© Waggonhalle Marburg / Paul Ndimande
© Waggonhalle Marburg / Paul Ndimande

Jesus Christ Superstar (2020 - 2021)
Waggonhalle, Marburg

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Ein wenig befremdlich ist es schon, in den Theatersaal zu kommen und eine Bühne hinter Plexiglas vorzufinden. Auf der anderen Seite bietet genau diese „Distanz“, die die Inszenierung schafft, einen spannenden neuen Ansatz mit sich, der geschickt die derzeitige Corona-Situation nutzt und das in Deutschland häufig gespielte „Jesus Christ Superstar“ erneut sehenswert macht.

Jens Ravari und seine JCS-Inszenierung haben es – wie alle Theatermacher weltweit – derzeit nicht leicht. Ursprünglich für den April angedacht, fiel die Premiere damals aus und wurde auf Oktober verschoben. Nun wagt sich der Regisseur gemeinsam mit seinem Team in der Waggonhalle an ein spannendes Experiment heran. Er ist einer der ersten Regisseure, die ein voll besetztes Musical auf die Bühne bringen – eine willkommene Abwechslung zu den landauf, landab gespielten Zwei-Personen-Stücken, die aufgrund der Pandemie momentan überall gezeigt werden. Vieles gelingt bei diesem Wagnis sehr gut, einiges bleibt eventuell als „ungewöhnlich“ im Kopf zurück.

Das Spannendste an diesem Abend ist zweifelsohne die Art der Inszenierung und wie die Pandemie in die Show eingebaut wird. Die schon erwähnte Plexiglaswand vor der Bühne und die Scheiben zwischen den Zuschauerbereichen vermitteln eine irgendwie unwirkliche Situation, die der allgegenwärtigen derzeitigen Lage zuzuschreiben ist, aber auch die Sorgfältigkeit dokumentiert, mit der in Marburg an die Gesundheit des Publikums gedacht wird.
Hinter der Scheibe befindet sich mittig ein Podest, welches von Erde bzw. Mulch umgeben ist, so dass eine Art Landschaft entsteht. Mehr braucht es nicht, um die letzten sieben Tage von Jesus Christus lebendig werden zu lassen.
Entsprechend nüchtern und zurückgeschraubt zeigt sich auch die Inszenierung selbst. Die Darsteller sind allesamt weiß und sehr clean gekleidet, teilweise mit schwarzen Details untermalt. Das Ganze erinnert an eine sterile OP-Situation und soll vermutlich genau diese Wirkung erzielen. Dies funktioniert auch sehr gut und bildet eine willkommene Abwechslung zu den sonst meist sehr modern gekleideten Darstellern bei anderen JCS-Inszenierungen.

Corona ist Thema während des gesamten Abends. In der Tempel-Szene auf dem Marktplatz bieten die Händler Toilettenpapier anstelle von üblichen Marktwaren feil und statt des Handauflegens hat dieser Jesus eine große Spritze parat, mit der er seine Jünger „impft“. Einzig das permanente Auf- und Abziehen der Mund-Nasen-Bedeckungen des Ensembles (alle Darsteller tragen Masken, sobald sie nicht singen) ist gewöhnungsbedürftig und wird im Laufe des Abends etwas viel, ist aber der Tatsache geschuldet, dass sich die Darsteller näher als 1,5 Meter kommen und behördliche Auflagen erfüllt werden mussten. Aber auch diese Not macht die Regie zur Tugend, und so fügt sich das Ganze in das distanzierte Gesamtbild der Inszenierung ein.

Auf der Haben-Seite des Abends steht die Band unter der Leitung von Tom Feldrappe. Gewohnt professionell führen er und Patrick Schauermann das 12-Mann-Orchester durch den schmissigen Rock-Sound und die Songs werden zu einem musikalischen Genuss.

Bei den Darstellern fallen besonders Lisa Hofstetter als Maria Magdalena und Felipe Ramos als Jesus positiv auf. Ramos’ Jesus singt die Titelrolle weniger rockig als andere, er hat eine sehr weiche Pop-Stimme, die gut zur Rolle passt. Auch die Falsett-Passagen gelingen, ohne dass das Ende vieler Songs in Geschrei ausartet. Lisa Hofstetter agiert in ähnlich angenehm zurückhaltender Weise und gefällt mit „Wie soll ich ihn nur lieben?“. Durch starke Stimme und eindrückliches Spiel spielt sich zudem André Haedicke in der kleinen Rolle des Pilatus nach vorne. Generell ist das gesamte Ensemble, welches größtenteils aus Laien besteht, für die Arbeit unter den derzeitigen Widrigkeiten zu loben, denn das Erarbeiten einer Show unter diesen erschwerten Bedingungen ist alles andere als leicht.

JCS in Marburg erfindet die Show ein wenig neu. Es wäre vermessen, zu behaupten, dass Corona dies gefördert hat, aber zumindest kann man sagen, dass die Pandemie dazu führte, dass sich kreative Macher mit neuen Wegen beschäftigt und diese konsequent umgesetzt haben. Ein Lob für diesen Mut und diese ungewöhnliche Inszenierung!
Es bleibt zu hoffen, dass sich die pandemiebedingte Lage zumindest soweit stabilisiert, dass solche Inszenierungen weiterhin möglich bleiben, wo doch die ganz großen Shows derzeit noch meilenweit entfernt scheinen…

 
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KREATIVTEAM
RegieJens Daryousch Ravari
ChoreografieDoris Marlis
ProduktionsleitungKurosch Abbasi
Tom Feldrappe
AusstattungFrank Holldack
KostümThomas Döll
LichtPatrick Hosseini
Michel Honold
SoundJonathan Zeitz
Niels Dietrich
Musikalische LeitungPatrick Schauermann
Musikalischer SupervisorTom Feldrappe
 
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CAST (AKTUELL)
JesusFelipe Ramos
MariaLisa Hofstetter
JudasYannick Bernsdorff
(Yannik Gräf)
KaiphasThomas Bernsdorff
AnnasPatrick Pohl
PilatusFrank Bettinger
(André Haedicke)
SimonJonas Blahowetz
PetrusDenes Lich
HerodesAlexander Haubrich
Soul-GirlsVeronika Kwapil
Pauline Schubert
Luna Lange
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 02.04.2020 20:00Waggonhalle, Marburgabgesagt
Fr, 03.04.2020 20:00Waggonhalle, Marburgabgesagt
Sa, 04.04.2020 20:00Waggonhalle, Marburgabgesagt
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