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Cabaret (2004 - 2005)
Großes Haus, Hildesheim

Sympathische kleine Inszenierung des Kander/Ebb-Klassikers. Gelungen: die stückgerechte Balance zwischen Komödie und Tragödie.

Rund ein Dutzend Kinder in ärmlicher Kleidung stehen auf einer kargen Bühne und singen eine leicht schiefe Kurzfassung von „Der morgige Tag ist mein“. Mit zufriedenem Blick umschleicht der Conférencier die Szene. Am Ende stehen alle Kinder mit Hitler-Gruß frontal zum Publikum. Black-out. Pause.
Die Szene ist typisch für die Hildesheimer Cabaret-Inszenierung von Jan Oberndorff: Ihre emotional stärksten Momente hat die Show, wenn sie auf Ausstattungstricks und große Gesten verzichtet. Da ist es kein Zufall, dass beim Schlussapplaus das Fräulein Schneider (Bettina Sörgel) und Herr Schultz (Bernd Verfürth) den meisten Beifall bekommen. Denn deren unglückliche Liebesgeschichte kommt angenehm einfühlsam und ohne große Gesten daher, und wird doch gerade dadurch zum Mittelpunkt dieser Produktion.
Typisch auch, dass James Daniel Frost es als Conférencier in der beifallsheischend angelegten „Welcome“-Szene nicht schafft, die (durch den breiten Orchestergraben) große Distanz zum Publikum zu überwinden. Auch andere Nummern, die eher auf Ausstattung als auf schlüssige Interpretation setzen (Money, Seht ihr sie mit meinen Augen), bleiben blass. Je länger der Abend aber dauert, um so mehr besinnt sich Frost auf eine diffizile, diabolische Mimik. Und so ist es am Ende schockierend wie schlüssig zugleich, mit welcher Leichtigkeit und Selbstüberzeugtheit er den Kit-Kat-Klub in den Nationalsozialismus führt.
Schwerer haben es da schon die eigentlichen Hauptpersonen der Handlung. Göksen Güntel hat ihre stärksten Szenen, wenn sie die Sally Bowles backstage als überdrehtes und unsicheres Mächen zeigt. In den Shownummern singt sie zwar gut, doch es fehlt der Schuss Diva, um ihr abzunehmen, dass der Kit-Kat-Klub ohne sie nicht überleben kann – oder ist das inszenatorische Absicht, und ihre Überzeugung ist ein Hirngespinst? Dass Clifford Bradshaw die wohl schwierigste Figur des Musicals ist, zeigt sich auch in dieser Produktion. Moritz Tittel spielt alle Szenen souverän, und doch wirkt sein Cliff nicht glaubwürdig – zu undurchsichtig und wechselhaft bleiben sein Charakter und seine Motive.
Ein Problem, das auch Annette Isabella Holzmann als Fräulein Kost nicht überwinden kann. Als schwierige Mieterin mit permanentem Matrosen-Besuch kommt sie glaubwürdig und sympathisch über die Bühne, der Wechsel zur strammen Nationalsozialistin geschieht dagegen urplötzlich und bleibt unerklärt. Sven Brormann überzeugt dagegen als Ernst Ludwig ohne Einschränkungen. Stückgerecht gibt er den netten Nazi von nebenan, der aber keinen Spaß versteht, wenn es um seine Ideologie geht.
Eine gute Idee war es sicherlich, die Cabaret-Girls (und Boys!) vom Ballett tanzen (angemessene Choreografie: Carlos Matos) und von einer vierköpfigen „Damenkapelle“ (Gisela Aderhold, Bettina Delius, Ludmilla Heilig, Ragna Rickert) singen zu lassen. Letztere sitzt in den Kit-Kat-Szenen auf einem Podest an der Bühnenseite und sorgt mit sichtlicher Spielfreude für die nötige Derbheit. Arnd Heuwinkel in diversen Comedy-Kleinrollen und Johannes Schmidt als kurioser Klub-Boy sind, gemeinsam mit Bettina Sörgels nervösem Fräulein Schneider, für die komischen Momente zuständig. Freundlicher Applaus für eine nicht revolutionäre, aber sehenswerte kleine „Cabaret“-Produktion.

 
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TERMINE (HISTORY)
Sa, 09.10.2004 19:30Großes Haus, HildesheimPremiere
Mi, 13.10.2004 19:30Großes Haus, Hildesheim
Sa, 16.10.2004 19:30Großes Haus, Hildesheim
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