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"Musical ist wichtig und hat im Musiktheater einen Stellenwert, den man nicht unterschätzen darf." - Alexander Donesch im Interview

20 Jahre „Cabaret“ in Berlin. Alexander Donesch verkörpert in dieser Produktion bereits im vierten Sommer Clifford Bradshaw. Unser Redakteur hat den in Österreich geborenen und ausgebildeten Musicaldarsteller am Berliner Nollendorfplatz – dem Ort, an dem die Handlung des Musicals spielt – zu einem Interview getroffen. Hierin verrät Alexander unter anderem seinen ganz persönlichen Berührungspunkt zu „Cabaret“ und wie sich das Mittelsächsische Theater, an dem er fest engagiert ist, mit Produktionen wie „Die Päpstin“, „Next to Normal“ oder „Doktor Schiwago“ zu einem Geheimtipp für Musical-Fans mausert.

In diesem Jahr feiert Vincent Patersons bereits als legendär zu bezeichnende Inszenierung von „Cabaret“ in Berlin ihr 20. Jubiläum. Du stehst in diesem Sommer bereits zum vierten Mal im Tipi am Kanzleramt als Clifford Bradshaw auf der Bühne. Im Sommer 2023 hast du diese Rolle parallel auch in Baden bei Wien verkörpert. Was ist für dich das Besondere an der Inszenierung hier?

Alexander Donesch als Cliff mit Ann Mandrella als Sally Bowles 2023 in Baden bei Wien © Christian Husar

In Baden mit Ann Mandrella als Sally hatten wir mit dem Orchester, Chor und Ballett eine viel größere Version. Im Gegensatz dazu spielen wir hier an dem Ort, wo die Geschichte ja auch passiert ist. Mir gefällt die Art, wie es gemacht ist. Es ist sehr reduziert mit nur vier Leuten in einer Band, die alle Instrumente spielen. Außerdem passt die Show perfekt in das Tipi, in dem das Publikum an Tischen sitzt und essen und trinken kann. Für mich hat die Inszenierung diesen gewissen frechen Berliner Rotz. Zunächst startet alles wie eine Klipp-Klapp-Komödie, in der alles toll ist und man lacht und sich amüsiert. Im zweiten Akt geht der Tanz auf dem Vulkan jedoch einem unglücklichen Ende zu und die persönlichen Schicksale stehen im Mittelpunkt. Dramaturgisch ist das in der Berliner Fassung auch so gut gemacht, und die letzten Szenen gehen geschickt ineinander über. In meinem Fall als Clifford Bredshaw geht sein Plan nicht auf, Sally und das Kind, das sie von ihm erwartet, zu retten. Und geschichtlich betrachtet ging Deutschland seinen Weg, den es ging.

Was bedeuten dir persönlich Berlin, das Tipi und der Cliff?

Alexander Donesch als Cliff mit Maria-Danaé Bansen als Sally Bowles 2024 in Berlin © Barbara Braun / TIPI AM KANZLERAMT

Als ich 2019 hier vorgesprochen habe, kannte ich Berlin nicht. Als ich dann aber im Tipi eine Vorstellung von „Frau Luna“ gesehen hatte, fand ich diesen Ort so großartig, dass ich einfach nur hierher wollte. Als sie mich dann genommen hatten, hat sich für mich ein persönlicher Kreis geschlossen. Mein Großvater war während des Krieges in Berlin und konnte – warum auch immer – an der Charité Medizin studieren. Als ich hier ankam, habe ich ihn dann hier in Berlin gesehen und deshalb ist der Cliff für mich auch so eine Rolle, die mich gefunden hat, und in der ich aufgehe. Ich sehe sogar ein bisschen Parallelen zu Isherwood respektive Cliff. Wie sie habe ich die Stadt entdeckt, sie auf mich wirken lassen und alles aufgesogen.

Cliff ist nicht die prickelndste und fast schon die langweiligste Rolle im Stück. Allerdings ist es seine Geschichte und für mich ist er wie dieser weiße Clown. Thimo Pommerening, der als Spielleiter anstelle von Vincent mit uns geprobt hat und die Show schon von Beginn an betreut, sieht in Cliff sogar den Helden der Geschichte, und ich pflichte ihm da zu. Cliff glaubt, dass alles gut gehen kann und versucht, dass alles gut geht. Leider scheitert er mit Pauken und Trompeten.

Du bist seit August 2023 festes Ensemblemitglied am Mittelsächsischen Theater in Freiberg und Döbeln. Davor hast du dort auch schon als Gast die Titelrollen in den Wildhorn-Musicals „Jekyll & Hyde“ und „Der Graf von Monte Christo“ gespielt. Warum bist du ein Festengagement eingegangen?

Alexander Donesch 2018 in „Jekyll & Hyde“ am Mittelsächsischen Theater -©- Jörg Metzner

Ja, es ist mein erster Festvertrag überhaupt. Mir wurde nach den Gastverpflichtungen ein „NV Bühne-„Solovertrag“ angeboten, den ich angenommen habe, weil ich wusste, welche Aufgaben dort auf mich warten. Ich würde lügen, wenn ich es nicht als Vorteil sehen würde, dass ich jetzt zwei Jahre lang Ruhe habe, keine Auditions machen muss und weiß, woher das Geld kommt.  Das ist schon sehr entspannend und ich geh darin voll auf, weil die Aufgaben, die ich da habe, sehr vielfältig sind. Das sind nicht nur die coolen Rollen wie jetzt in diesem Sommer openair noch Leopold in der Operette „Im weißen Rössl“, sondern auch die kommenden Aufgaben Jurij Schiwago und Dracula. Nebenher gibt’s am Mittelsächsischen Theater auch viele Dinge, die ich tun darf, wie zum Beispiel beim Bühnenball, einem riesigen Event, auf dem wir eigene Programme gestalten dürfen. Das ist sehr schmeichelhaft.

