„Rio Reiser – König von Deutschland“ in Gießen ist Musical, Rockoper und Geschichtsstunde zugleich. Zügig wird das Leben des Musikers erzählt: von der Geburt bis zum Tod und drüber hinaus. Denn seine Ideen und seine Musik leben weiter – was das Stadttheater eindringlich zeigt. Vor allem musikalisch macht diese Produktion Spaß.
Das Licht geht aus. Stille. Der Erzähler führt mit einem Kassettenabspielgerät in das Leben von Rio Reiser ein und zitiert aus dessen Erinnerungen. Aus dem Recorder klingt leise „Der Junge am Fluss“. Lukas Goldbach als Rio Reiser tritt auf und erzählt von seiner Geburt: „Ich war ein braves Kind. Ich habe nicht geschrien.“ Dann gibt der eiserne Theatervorhang den Blick auf die Bühne frei: Zu sehen ist ein mehrstufiger Aufbau für eine Band. Die legt los. Es wird laut. „Macht kaputt, was euch kaputt macht“ ist die erste Parole des Abends. Viele weitere folgen.
10 Personen umfasst das Ensemble inklusive Band. Auch die Musiker haben Rollen im Ensemble. Die Schauspieler spielen dafür auch Instrumente. Allen macht das sichtlich Spaß. Musikalisch wechselt dieser Abend zwischen satten Rockklängen in zumutbarer Lautstärke und akustisch angelegten zurückgenommenen Momenten, die teilweise ganz ohne Mikrofon und Verstärkung auskommen. Sascha Bendiks als musikalischer Leiter (und zudem als Bandmitglied Jörg Schlotterer auf der Bühne) hat ganze Arbeit geleistet und sorgt für ungewöhnliche und sehr passende Arrangements.
Ein Höhepunkt kommt ganz zum Schluß: Instrumente wie Akkordeon und Kontrabass geben den Ton an für ein allerletztes Medley. Während der Cast gemeinsam „Halt dich an deiner Liebe fest“ und „Übers Meer“ interpretiert, verlassen die Darsteller nach und nach durch die Türen im Parkett den Saal. Ein letztes „Halt dich fest“ ist zart von draußen zu hören, dann herrscht totale Stille. Das Publikum weiß gar nicht, wohin mit seiner Begeisterung. Toll!
Die Bühne von Udo Herbster ist zweckmäßig, aber austauschbar. Eine kleine Treppe, viel Kabel, mehrere Podeste, hier und da ein Prospekt aus den 70ern. Das ist alles. Die Kostüme bilden die 1970er Jahre gelungen ab. Wenige nötige Requisiten unterstützen die Handlung, wie etwa ein meterhoher und dampfender Joint, der beim „Rauch-Haus-Song“ seinen Einsatz hat. Die Zweckmäßigkeit dient dem Konzept: Der Abend beleuchtet schlaglichtartig das Leben von Rio Reiser und zugleich die politischen Entwicklungen in der BRD.
In seiner Inszenierung kümmert sich Christian Lugerth vor allem um die Stimmungen und zwischenmenschlichen Beziehungen, die in der Gruppe um den Liedermacher herrschen. Reiser bleibt dabei immer im Zentrum des Geschehens. Lukas Goldbach gelingt eine eigenständige Personenzeichnung. Er kopiert Reiser nicht, sondern singt mutig und glaubwürdig seine Versionen der bekannten Hits. Die transportieren Reisers Gedanken und Ideen vortrefflich.
Pascal Thomas spielt alle vier Männer, in die sich Reiser zeitlebens verliebt hat und verleiht dabei mit vielschichtigem Spiel jedem einen ganz eigenen Charakter. Köstlich ist Rainer Hustedt (in mehreren Rollen und auch an verschiedensten Instrumenten) vor allem bei seinem Auftritt als Claudia Roth. Anne-Elise Minetti darf unter anderem als Nina Hagen zeigen, dass sie über eine beachtliche Rock-Röhre verfügt. Auch Akkordeon spielt sie ganz famos. Mirjam Sommer überzeugt in verschiedenen Frauen-Rollen mit klarer Stimme.
Rio Reiser wird in Gießen ein hörenswertes Denkmal gesetzt. Gerade die leisen Töne klingen lange nach. „Halt mich fest“ singt und pfeift das Publikum weiter, wenn es den Theatersaal schließlich nach der letzten Zugabe verlässt.
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