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Zweite Chance für Marie Antoinette. Die Freilichtspiele Tecklenburg bringen eine überarbeitete Version des Kunze-Levay-Musicals auf die Bühne, die die Geschichte stringenter erzählt als die Urversion, aber Längen hat.
Viele Bezüge, die in Bremen nur als Andeutungen auf die Bühne kamen, werden nun klarer auserzählt, einige für den Fortgang der Geschichte unwesentliche Nebenhandlungen wurden gekappt. Zugleich haben die Autoren versucht, die eigentliche Hauptfigur Margrid Arnaud stärker zu konturieren. Sie ist nun eine bedingungslose Kämpferin für die Gerechtigkeit, die erst am Schluss des Stückes erkennen muss, dass ihr Fanatismus Unglück über die Königsfamilie gebracht und die Terrorherrschaft ermöglicht hat. In der überarbeiteten Version wird die vermutete Verwandtschaft zwischen Marie Antoinette und Margrid noch deutlicher ausgesprochen. Darüber hinaus soll der neue Song „Ich bin etwas wert“ zu Beginn des zweiten Akts die Kindheit Margrids als Motiv ihres Handelns stärker in den Fokus rücken. Ebenso neu ist ein den Verlauf der Revolution illustrierender treibender Song für Cagliostro zu Beginn des zweiten Akts. Was Textautor Michael Kunze dabei allerdings zu der Titelzeile „Wenn Wölfe heulen, hör’n sie nicht auf Geigen“ getrieben hat, bleibt sein Geheimnis. Der Schere zum Opfer gefallen ist leider die Erzählung der Halsbandaffäre aus der Bremer Version. Der neue Song ist illustrativer und kraftvoller, lässt aber die musikalische Eleganz der Urversion vermissen.
Gut funktioniert dagegen die Reprise von „Ich weine nicht mehr“ als Höhepunkt der Konfrontation zwischen Margrid und Marie Antoinette vor der Pause.
Regisseur Marc Clear stellt eine Inszenierung auf die Tecklenburger Bühne, der man das Bemühen anmerkt, konkreter zu werden als die sehr abstrakte Bremer Version. Das gelingt ihm in den Massenszenen vortrefflich. Die Freilichtbühne mit ihren vielen Auf- und Abgängen bietet viele Möglichkeiten, die Clear gekonnt nutzt und das wieder einmal eindrucksvolle Großaufgebot von Darstellern und Statisten wirkungsvoll im Szene setzt. Nicht ganz so gut funktioniert an einigen Stellen die Personenführung.
So lässt Clear beispielsweise seinen Cagliostro, gespielt von Yngve Gasoy-Romdal, öfter mit einer gewaltigen schwarzen Schleppe auftreten, unter der sogar ganze Szenen vorbereitet und aufgebaut werden und der unglücklicherweise auch immer wieder vier schwarz gekleidete Jünglinge entsteigen, die mit ihrer albernen Kasperei so manche Szene nachhaltig ruinieren. Unklar bleibt, ob Caglistro ein desinteressierter Weltenwanderer ist oder sich neben dem Herzog von Orleans als zweiter politischer Puppenspieler etablieren soll – eine gut gedachte Marionettenspielszene im zweiten Akt lässt diese Vermutung aufkommen. Romdals Spiel bietet dafür allerdings wenig Ansatzpunkte. Umso mehr weiß der Norweger allerdings gesanglich zu überzeugen: Kraftvoll, rockig und wandlungsfähig liefert er seinen Part ab, ist allerdings manchmal schwer zu verstehen.
Ihm ebenbürtig singt Patrick Stanke seinen Graf von Fersen, mit großem Volumen und spielerischer Leichtigkeit füllt er den vom Buch her eher undankbaren Part mit Leben. Marc Clear als Herzog Orléans ist nicht ganz so zynisch wie Thomas Christ in der Bremer Version, kann aber gesanglich ebenso überzeugen wie Anne Welte als Bordellchefin Mme. Lapin. Wietske van Tongeren singt ihre Nonne Agnés mit schönem Stimmklang, dennoch bleibt die Figur buchbedingt blass.
Anna Thorén als Marie Antoinette hat am Premierenabend mit einem völlig aus dem Takt geratenen ersten Song einen unglücklichen Start, wird aber zunehmend sicherer, ohne jedoch die verzweifelte Liebe zu von Fersen und den Wandel zur entschlossenen Königin wirklich stark über die Rampe bringen zu können. Erst in der Gerichtsszene deutet sich vor allem gesanglich ihre Klasse an.
Aus dem hochklassigen Solistenensemble, das schon allein sein Eintrittsgeld wert ist, sticht Sabrina Weckerlin noch einmal hervor. Ihre Margrid Arnaud spielt sie nuancierter und mit mehr Mut auch zu leisen Tönen als in Bremen. Doch vor allem dann, wenn es darum geht, gesanglich Gefühle zu dokumentieren, ist sie Extraklasse. Auch die anspruchsvollen Volumenpassagen, in denen es gilt, sich gegen Chor und Orchester durchzusetzen, bringt sie scheinbar mühelos über die Rampe und kann selbst da noch problemlos zusetzen, wo die Luft anderer Sängerinnen zu enden scheint. Eine großartige Leistung.
Ein Genuss ist auch das Orchester (Leitung: Tjaard Kirsch), das sich wohltuend von den Synthesizer-Sparbesetzungen abhebt, die sich unter dem immensen Kostendruck der Branche immer mehr durchsetzen.
Sehenswert ist in Tecklenburg darüber hinaus die stilsichere Kostümausstattung. Dagegen fällt das Bühnenbild stark ab. Es enthält zwar mit einer drehbaren Rundkonstruktion, die die Guillotine und eine Gefängniszelle beinhaltet, eine gute Idee, das zentrale Palastelement aber fällt in der Ausführung extrem gegen die ansonsten hohe visuelle Qualität der Produktion ab.
Dass Marie Antoinette auch im zweiten Anlauf noch immer nicht voll überzeugen kann, liegt an dem vor Details überbordenden Buch. Es lässt die Tecklenburger Version vor allem in zweiten Akt lang werden. Trotzdem: Allein schon die hochkarätige Solistenbesetzung ist eine Reise wert.
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KREATIVTEAM |
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Regie | Marc Clear |
Musikalische Leitung | Tjaard Kirsch |
Choreografie | Doris Marlis |
Kostüme | Karin Alberti |
Bühnenbild | Susanna Buller |
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CAST (AKTUELL) |
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Marie Antoinette | Anna Thorén |
Margrid Arnaud | Sabrina Weckerlin Marion Furtner |
Graf Axel von Fersen | Patrick Stanke |
Cagliostro | Yngve Gasoy Romdal |
Herzog von Orléans | Marc Clear |
Agnés Duchamps | Wietske van Tongeren |
Louis XVI. | Frank Winkels |
Graf Axel von Fersen | Patrick Stanke |
Rose Bertin | Corinna Ellwanger |
Léonard | Jan Altenbockum |
Charles Boehmer | Julian Sylva |
Madame Juliette Lapin | Anne Welte |
Kardinal de Rohan-Guéméné | Sebastian Sohn |
Maximilien de Robespierre | Michael Clauder |
Madame Lamballe | Daniela Römer |
Pierre A. Caron de Beaumarchais | Benjamin Witthoff |
Madame La Motte | Christina Hindersmann |
Jaques René Hébert | Hakan T. Aslan |
Ensemble | Yael de Vries Elena Zvirbulis Marthe Römer Silja Schenk Lucy Costelloe Andrew Hill Kevin Foster Jörn Ortmann |
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GALERIE |
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