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Cry Baby (2005 - 2006)
MuTaTe e.V., Wilhelmshaven

Rock’n-Roll-Show nach dem gleichnamigen John Waters-Film. Unterschicht-Boy träumt von großer Rock-Karriere, verliebt sich in Oberschicht-Girl, landet im Gefängnis und geht schließlich seinen eigenen Weg. Amateurmusical vom Feinsten mit professionellem musikalischem Anspruch.

Wie gut, dass ein Rock’n Roll-Musical nicht zwingend eine ausgefeilte Handlung braucht.
„Cry Baby“, die neue Produktion der Musical-Arbeitsgemeinschaft der IGS Wilhelmshaven hat stattdessen alles, was für einen gelungener Musicalabend sonst noch nötig ist: Tolle Musik, sehr gute Solisten, eine herausragende Band und schmissige Regieideen.
Die auf dem gleichnamigen John Waters-Film basierende Geschichte des musikbesessenen Waisen „Cry Baby“, der sich – selbst aus zweifelhaften Verhältnissen stammend- in die Bürgerstochter Allyson verliebt, im Gefängnis landet und schließlich doch seinen eigenen Weg geht, wird in Wilhelmshaven mitreißend auf die Bühne gebracht.
Von Beginn an nimmt vor allem die musikalische Qualität der Show, die weit mehr bietet, als normalerweise von eine Schulaufführung zu erwarten ist, gefangen. Eine glänzend aufgelegte Band unter der Leitung von Klaus Scheit swingt und rockt sich durch die Klassiker der 50er Jahre und beweist schon in der ersten Nummer, dass professionelles Niveau nicht alleine die Domäne großer Theater ist.

Tim Yalcin in der männlichen Hauptrolle spielt alle Facetten seiner Rolle vom coolen Rocker bis zum verzweifelt liebenden Gefangenen überzeugend souverän aus und begeistert mit seinem bis in die Höhen sauberen Tenor. Seine Leistung lässt hoffen, ihn in nicht all zu ferner Zukunft auf einer professionellen Bühne wieder zu sehen. Annika Raapke gelingt die Wandlung vom braven Bürgerstöchterlein zur ebenbürtigen Rock-Röhre überzeugend, sie ist vor allem im Bereich der Belt-Stimme eine gleichwertige Bühnenpartnerin und liefert auch schauspielerisch eine rundum gelungene Leistung ab. Um dieses Paar gruppiert sich ein Ensemble von weiteren stimmlich gut aufgelegten Solistinnen und engagierten Tänzern. Die von Sabrina Alexiadis einstudierten Choreographien überzeugen vor allen in ihrem durchdachten und gelungenen Staging, einige Tanznummern bringen Teile des Ensembles jedoch tänzerisch an die Grenze ihres Könnens.

Trotzdem gelingt es dem Regieteam um Rolf Schaper immer wieder, auf der von einem multifunktional eingesetzten Gerüst beherrschten Bühne schöne und auch überraschend-skurrile Ideen zu zaubern.
Da wird zum Beispiel die Schlägerei zwischen Cry Baby und seiner Gang und Allysons snobistischem Freund Baldwin als elegante, immer wieder von Up-Tempo-Tanzsequenzen unterbrochene Zeitlupenchoreographie inszeniert und vermeidet so die Peinlichkeit ungekonnter Kampfszenen.
Allysons Tante leitet eine hochgradig kuriose Benimmschule, die Gitarristen schulen in einer Friedhofsszene kurzfristig zu Totengräbern um und graben mit ihren Instrumenten tiefe Löcher.
Cry Babys früh verstorbener Vater taucht als nicht gealterter, Klassiker zitierender Geist auf („Ich hatte ja genug Zeit, mich damit zu beschäftigen. Ich dachte, etwas Hochkultur könnte diesem Drama nicht schaden“), um seinem Sohn seine Lebensphilosophie zu vermitteln. Zum Dank überreicht ihm sein Sproß eine frische Unterhose, bevor der Untote wieder verschwindet („Ich leg mich wieder hin!“).

Auch an aktuellen Bezügen spart die Regie nicht. Die sadistischen Spielchen des Gefängnisdirektors erinnern beängstigend an Bilder aus amerikanischen Militärgefängnissen und der Boxkampf zweier Gefangener mit Handschuhen in US- und Europafarben lässt an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig.
Trotzdem behält die Show ihren Schwung. Liebevoll umgesetzte Details, wie eine Gefangenen-Kickline mit verbindender Fußkette oder der großzügige Einsatz von Sportgeräten wie Springseilen und Hula-Hoop-Reifen in einer High-School-Szene lassen trotz der eher dünnen Story keine Langeweile aufkommen.
Der entscheidende Faktor, der auch über äußerst unelegante Umbauten und asynchrones Licht hinwegtröstet, bleibt jedoch die Musik. Die unter den Gerüst im Bühnenbild platzierte Band liefert einen satten, schwungvollen Sound, in dem die sehr gut ausgesteuerten Solisten nicht untergehen, die auch in einem reinen a-capella-Stück die professionelle musikalische Einstudierung unterstreichen und beweisen, dass sie einfach singen können.
Getragen von einer bis ins Publikum spürbaren Begeisterung sorgt „Cry Baby“ im ausverkauften Wilhelmshavener Stadttheater für Standing Ovations und erweist sich, wie schon die Vorgängerproduktion als ein Musicalerlebnis mit Herz und Wiederholungsgefahr.

 
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TERMINE (HISTORY)
Do, 17.03.2005 20:00Landesbühne Niedersachsen Nord GmbH, WilhelmshavenPremiere
Fr, 18.03.2005 20:00Landesbühne Niedersachsen Nord GmbH, Wilhelmshaven
Do, 14.04.2005 20:00Kleines Haus, Delmenhorst
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