)Premiere
Sa, 30.07.2022 19:00Hof-Theater, Bad Freienwalde (Oder)
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