Sabrina Weckerlin © Julian Freyberg
Sabrina Weckerlin © Julian Freyberg

"Ich mag intensive Geschichten, die nicht nur an der Oberfläche kratzen" - Sabrina Weckerlin im Interview

Sabrina Weckerlins Werdegang in der Musical-Branche ist gut bekannt – sie wurde schon als Studentin medial begleitet und kann seitdem auf eine steile und beeindruckende Karriere mit vielen von ihr kreierten Rollen in beliebten Musicals zurückblicken. Als Eiskönigin Elsa hat sie eine ganz neue Generation an Musicalfans für sich gewonnen, doch kehrt sie dieses Jahr in ihre wahrscheinlich bekannteste Rolle zurück: Sabrina wird diesen Sommer in einer Neuinszenierung von „Die Päpstin“ wieder in Fulda als Johanna zu sehen sein. Noch während ihrem aktuellen Engagement als Marian in „Robin Hood“ haben die Proben für sie begonnen. Wir freuen uns, dass Sabrina sich trotz ihres vollen Terminkalenders einiger unserer Fragen zu ihren letzten Projekten angenommen hat –  und das ein oder andere persönliche Anekdötchen hat uns Sabrina auch verraten!

Bevor wir zur Johanna kommen: Deine vorige große Station war „Elsa“ in der deutschen Erstaufführung von „Die Eiskönigin“. Wie blickst du auf diese Zeit zurück und was nimmst du für dich mit?

Nach zwei Jahren Spielzeit und knapp zwei Jahren Warten darauf, die Rolle spielen zu können, hat mich Elsa nun 4 Jahre meines Lebens begleitet. Ihr als erste Darstellerin auf einer deutschsprachigen Musicalbühne eine Stimme zu geben und am kreativen Entstehungsprozess so intensiv beteiligt gewesen zu sein, wird natürlich immer tief im Herzen verankert bleiben. Es fällt dann im wahrsten Sinne des Wortes schwer „loszulassen“. Aber ich und vor allem mein Körper wissen, welch Disziplin diese Zeit erfordert hat. Wie bei jedem und allem im Leben gab es Auf und Abs. Deshalb verlässt man so eine lange Ära seines Lebens immer mit einem weinenden und einem lachenden Auge.

Sabrina Weckerlin als Elsa in Disney’s „Die Eiskönigin“ © Johan Persson / Disney

Dieses Jahr kehrst du zu deiner Paraderolle der Johanna in „Die Päpstin“ beim Musicalsommer in Fulda zurück. Was ist es, das diese Rolle im Vergleich zu den zahlreichen anderen deiner bisherigen Karriere besonders reizvoll für dich macht?

Für mich gehört Johanna zu den herausforderndsten Frauenrollen, die ich je gespielt habe. Ihre Geschichte ist so in ihrer Form im Musicaltheater einmalig und ihre Darstellung fordert extrem auf allen Ebenen. Ich durfte vom ersten Entwurf bis nun zur diesjährigen Neuinszenierung mit wenigen Unterbrechungen an ihrer Seite bleiben. Ich bin auch sehr dankbar, dass der großartige Regisseur Gil Mehmert, den ich sehr schätze, da keine Berührungsängste oder Vorurteile hat, dass ich die Rolle schon gespielt habe. Dies ist nicht immer der Fall. Oft wird uns Schauspielern abgesprochen, dass wir auch frisch und neugierig wieder an eine schon gespielte Rolle herantreten können – leider! Ich finde es gerade spannend, einen Charakter, den ich so gut kenne, noch mehr zu erkunden und vor allen Dingen neu zu denken. Man kann da in der Arbeit ja am Anfang schon ganz woanders ansetzen, wenn man die Figur schon fühlt, und dadurch vielleicht noch tiefer gehen. Ich freu mich riesig.

Du bist Spotlight Musicals schon lange eng verbunden und hast in den meisten Stücken eine Hauptrolle verkörpert. Was ist für dich das Besondere an dieser Zusammenarbeit?