Das Mittelsächsische Theater ist im Freistaat zu einer Musical-Hochburg geworden, denn auf dem Spielplan der letzten Jahre stehen ja nicht die Klassiker „My Fair Lady“, „Kiss me, Kate“ und Co, sondern neben den von dir bereits genannten Stücken, Musicals wie „Next to Normal“, „Die Päpstin“ oder „Hedwig and the Angry Inch“. Außerdem seid ihr im Ensemble ja auch mehrere Musical-Spezialisten…

Anna Burger als Johanna mit Alexander Donesch als Gerald 2024 in „Die Päpstin“ am Mittelsächsischen Theater © Detlev Müller

Das ist ja das Tolle. Meines Wissens gibt es außer in Linz und in Hildesheim nicht so viele Häuser, an denen so bewusst ein Musical-Ensemble geschaffen worden ist. Wir sind zu viert, kommen aber auch spartenübergreifend zum Einsatz, wie zuletzt zum Beispiel in Nestroys Schauspiel „Der Talisman“ und in Operetten. Der neue Intendant Sergio Lukovic hat das ganz bewusst in sein Konzept einfließen lassen, weil das Musical wichtig ist und im Musiktheater einen Stellenwert hat, den man nicht unterschätzen darf. Als Spielstätte haben wir in Freiberg neben dem Theater noch die Nikolaikirche. Sie hat ein eigenes Flair und da passen Stücke wie zum Beispiel „Die Päpstin“ oder im Vorjahr „Jesus Christ Superstar“ wie die Faust aufs Auge hin.

Da wir gerade bei „Jesus Christ“ sind: Das war eine Inszenierung von dir. Wirst du in Zukunft auch weiterhin Regie führen?

Es hat mich richtig gefreut, dass ich „Jesus Christ“ inszenieren durfte. Tatsächlich darf ich auch im nächsten Jahr im Sommer bei der Operette „Gräfin Mariza“ auf der Seebühne in Kriebstein Regie führen. Das ist zwar ein anderes Genre, aber ich liebe Emmerich Kálmán. Dieser Komponist geht mir sehr nahe, da er das tolle Motto „Unter Tränen lachen“ geprägt hat. Das ist für mich der jüdische Zugang zu dem Ganzen, der sich übrigens auch ganz stark bei „Cabaret“ wiederfindet. Für mich ist die „Mariza“ so eine Sehnsuchts-Operette. Alle sehnen sich nach Orten, die es so nicht mehr gibt, nach der besseren Zeit, die vorübergegangen ist, oder wie so oft nach Liebe.

Yannik Gräf (Jesus) & Ensemble in Alexander Doneschs Inszenierung von „Jesus Christ Superstar“ 2023 in der Nicolaikirche in Freiberg -©- Detlev Müller

Zum Schluss unseres Gespräches nehme ich dich jetzt noch mit zu einem meiner persönlich schlimmsten Musical-Erlebnisse. Unsere Datenbank hat mir verraten, dass du auch bei „Sissi – das Musical“ mitgespielt hast. Ich habe das 2012 für die muz rezensiert und fand es ganz, ganz furchtbar. 2016 warst du in diesem Musical von einem gewissen George Amadé als Franz Joseph, Kaiser von Österreich, gemeinsam mit Sandra Leitner als Nené auf Tour. Wie ist es, wenn man in einer Produktion spielt, bei dem das Publikum vielleicht etwas anderes erwartet, in diesem Fall „Elisabeth“ von Kunze/Levay?

Stimmt, das war diese Tournee-Produktion…. Ich habe mich auf dieser Tour schon sehr amüsiert, eben weil da coole Leute mit dabei waren und ich versucht habe, das Beste rauszuholen.  Dass die Erwartungshaltung nicht erfüllt wurde, fiel ja nicht in meinen Zuständigkeitsbereich. An den Reaktionen der Leute haben wir das nicht so direkt gemerkt, wir wurden sehr wohlwollend vom Publikum behandelt, es hat den Leuten schon auch gefallen. Allerdings wenn jemand „Elisabeth“ erwartet und dann etwas anderes geboten kriegt, dann kann ich gut verstehen, dass er schon enttäuscht ist. Aber generell vom Machen her war das schon sehr lustig.

Danke für deine Zeit und das Gespräch. Ich wünsche dir viel Erfolg für deine nächsten beiden Titelrollen am Mittelsächsischen Theater: „Doktor Schiwago“ und „Dracula“.

Probe „Doktor Schiwago“: Anna Burger (Lara), Alexander Donesch (Juri), Alexandra Farkic (Tonja), Michelle Tannenberger (Regieassistentin), Barbara Schoene (Regisseurin), Susanne Engelhardt (u. a. Anna Gromeko) und Bennet Eicke (Musikalischer Leiter) © Privat
 
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