Inhaltsstarke, auch optisch sehr raffinierte Inszenierung von Tobias Rott. Ein stimmlich famoses Gesangs-Quintett besticht in Klavierbegleitung mit Evergreens wie dem berühmten „kleinen grünen Kaktus“.
Ein Gesangsensemble erobert die Welt – davon träumen nicht nur Superstar-Aspiranten anno 2015 im TV. Dies ist auch das Ziel der sechs jungen Männer, die sich Ende 1927 aufgrund einer Zeitungsannonce in Berlin zusammenfinden, um in erweiterter Besetzung dem damals sehr erfolgreichen Gesangs-Quartett „The Revellers“ nachzueifern.
Tobias Rott greift den Gegenwartsbezug in seiner Inszenierung der „Comedian Harmonists“-Biografie auf, indem er die Zusammenstellung der Truppe wie bei einer Theaterprobe bei Arbeitsbeleuchtung auf der nackten, leeren Bühne mit Darstellern in Alltagsklamotten in Szene setzt: Beim Casting auf dem hochgefahrenen Orchestergraben probiert Initiator Harry (Tobias Graupner) am Klavier vergeblich, seinen eigenen Gesang mit den Stimmen von Robert (Alexandre Pierre), Erich (Sascha Stead), Ari (Thomas Burger) und Roman (Wolfgang Mirlach) zu einem stimmschönen Ganzen zu formen. Dies gelingt schließlich Pianist Erwin (Florian Appel).
Kaum ist er zur Truppe gestoßen, senkt sich vorne auf der Bühne eine die gesamte Breite einnehmende Wand herab, die der Holzvertäfelung im Zuschauerraum nachempfunden ist und die Illusion eines geschlossenen Probenraumes erzeugt (Ausstattung: Markus Karner). Nach harter, kräftezehrender Überei, einem erfolglos-niederschmetternden Vorsingen im Etablissement „Scala“ und weiterer Probenmonate, öffnet sich eine neue Perspektive, die Regisseur Rott eindrucksvoll illustriert: Überraschend schwingt der rechte Seiteneingang auf die Bühne auseinander und gibt den Blick auf die im gleißenden Licht hängen Fräcke frei, dem späteren Markenzeichen der bis zu ihrer politisch motivierten Zwangsauflösung sehr erfolgreichen „Comedian Harmonists“.
Rotts Regiearbeit strotzt nur so vor solch wirklich pfiffigen, optischen Lösungen, bei denen er auch die Bühnenmaschinerie des Hauses geschickt einzusetzen weiß. In der Stunde ihres größten Triumphs, einem Konzert in der Berliner Philharmonie, steigen die Sänger von der meterhochgefahrenen Spielfläche wie vom Olymp über eine große Treppe herab in ein Meer aus Goldlametta.
Im alles andere als ein Happy End gestalteten Finale wird die Bühne schließlich nach hinten aufsteigend angeschrägt. Beleuchtet von kaltem Licht verkündet Steffen Riekers als mit einer Zirkusuniform-Jacke bekleideter Conférencier, der mit seiner blutunterlaufender Fratze an den „Supermann“-Filmbösewicht Joker erinnert, das vom Nazi-Regime von langer Hand vorbereitete, endgültige Aus der Truppe. Ein beklemmender Moment! Wirklich ärgerlich ist, dass der Regisseur das Publikum nicht mit diesem mulmigen Gefühl und einer klaren Botschaft das Theater verlassen lässt. Stattdessen fügt er einen Zugabeblock an, der seiner bissigen Inszenierung mit dem Trallalla in „Veronica, der Lenz ist da“ die Zähne zieht.
Dadurch bekommen die Zuschauer zumindest die Chance, noch einmal den wirklich hervorragenden, dem Original sehr nahe kommenden Gesangskünsten der fünf Sänger zu lauschen. Gemeinsam mit ihrem Pianisten werden sie dann auch zu Recht frenetisch bejubelt und haben zwar nicht die Welt, jedoch die Herzen ihres Publikums erobert.
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