14 Jahre nach dem Gewinn von 6 Tonys und 5 Drama Desk Awards kommt „The Light in the Piazza” erstmals nach London. Das muss einen Grund haben. Zum einen stellt die Partitur hohe Anforderungen an Ensemble und Orchester, zum anderen sind Handlung und Musik seltsam aus der Zeit der gefallen.
Ein Harfen-Glissando, dann setzen die Streicher zu einem weiten Unisono-Melodiebogen an – und schon fühlt man sich, umweht von einer leichten Sommerbrise, an einen sonnigen Platz im Italien der 1950er Jahren versetzt. Auf eben so einer Piazza in Florenz befinden sich Margaret Johnson und ihre Tochter Clara. Margarets Ehemann ist „beruflich verhindert“. Mit Italien verbindet die US-Amerikanerin verklärte Erinnerungen an ihre Flitterwochen. Clara trifft dort auf den jungen Fabrizio Naccarelli. Die beiden verlieben sich auf der Stelle ineinander. Margaret ist gegen die Verbindung. Erst wirkt es, als ob die wohlhabende Frau aus den Südstaaten etwas gegen die Beziehung zu einem Ausländer hat, aber es gibt einen tieferen Grund. Clara scheint eine etwas naive junge Frau zu sein, aber die Wahrheit ist: Nachdem sie mit 12 Jahren einen Unfall hatte, ist sie geistig und emotional in ihrer Entwicklung beeinträchtigt.
Eigentlich eine gute Vorlage für ein Musical: ein (für US-Amerikaner) exotischer Schauplatz, ein bisschen fremdländische Eigenheiten, eine Prise Humor und eine dramatische Liebesgeschichte. Doch war der zugrunde liegende Roman bei der Veröffentlichung 1960 noch ein großer Erfolg, hielt sich der Besucherandrang bei der Verfilmung zwei Jahre später schon in Grenzen. Aber ein Komponist kann aus dem Vollen schöpfen. Adam Guettel, Enkel der Broadway-Legende Richard Rodgers, mischt spätromantische Oper mit leichtem Jazz, Folklore und krasser Atonalität. Die Orchestrierung ist ein Meisterstück. Mal muss das Orchester klangmalerisch alles geben, mal darf es nur fein und zurückhaltend begleiten. Das Orchestra of Opera North tut dies adäquat, umsichtig geleitet von Kimberly Grigsby. Doch die Tonanlage lässt nur einen flachen Klang zu und die Unisono-Streicher zu Beginn klingen wie aus einem Keyboard.
Guettels Songs erfordern Sänger mit klassisch geschulten Stimmen und großem Tonumfang. Die Londoner Besetzung ist dem gewachsen, allen voran Opernstar Renée Fleming. Die Sopranistin, die auch Jazz- und Musical-Alben aufgenommen und am Broadway gespielt hat, erzählt als Margaret Johnson die Geschichte aus ihrer Sicht. Doch diese ist höchst subjektiv. Hält man Margaret erst für eine überbesorgte Mutter, wird in der zweiten Hälfte klar, dass sie die Krankheit ihrer Tochter ausnutzt, um Clara an sich zu binden. Sie erzählt ihrem Mann erst nicht, dass die Tochter in Italien heiraten wird und klärt Familie Naccarelli nie über Claras Zustand auf. Durch Clara will sie romantische Ideale umsetzen, die sie in ihrer Ehe nicht erreicht hat. Fleming zeigt Margaret nicht als kalte Egoistin, sondern gibt ihr Charme und leuchtende Eleganz. Margarets versteckte Angst vor Einsamkeit kommt in ihren Soli und Monologen zum Ausdruck. Eine starke Leistung!
Dove Cameron, Emmy-Preisträgerin für die TV-Serie „Liv und Maddie“, steht ihr stimmlich in nichts nach. Mit Leichtigkeit erklimmt sie die Höhen ihrer Partie und ist die ideale Verkörperung eines bis über beide Ohren verliebten Teenagers, der mit großen Augen langsam die Welt der Erwachsenen erkundet. Die Szenen, in denen ihre Entwicklungsstörung thematisiert wird, gelingen ihr dagegen nicht ganz überzeugend.
