Gelungenes Off-Theater-Einpersonenstück über eine schillernde Persönlichkeit. Tilly Creutzfeldt-Jakob gibt Lotti Huber weit entfernt von jeglicher Travestie-Peinlichkeit mit viel Herz und als exaltierte Diva mit losem Mundwerk.
„Auch du hast gute Arbeit geleistet“, ruft der Mann mit dem roten Pailletten-Hut aus dem Publikum in Richtung Bühne. Alexander Katt (Buch und Inszenierung) freut’s. Das Lob des Filmemachers Rosa von Praunheim bei der Uraufführung von „LOTTI! Die Zitrone kehrt zurück“ überstrahlt den trotzigen Buh-Ruf, der sich beim Auftritt des Regisseurs und Autors in den Jubel im Zuschauerraum mischt.
Dabei hat Alexander Katt wirklich gute Arbeit geleistet. Wer Rosa von Praunheims mütterliche Muse Lotti Huber nur als schrille Alte mit losem Mundwerk aus Talkshow- und Kleinkunstbühnenauftritten in den 1980er und 1990er Jahren im Gedächtnis hat, der erlebt eine große Überraschung. Denn ihr Leben, das Katt als musikalische Biografie auf den Tag genau an ihrem hundertsten Geburtstag zur Uraufführung bringt, hat weit mehr zu bieten, als das Ausleben ihrer Berufung als glamouröse Kodderschnautze und divenhafte Diseuse im Rentenalter. Vielmehr gleichen die „86 Jahre Remmidemmi“ der 1912 in Kiel als Charlotte Goldmann geborenen Frau einer rasanten Achterbahnfahrt: Zwei Weltkriege, drei Ehemänner, Nazi-Deportation und diverse berufliche Stationen wie Animiermädchen und Ausdruckstänzerin in Palästina, Wirtin einer zypriotischen Hafenkneipe, Leiterin eines Mannequinstudios oder Supermarktpropagandistin für Hochprozentiges reichen für mehr als ein Theaterstück.
Gemeinsam mit Eduard M. Erreth (dramaturgische Mitarbeit) hat Katt die Sisyphosarbeit bewältigt, die Fülle an biografischen Fakten und Anekdoten zu sichten und so aufzubereiten, dass die Zuschauer einen umfassenden Einblick ins Leben der Huber erhalten, ohne überfordert zu werden. Dafür lässt Katt seine reife Bühnen-Lotti im spärlich möblierten, nur mit sieben senkrecht im Bühnenhintergrund aufsteigenden gelben Streifen dekorierten Raum (Aye Quarante), im charmanten Plauderton Rückschau auf ihr Leben halten. Einiges erläutert die Frau mit der Dutt-Frisur (im zweiten Teil mit markanter, grauer Wuschelmähne (Haargestaltung: Chrille Fritz)) mit nur wenigen Worten, andere Stationen werden szenisch nachgesellt. Dabei hangelt sich das Buch von ihrer Jugend an der Kieler Förde durch bis zum Tod in Berlin. Katt findet zudem ein schlüssiges Ende, indem Lotti das Publikum zu einem Besuch an ihrem Grab einlädt. Sein Stück, oftmals eher wehmütig-dramatisch als schrill und überdreht, hält eine ausgewogene Balance zwischen Verherrlichung und Demontage einer Diva.
Auch mit seiner sehr geradlinig erzählenden Inszenierung mit atmosphärischen Lichtwechseln verleiht Katt der Bühnenfigur viel Herz und Tiefe. Ganz besonders überzeugen dabei leisere Szenen, wie der Tod von Lottis Ehemann Nummer Drei. Gerade in solchen Momenten spielt Tilly Creutzfeldt-Jakob eine Frau jenseits der zickigen Diva, der immer wieder vom Leben schlimm mitgespielt wird. Creutzfeld-Jakobs an der echten Lotti Huber orientierte Mimik sitzt perfekt, gleichzeitig beherrscht er aber auch die ganz großen Posen. Mit leicht nasalem Timbre trifft seine dunkle Stimme mit gelispelten Worten durchgängig den Huber-Ton, auch die wenigen Gesangsaufgaben im Chansonstil meistert der Darsteller gut. Volker Sondershausen begleitet das Musikrepertoire, das von „Sunny“ bis zu Knefs Berlin-Hommage „In dieser Stadt“ reicht, am E-Piano vom hinteren Bühnenende aus. Nach der Pause verkörpert er zudem in einigen Szenen Rosa von Praunheim, ebenfalls mit Glitzerhut auf dem Kopf. Ganz wie das Original im Publikum.
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