Schön, dass es Musical-Macher gibt, die sich an provokantes Off-Theater wagen. Schade, dass Provokationen im modernen Theater mittlerweile so normal sind, dass man eigentlich niemanden mehr provozieren kann. Und so bleiben im neuen Stück der „Jerry Springer – The Opera“-Macher nur die witzigen Ideen übrig, um den Abend zu tragen. Die sind zwar vorhanden, aber zeitlich ungleich verteilt, weshalb das Stück streckenweise langweilt. Gesamtwertung: ganz nett.
Richard Thomas (Musik) und Stewart Lee (Texte) bleiben ihrem Stil treu. Extra angereiste „Jerry Springer“-Fans versichern, dass „Stand up“ (Original-Titel: „The Ha Ha Hole“) dem in London gefeierten und verdammten Vorgänger sehr ähnlich ist: Ein schräger und wenig kommerzieller Mix aus Opern-Arien und oppulenten Chorsätzen mit trashigen Texten, abgedrehten Sidekicks, derber Sprache, einem Schuss Sozialkritik und Albernheiten.
Aber „Stand up“ ist wesentlich weniger dicht, die starken, schrägen, witzigen Momente sind einfach seltener. Vor allem im zweiten Akt bricht die Show deutlich ein. Gut möglich, dass die Uraufführung in Hannover für die jungen britischen Theatermacher eine Try-Out-Phase ist und das Stück noch lange nicht endgültig steht. Es sind Try-Outs unter erschwerten Bedingungen, mit den zahlreichen Anspielungen auf das britische Comedy-Club-Wesen kann das Publikum hierzulande naturgemäß wenig anfangen – eine Popcorn-und-Ausbuh-Theater-Kultur ist hier fremd.
Vielleicht sollte man die Hannoveraner Produktion tatsächlich als Theater gewordene Konzept-Skizze verstehen und sich darauf beschränken, die Highlights zu schildern, die dem Stück mit Sicherheit erhalten bleiben werden. Etwa den Laienchor, der das gnadenlose Publikum spielt und mit überraschend einfachen, jedes Versmaß ignorierenden Einwürfen das Geschehen kommentiert. Den Frauen-Double-Act im ersten Akt, in dem die „Kluge“ der „Dummen“ die Nichtexistenz des Weihnachtsmanns zu erklären versucht, schließlich aufgibt und umfassend dessen Todesumstände schildert. Die Vorpausennummer, die sich ausgiebig selbst thematisiert („Jetzt kommt die Pause, der beste Teil der Show“) und im zweiten Akt wieder aufgenommen wird („Jetzt kommt der zweite Akt“).
Und die sehr poetische Idee, dass der frustrierte und übernächtigte Moderator im Leben emotionalen Halt in einer Schneeschüttel-Winterlandschaft mit Pinguinen findet („so muss das Paradies aussehen“) – wenn ihn am Ende der Show der Tod holt (natürlich nicht, ohne selbst einen Act gesungen zu haben), baut die Technik ihm das Theater buchstäblich unterm Hintern ab, auf der Rückseite erscheint ein überdimensionales Iglu und das Ensemble singt in Pinguin-Kostümen die Schlussnummer.
Noch mehr solcher Szenen, und „Stand up“ könnte gemeinsam mit „Jerry Springer“ zu einem Meilenstein des innovationen Musiktheaters werden. Trotz (und nicht wegen) seiner sprachlichen Provokationen.
Do, 20.01.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | Voraufführung |
Fr, 21.01.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | Premiere |
Sa, 29.01.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
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So, 30.01.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Di, 01.02.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Di, 22.02.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Mi, 23.02.2005 20:00 | Schauspielhaus, Hannover | |
Di, 26.04.2005 20:00 | Ballhof eins, Hannover | |
Mo, 23.05.2005 20:00 | Ballhof eins, Hannover | |
Do, 30.06.2005 19:30 | Ballhof eins, Hannover | |
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