In der deutschsprachigen Erstaufführung des Kammermusicals über eine in Deutschland nicht mehr ganz so bekannte US-amerikanische Blues-Sängerin brilliert Siggy Davis mit Powerstimme in der Titelrolle. Weniger überzeugen kann sie aufgrund ihres starken Akzents allerdings in den Sprechszenen.
„Du bist kalt. Eiskalt und selbstsüchtig!“. Nicht nur diese verbalen Attacken ihrer gottesfürchtigen, religiös verbrämten Mutter, die keinerlei Verständnis für die Gesangskarriere ihrer Tochter hat und ihren Künstlernamen konsequent ignoriert, setzen Ruth Jones zu. Für ihren Erfolg zahlt die als Dinah Washington bekannte Sängerin einen hohen Preis: Ihre Söhne wachsen ohne sie auf, Liebesbeziehungen scheitern immer wieder und in den USA der 1950er Jahre ist sie wegen ihrer dunklen Hautfarbe eine Person zweiter Klasse. Oliver Goldsticks Biografie-Musical über eine der Ikonen der Blues-Musik deckt in Rückblenden schonungslos auf, warum diese Frau auf dem Zenit ihres Erfolgs zerbricht und nach sieben Ehen mit nur 39 Jahren ihrem Leben durch einen Cocktail aus Schlaftabletten und Alkohol ein Ende setzt.
Ausgangspunkt der Musical-Story ist eine Begebenheit aus dem November 1959: In einem Hotel in Las Vegas soll die Sängerin mehrere Abende hintereinander Konzerte geben. Da die Hausordnung Farbigen jedoch verbietet, dort ein Zimmer zu mieten, Dinah es aber ablehnt, in einen Wohnwagen auf dem Parkplatz zu nächtigen, besetzt sie aus Protest kurzerhand die Lobby. In diesen mit einigen Sesseln, einer Zimmerpalme und einem Tresen dekorierten Raum dreht Regisseur James Edward Lyons auch dank geschickter Lichttechnik die Zeit immer wieder zurück. Zwischen den Konflikten mit ihrer Mutter, Verhandlungen mit Plattenfirmen oder den Beziehungsproblemen zu Männern treibt Lyons die Rahmenhandlung immer weiter voran. Zum Schluss rächt sich Dinah, indem sie ihre Schmähung während des Konzerts dem Publikum kundtut.
Im Mittelpunkt der sehr realistischen Inszenierung steht Siggy Davis in der Titelrolle. Mit ihrer großen, souligen Stimme interpretiert sie mühelos die Songs, allen voran den großen, für den Grammy nominierten Hit „What a Difference a Day Makes“. Davis brilliert in den von Gospel und Blues inspirierten Nummern und sorgt mit der bitteren Ballade „I Wanna Be Loved“ vor der Pause für Gänsehautmomente. Gesanglich ist sie zum Niederknien toll, hat allerdings erhebliche Defizite in den Intonation der Sprechszenen, durch die sie sich mit einem so starken Akzent müht, dass sie häufig nur schwer zu verstehen ist. Ein dicker Wermutstropfen!
Mit Stephen Shivers (u. a. als Saxofon spielender Liebhaber Boss) und Anastasia Bain (u. a. als verbitterte Mutter) stehen zwei weitere hervorragende Soulsänger auf der Bühne, die allerdings nur kleine Gesangsaufgaben zu meistern haben. Shivers warmer Bariton harmoniert im Duett „Baby – You Got What It Takes“ hervorragend mit Davis’ Powerstimme.
In weiteren Rollen sind Jesse Garon (u. a. als schleimig-geschäftstüchtiger Hoteldirektor Spinelli) und Lutz Standop (u. a. als treuer Washington-Manager Rollie) auf den Punkt besetzt. Im revuehaft aufgemotzten „I’m a Shopping Queen“ mimen beide gekonnt den Hintergrundchor. Die kleine Band unter der Leitung von Steven Gross ist ein weiteres Pfund mit der das vorallem musikalisch überzeugende Portrait über die „Königin des Blues“ punktet.
Eines schafft die Aufführung bravourös: Sie lässt alles andere als eiskalt! Im Gegenteil: Buch, Inszenierung, Musik und Sänger sind einfach klasse. Grund genug, um noch einmal mit der Hauptdarstellerin an den Sprechszenen zu arbeiten…
Do, 01.10.2015 20:00 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | Premiere |
Fr, 02.10.2015 20:00 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
Do, 19.11.2015 20:00 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
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Fr, 20.11.2015 20:00 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
Di, 29.03.2016 19:30 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
Do, 31.03.2016 19:30 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
Di, 19.04.2016 19:30 | "wilde oscar" im Lebensort Vielfalt, Berlin | |
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