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Dynamit! (2011 - 2012)
Kleines Theater, Berlin

Kurz­bewertungRezen­sionKreativ­teamCastTer­mi­neTermi­ne (Archiv)
 

Vor allem wegen seines verwirrenden Buches ist das Biographie-Musical von Paul Graham Brown (Musik und Texte) um den Dynamit-Erfinder Alfred Nobel nicht der ganz große Knaller.

Obwohl die mittellose, aber gebildete Gräfin Kinsky Alfred Nobels Liebes-Werben widersteht, bleibt sie nach ihrer Vermählung mit einem jüngeren Heißsporn als Bertha von Suttner doch jahrelang per Brief mit dem Erfinder des Dynamits in Kontakt. Zur Finanzierung ihrer Friedensaktivitäten legt der wohlhabende Rüstungsfabrikant seinen Antwortzeilen nur zu gerne ein paar Scheine bei.

Von Nobels Vermögen profitiert auch seine Angebetete Nummer Zwei: Die kokette, aus einfachen Verhältnissen stammende Sofie Hess erhält als Gegenleistung für ihre Rolle als allzeit bereite Geliebte Urlaubsreisen und teure Geschenke. Ihr ehrgeiziges Streben, ihren Gönner zu einer Eheschließung zu bringen, bleibt allerdings unerfüllt.

In dieses biografisch belegte Beziehungsgeflecht mit seinen extremen Gegensätzen (Kriegsausrüster gegen Friedenskämpferin, anspruchsvolle Konversation gegen belanglose Plapperei, auferlegte Askese gegen Wollust) schiebt Autor Paul Graham Brown unglücklicherweise eine vierte, fiktive Figur, die den innerlich zerrissenen Alfred Nobel zunächst wie sein zweites Ich begleitet. Dramaturgische Klammern zwischen ihm und dem Serben Dimitri Marinovic sind jeweils der nicht überwundene Tod des Bruders und das Dynamit, mit dem sein Erfinder friedlich die Infrastruktur ausbauen, der Extremist jedoch dem Leben des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand in Sarajewo gewaltsam ein Ende setzen will. Immerhin auch hier wieder ein Gegensatzpaar.

Der stark an den Sisi-Attentäter Lucheni aus Kunze/Levays „Elisabeth“ erinnernde Marinovic funktioniert im ersten Akt gut, weil Autor Brown ihn sowohl zur Sichtbarmachung von Nobels Seelenzustand, aber auch als Darsteller für Stichwort gebende Nebenfiguren einsetzt. Nach der Pause löst er Marinovic allerdings aus der Nobel-Suttner-Hess-Konstellation heraus und lässt ihn episodenhaft in seiner eigenen Zeitebene die Zündung des Sprengsatzes planen. Diese Szenen stören den bisher stringenten Haupthandlungsstrang und lassen das Musical mit der ziemlich konstruiert wirkenden Vereitelung des Anschlags durch Gretel Hess völlig aus dem Ruder laufen: Dass ausgerechnet sie, das Ergebnis einer Liebelei zwischen der Nobel-Geliebten Sofie und deren Französischlehrer, zufällig mit dem Attentäter beim Zünden der Lunte mitten in Sarajewo zusammenprallt, ist an Unwahrscheinlichkeit kaum zu überbieten.

Browns schwache Vorlage mit manch bemühtem Reim in den Liedtexten (deutsche Übertragung: Nina Schneider) wertet Birgit Simmler mit ihrer Inszenierung kräftig auf, indem sie mit viel Fantasie und minimalem Aufwand ganz locker mehrere Handlungen gleichzeitig auf die Bühne bringt. Der Teller mit dem Stück Schokoladentorte, das Sofie bei ihrem Flirt mit Nobel isst, wandert zwei Hände weiter und schmeckt dann im Schloss der Familie von Suttner. Unterstützt wird dieser Ansatz durch Ausstatter Norman Zechowski, dessen fünf Holzkisten im schwarzen Raum von den Darstellern zu immer neuen Schauplätzen umgestapelt werden. So entstehen je nach Beleuchtung (Robert Sawade), Position, Gruppierung und sichtbarer Seite in Windeseile eine Kutsche, ein Bad oder ein Konferenzsaal mit Stehpulten. Fehlen einmal Gesprächspartner auf der Bühne dann rollen diese als stumme Holzfiguren auf die Bühne. Kleiner Aufwand, aber große Wirkung!

