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Landauf, landab spielen die kommunalfinanzierten Theater Wildhorns „Jekyll & Hyde“. Schwerin punktet mit einer den Gruselfaktor betonenden Inszenierung von Kay Kuntze in verschwenderischer Ausstattung. Ein Glücksgriff sind die für die Hauptpartien gastverpflichteten Femke Soetenga (Lucy), Marie-Therese Anselm (Lisa) und allen voran Marc Clear in der Doppel-Titelrolle.
Die Droge „JH7“ wirkt: Kaum mutiert der liebenswerte Wissenschaftler Henry Jekyll nach der Injektion der Flüssigkeit zum brutalen Monster Edward Hyde, lässt Regisseur Kay Kuntze mit einer pfiffigen Idee die gespaltene Persönlichkeit für das Publikum sichtbar werden. Fünf ihm aufs Haar gleichende Doubles sind dann seine ständigen, furchteinflößenden Begleiter. Diese nur für die Zuschauer sichtbaren Alter Egos agieren nicht nur illustrierend im Hintergrund, sie reichen auch Mordwerkzeuge und transportieren Leichen ab.
Zum Duett „Gefährliches Spiel“ erscheinen zusätzlich Lucy-Doubles, die gemeinsam mit den Hydes im Tanz vorwegnehmen, was nach dem Duett passieren wird. Allerdings führen die Mitglieder des Ballettensembles des Mecklenburgischen Staatstheaters in der besuchten Repertoire-Vorstellung AnnaLisa Cantons zackige Choreografien unsauber und asynchron aus. Als tanzende Huren-Fraktion in der Bordell-Szene machen die Damen mit Rattenkopf-Hüten allerdings eine tolle Figur und verbreiten viel lasziven Charme.
Mit seiner Inszenierung, die das Mecklenburgische Staatstheater inklusive der Ausstattung von Theater&Philharmonie Thüringen übernommen hat, betont Regisseur Kay Kuntze stark das Schauerdrama. So wird das Publikum beim Betreten des Zuschauerraumes mit gruseligen Geräuschen empfangen und mit dem überraschenden Ausknipsen des Lichtes setzen zeitgleich die ersten brausenden Akkorde der Ouvertüre ein. Erschreckt werden die zumindest am Rand sitzenden Zuschauer auch während der Vorstellung, wenn der blutrünstige Hyde samt Double-Gang vom Parkett aus auf die Bühne schleicht. Mit schnellen Szenenfolgen hält der Regisseur den Spannungsbogen aufrecht und erzählt ohne große Regie-Mätzchen in düsteren Bildern die Geschichte eines wissenschaftlichen Experiments, das tragisch endet.
Gespielt wird hinter einem opulenten, überdimensionalen Goldrahmen, der zunächst im Bühnenvordergrund steht. Allerdings lässt er sich auch um die eigene Achsen drehen, was durch eine 45 Grad-Bewegung beim Duett „Nur sein Blick“ einen trennenden Raum für die beiden grundverschiedenen weiblichen Charaktere entstehen lässt. Bei der musikalischen Jekyll-Hyde-Konfrontation rotiert der Aufbau mit hoher Geschwindigkeit und wechselt je nach singendem Charakter sogar seine Farbgebung. Eine frappierende Lösung!
Auch in anderen Szenen erweist sich Bühnenbildner Duncan Hayler als Magier. Mit auf- und abgleitenden Vorhängen, Projektionen, wenigen Versatzstücken und viel Nebel entstehen in Windeseile immer neue wie überraschende Schauplätze. Ebenso prächtig gelungen sind Haylers verschwenderischen Kostümentwürfe in Schwarz und Gold, die dem prüden, steifen Victorianischen Zeitalter huldigen.