Mit Charme, Energie und einem ebenso luftigen wie strahlenden Tenor begeistert Rob Houchen als Fabrizio. Die Rolle verlangt von ihm nicht mehr, als wunderschön zu singen und furchtbar verliebt zu sein. Und das nimmt man ihm im Zusammenspiel mit Cameron ab. Die beiden sind ein Liebespaar wie aus dem Bilderbuch.
Die Mitglieder der Familie Naccarelli sprechen nur gebrochen Englisch; untereinander kommunizieren sie auf Italienisch. Wichtige Informationen werden im Dialog übersetzt. Die Akzente sind einigermaßen glaubwürdig, nur bei Alex Jennings wirkt er aufgesetzt. Davon abgesehen füllt er die Rolle von Fabrizios Vater mit aristokratischer Erscheinung und augenzwinkerndem Humor gut aus. Franca, in einer unglücklichen Ehe mit Fabrizios chronisch untreuem Bruder gefangen, bricht das Bild der typischen herzlich-lauten Italo-Familie. Celinde Schoenmaker gibt ihr eine desillusionierte, bittere Wut. Doch das sind nur kurze Momente, die vom vorhersehbaren Melodram-Weg abweichen. Wenigstens bricht Craig Lucas in seinem Buch hier und da ironisch verklärende Italien-Klischees und macht sich sogar ein wenig über Amerikaner im Europa-Urlaub lustig.
Die Royal Festival Hall ist ein Konzertsaal, kein Theater. Die Bühne, hinter der erhöht das Orchester sitzt, steht ziemlich verloren in diesem unpassend großen Raum. Robert Jones hat als Spielfläche eine Piazza in Kitschfilm-Optik vergangener Zeiten kreiert. Am linken Rand befindet sich eine antike Statue, daran schließt sich eine halbrunde angedeutete Fassade an. Die Gebäude sind, wie es sich gehört, in ocker und nicht mehr im besten Zustand. Die einzigen Umbauten, die man sich leistet, sind das Drehen der Statue, wenn einmal eine Szene in Rom statt in Florenz spielt, und das Herbeischaffen der nötigen Möbel. Das macht es dem Zuschauer schwer, sich bei neuen Szenen zu orientieren. Eine Augenweide sind dafür Brigitte Reiffenstuels elegante Kostüme im Dior-Stil.
Regisseur Daniel Evans beschränkt sich in seiner Inszenierung darauf, Statisten zu drapieren, Darstellerinnen und Darsteller auf- und abtreten und eine Vespa über die Bühne rollen zu lassen. Wenn Clara sich in den Altstadtstraßen verläuft und Angstzustände bekommt, findet er keine passende optische Umsetzung für die musikalisch furchteinflößende Sequenz.
”The Light in the Piazza” ist ein nicht lupenreines Juwel, das im Tresor der selten gespielten Musicals vor sich hin schlummert. Diese Produktion bringt einige Teile davon zum Funkeln, über andere wurde nur schlampig drüber gewischt und wieder andere bleiben matt, so sehr man sie auch poliert.
Fr, 14.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | Preview |
Sa, 15.06.2019 14:30 | Royal Festival Hall, London | Preview |
Sa, 15.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | Preview |
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So, 16.06.2019 17:00 | Royal Festival Hall, London | Preview |
Di, 18.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | Premiere |
Mi, 19.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Do, 20.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Fr, 21.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Sa, 22.06.2019 14:30 | Royal Festival Hall, London | |
Sa, 22.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Mo, 24.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Di, 25.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Mi, 26.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Sa, 29.06.2019 14:30 | Royal Festival Hall, London | |
Sa, 29.06.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
So, 30.06.2019 17:00 | Royal Festival Hall, London | |
Mo, 01.07.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Mi, 03.07.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Do, 04.07.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | |
Fr, 05.07.2019 20:00 | Royal Festival Hall, London | Dernière |
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