Schon mal nach ’nem Jüngeren geschielt? Nach dem Besuch von Elisabeth Engstlers rundum gelungener Inszenierung dürfte sich das für die ein oder andere Besucherin des eher an ein weibliches Publikum addressierten Musicals erledigt haben. Schon wegen der fantastischen, stimmstarken Besetzung (Dominika Szymanska, Katja Uhlig, Barbara Ferun und Florian Bruno Kondur) macht diese Aufführung aber auch Männern Spaß.
Das Sex-Date ist nur einen Klick entfernt. Maria-Marie alias „Miss Kitty“ sucht ihre Kurzzeit-Bettbekanntschaften bequem online im Dating-Portal „cougar.de“. Ihr digitales Jagdrevier ist nach Frauen in einem gewissen Alter benannt, in deren Beuteschema ausschließlich wesentlich jüngere Männer fallen. Sie werden im englischsprachigen Raum deshalb leicht abfällig als „Pumas“ („cougars“) bezeichnet.
In Donna Moores gleichnamigen Musical lebt „Miss Kitty“ diese Vorliebe nicht nur privat recht exzessiv aus, sie bestreitet damit sogar ihren Lebensunterhalt. Maria-Marie (Dominika Szymanska) betreibt eine Bar, in der Ü40-Frauen auf der Suche nach knackigem Frischfleisch Granatapfelsaft mit Vanille-Wodka schlürfen. Hierher verirrt sich die völlig frustrierte Lilly (Katja Uhlig), um ihre gescheiterte zweite Ehe in Alkohol zu ertränken. Cougar Nummer drei, die ehrgeizig-toughe Clara (Barbara Ferun), nähert sich dem Phänomen zunächst aus einer rein wissenschaftlichen Perspektive, ist dies doch der Gegenstand ihrer Dissertation. In der nur knapp zweistündigen Handlung erleben alle drei Frauen eine Achterbahnfahrt der Gefühle, in deren Verlauf Florian Bruno Kondur in diversen Männerrollen sich ihnen hingibt, ihnen das Herz bricht und für die ein oder andere böse Überraschung sorgt.
In ihren schicken und modernen, von Dorothea Tomsits entworfenen Outfits stehen Maria-Marie, Lilly und Clara zum Final-Song „Am Endes des Tags“ wie eine feminine Variante der Drei Musketiere arrangiert auf der Bühne und stellen das Cougar-Modell in Frage. Dieses starke Schlussbild rundet eine Inszenierung ab, die das Publikum sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken anregt. Mit dezent gesetzten Anzüglichkeiten umschifft Regisseurin Elisabeth Engstler geschickt die derbe Klamotte und lässt ihre Darsteller-Riege Gags pointiert setzen. Gleichzeitig zeigt sie drei sehr liebevoll gezeichnete Frauentypen, die sich aus Verletzung, Enttäuschung und Einsamkeit verzweifelt Partnern anbiedern, die ihr eigener Nachwuchs sein könnten.
Dabei setzt Engstler auf Tempo und stellt als Bühnenbild lediglich neun Kisten im Leoparden-Design auf die Bühne. Durch immer neue Arrangements entwickeln die Darsteller die vielen Schauplätze. Flugs entsteht so aus der Cougar-Kneipe ein Lotterbett, ein Friedhof oder ein Nagelstudio. Gleichzeitig ist auf der kleinen Bühne genug Raum für die geschickt arrangierten Choreografien von Frances Chiappetta. Sie entwickelt die Bewegungen ganz aus der Musik heraus und unterstützt damit den flotten optischen Gesamteindruck dieses Kammermusicals.
Für die Neuinszenierung wurde nicht nur der komplette Original-Cast der deutschsprachigen Erstaufführung verpflichtet, es sitzt auch wieder Steven Desroches als musikalischer Leiter in einer kleinen Nische im Zuschauerraum am Klavier. Begleitete er vor einem Jahr noch als Solist, so steht ihm jetzt Kontrabassist Dieter Stelzer zur Seite, der auch das Schlagwerk bedient. Insgesamt hört sich die Partitur dadurch runder und jazziger an. Beide Musiker begeistern auch in den instrumentalen Reprisen während der Umbauten.
Wunderbar sind auch die Darsteller. Florian Bruno Kondur zeigt in seinen diversen Auftritten nicht nur nackte Haut, sondern unterstreicht mit unterschiedlichen Dialekten und verschiedenen Charakterisierungen seine schauspielerische Bandbreite. Stimmlich harmoniert sein bis in die Kopfstimme sicher geführter, leichter Tenor hervorragend mit seinen Kolleginnen. Dominika Szymanska, Katja Uhlig und Barbara Ferun brillieren nicht nur als Trio im Mutmach-Song „Sag ja!“, jede von ihnen punktet auch solistisch oder in Duetten. Da gelingt das balladeske „Mutterglück“ von Szymanska und Uhlig ebenso gut wie Feruns erotisch-verruchte Vorstellung ihres elektronischen Sexpartners „Julio“.
Es ist immer wieder fantastisch, ambitionierte Musical-Aufführungen abseits von Großproduktionen zu entdecken, in denen alles stimmt. Diese „Cougar“-Inszenierung gehört definitiv dazu.
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