Passend zu dieser Ära gestaltet Cornelius Lewenberg den Utterson, den durch das Musical führenden Erzähler als distanzierten, zurückhaltenden Snob. Allerdings wirkt er in den wie auswendig aufgesagten Monologen hölzern, überfordert und von der Regie allein gelassen. In den wenigen Gesangsszenen singt Lewenberg mit wuchtigem Opernbariton und zeigt wo seine eigentliche Heimat auf der Bühne ist. Gleiches gilt auch für den Chor des Hauses, der durch sein gekünsteltes, teilnahmslos abgespultes Spiel die beiden großen Ensemble-Szenen „Fassade“ und „Mörder“ wie Lieder aus einem Oratorium wirken lässt. Die ansonsten gut disponierten Musiker der Mecklenburgischen Staatskapelle Schwerin spielen unter dem Dirigat von Michael Ellis Ingram beide Nummern wie mit angezogener Handbremse. Das mag sich gut anhören, passt allerdings nicht zum Charakter und zur Aussage der Songs im Stück. Unter den vielen kleineren, aus dem hauseigenen Musiktheater-Ensemble besetzten Rollen sticht Itziar Lesaka als Nellie hervor, die mit samtigem Mezzosopran die Mädchen der Nacht besingt. Gottfried Richter spielt mit feinen sprachlichen Nuancen Jekylls treuen Diener Poole.
Glücklicherweise hat das Mecklenburgische Staatstheater für die Besetzung der drei Hauptpartien auf gastverpflichtete Musical-Profis zurückgegriffen. Marie-Therese Anselm interpretiert mit schönem, runden Sopran die Lisa weniger als gutbehütetes, braves Töchterlein aus gutem Hause. Sie steht als selbstbewusste Frau mit beiden Beinen im Leben und wertet dadurch die eher undankbare Rolle von Hydes Verlobter immens auf. Im weiblichen Gegenpart als käuflich-verruchte Liebesdienerin Lucy hat Femke Soetenga die weitaus interessantere Rolle, die die Darstellerin perfekt ausfüllt. Stimmlich bis in die klaren Höhen perfekt, gibt sie eine sehr menschelnde Hure, die nur zu gerne den Strich gegen ein gesichertes bürgerliches Leben eintauschen würde.
Und wie schlägt sich Marc Clear in der Titelrolle? Mit einem Wort: grandios! Als Jekyll ein charmant-eloquente Wissenschaftler, als Hyde eine meuchelnd-unheimliche Mörder-Bestie. Die eine Seite sanft und liebevoll, die dunkle Variante unheimlich und rau. Auch wenn Clear stimmlich die schwarzen Tiefen fehlen, seine eindringlich-bedrohliche Schweriner Jekyll/Hyde-Interpretation katapultiert ihn in die erste Riege der deutschen Musical-Darsteller.
Musical am Staatstheater. Da haben oft einige Beteiligte Vorbehalte gegen das Genre. Das spürt man deutlich auch bei dieser Jekyll&Hyde-Produktion des Mecklenburgischen Staatstheaters. Allerdings punktet sie mit toller Inszenierung, verschwenderischer Ausstattung und bester Gast-Besetzung in den Hauptpartien. Auf zum Musical nach Schwerin!
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KREATIVTEAM |
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Musikalische Leitung | Michael Ellis Ingrim |
Inszenierung | Kay Kuntze |
Choreografie und Co-Regie | AnnaLisa Canton |
Ausstattung | Duncan Hayler |
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CAST (AKTUELL) |
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Jekyll / Hyde | Marc Clear | |||
Lucy | Femke Soetenga Eve Rades | |||
Lisa | Marie-Therese Anselm | |||
Gabriel John Utterson | Cornelius Lewenberg | |||
Sir Danvers Carew | Igor Storozhenko | |||
Nellie | Itziar Lsesaka | |||
Simon Stride | Sebastian Kroggel | |||
Lady Beaconsfield | Petra Nadvornik | |||
Bischof von Basingstoke | Matthias Koziorowski | |||
Lord Savage | Martin Scheil | |||
General Lord Glossop / Poole / Pfarrer 2 | Gottfried Richter | |||
Sir Archibald Proops / Spider | Matthias Unruh | |||
Bisset | Uwe Skowrenek | |||
Zeitungsjunge | Pavel Wernicke Ludwig Wien | |||
Pfarrer 1 | Tomoji Okita | |||
Erster junger Mann | André Schmidtke | |||
Zweiter junger Mann | Jaewon Kim | |||
Erster Mann | Franz Sieveke | |||
Zweiter Mann | Michael Meiske | |||
Dritter Mann | Agim Kasumi | |||
Opernchor, Ballettensemble und Statisterie des Mecklenburgischen Staatstheaters | ||||
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Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin |
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GALERIE |
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