Ein Weniger täte der mit zahlreichen Reprisen gespickten Partitur von Paul Graham Brown gut, der seine Kompositionen auf dem E-Piano aus der ersten Sitzreihe heraus mit allerlei melodischen Verzierungen begleitet, sodass es manchmal schwer fällt, der eigentlichen Melodie zu folgen. Vielleicht der Grund dafür, dass außer dem Titelsong „Dynamit“ kaum etwas über den Theaterabend hinaus im Ohr verbleibt?

Trotz einiger Texthänger in der Wiederaufnahme-Premiere ist Neuzugang David Schroeder als zerrissener, zwischen Depression, Liebe und Wahnsinn hin- und herpendelnder Rastloser fast schon eine Idealbesetzung für Alfred Nobel. Sein runder, bis in die Höhen geschmeidiger Tenor mit klassischer Attitüde harmoniert sehr gut in den Duetten mit den beiden Partnerinnen, er überzeugt aber auch im Solo „Egal“.

Ebenfalls neu in der Cast ist Alexander Zamponi, der allerdings die dramaturgische Überflüssigkeit des Dimitri Marinovic noch unterstreicht. Mit in der Mittellage hohler, angegriffen wirkender Stimme stimmt er die sehr martialisch-pathetische Hymne „Ich muss nach Sarajewo“ an, steigert sich allerdings in den Höhen. Auch spielt Zamponi seine Rolle eher zurückhaltend und ist mehr der Kumpel von nebenan, als ein kämpferischer Revoluzzer, der bereit ist, bis zum Äußersten zu gehen.

Mit ihrem schönen, sehr facettenreich modellierbaren Sopran gibt Agnes Hilpert der Bertha von Suttner genau die richtige Balance zwischen verletzlicher Dame und zielstrebiger Aktivistin. Wenn sie auf dem Friedenskongress mal kämpferisch, dann wieder ganz sanft durch ihr großes Solo „Lasst die Waffen ruhen“ gleitet, dann gestaltet Hilpert eine absolute Gänsehaut-Nummer. Ihr absolut ebenbürtig ist Juliane Maria Wolff (Sofie Hess), die nicht nur im Frauen-Duett („Am Ende allein“), sondern vor allem mit der Selbsterkenntnis „Ich bin ein Name, der verblasst“ die tragische Facette ihrer Figur stimmlich perfekt zum Vorschein bringt.

Ihr wahres Gesicht zeigen Bertha und Sofie nach dem Tode ihres Gönners. Während die eine verzweifelt nach ihrem Schriftwechsel mit dem Verstorbenen sucht, der sie ihrer Meinung nach als Empfängerin des Friedensnobelpreises legitimieren soll, nutzt die andere ihre sorgsam gehüteten Briefe voller pikanter Details, um die Nobel-Nachfahren damit zu erpressen. Wieder so einer dieser Gegensätze, die dieses Musical trägt.

 
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KREATIVTEAM
Idee, Komposition, Libretto und musikalische LeitungPaul Graham Brown
Deutsche ÜbersetzungNina Schneider
InszenierungBirgit Simmler
BühnenbildNorman Zechowski
KostümeFundus der Freilichtbühne Hallenberg
ChoreografieTim Zimmermann
 
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CAST (AKTUELL)
Alfred NobelHeiko Stang
David Schroeder
Bertha von SuttnerAgnes Hilpert
Sofie HessJuliane Maria Wolff
Dimitri MarinovicMarcus G. Kulp
Alexander Zamponi
 
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 15.01.2011 20:00Kleines Theater, BerlinPremiere
So, 16.01.2011 18:00Kleines Theater, Berlin
Sa, 29.01.2011 20:00Kleines Theater, Berlin
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