Als ich damals bei „3 Musketiere“ gespielt hatte, bekam ich einen Brief zugesandt von Produzent Peter Scholz, in dem er mich für die Uraufführung von „Elisabeth – Legende einer Heiligen“ gewinnen wollte. Ein Satz ist mir bis heute im Kopf geblieben: „Dennis Martin möchte Dir diese Rolle auf den Leib, besser gesagt auf deine Stimme schreiben….“. Und sie haben bis heute Wort gehalten. Erst vor kurzem habe ich mit Dennis gemeinsam den neuen Song von Johanna erarbeitet. Ich darf kreieren, ich darf Dinge hinterfragen und jede Rolle so füllen und erarbeiten, bis kein Blatt mehr dazwischen passt. Das ist kostbar, das ist selten und es erfüllt mich mit absoluter Dankbarkeit. Und Dennis schreibt einfach Musik, die mich immer und immer wieder packt, begeistert und berührt. Wenn ich das sagen darf, dann bereichern wir uns gegenseitig in der Arbeit. Irgendwann 2005 oder 2006 fand ein erstes Treffen in einer kleinen Studio-Garage bei einem der beiden zu Hause statt, wo ich „Wann trägt der Wind mich fort“ aus Bonifatius gesungen habe… Und wenn man sieht, wo wir unabhängig voneinander nun heute stehen, ist es einfach eine schöne Entwicklung und ein gemeinsames Wachsen, worauf man mit Stolz zurückblicken kann. Und die gegenseitige Wertschätzung ist groß. Ich freue mich schon jetzt wahnsinnig auf die 20 Jahre Spotlight Musical Gala vor dieser atemberaubender Kulisse auf dem Domplatz. Da wird der ein oder andere Song bestimmt sehr emotional für mich sein.

Gibt es neben „Die Päpstin“ ein Stück, das dir besonders am Herzen liegt und warum?

Ich habe keine Lieblingsfarbe und auch kein Lieblingsessen, und somit auch keine Lieblingsrolle! [lacht] Ich habe wirklich Liebe für jede Rolle, die ich bis dato gespielt habe. Jede war und ist auf ihre Weise herausfordernd und hat mich viel gelehrt. Im besten Falle habe ich viele Menschen glücklich gemacht und für eine kurze Zeit ihre Sorgen und ihren Alltag vergessen lassen. Das liegt mir am Herzen, denn das ist mitunter der größte und schönste Antrieb meines Berufes.

Sabrina Weckerlin als Johanna in „Die Päpstin“ mit Mathias Edenborn (Gerold) © Stephan Drewianka

Vor Kurzem warst du bei der Reunion von „Next To Normal“ dabei. Wie war diese Zusammenkunft für dich? Was ist für dich der Reiz der Rolle der Natalie Goodman?

Es war wirklich wie nach Hause kommen. Die Entstehung, die Probenzeit und dieses wundervolle Theater und natürlich alle Menschen, die zur „Next to Normal“-Familie dazugehören, waren und sind besonders und so war auch die Reunion. Es wurde viel gelacht, viel geweint und es war faszinierend, nach so vielen Jahren jeden nochmal in seiner Rolle so nah zu erleben. Denn früher hatte fast jeder von uns Backstage eine wahrlich schweißtreibende Kostümschlacht während der Show zu bestreiten. Jetzt einfach auf einem Hocker zu sitzen und so nah an jedem dran zu sein, war unfassbar beeindruckend. Natalie ist auf der einen Seite so komplex in ihrer Darstellung und gleichzeitig aber so authentisch und einfach ein „normaler“ Teenager. Sie ist mit allen anderen Charakteren verbunden und agiert auf so vielen emotionalen Ebenen. Da ich Sarkasmus liebe, habe ich natürlich ihren trockenen Humor sehr genossen und auch ihre Vielschichtigkeit. Diese Rolle war und ist ein Geschenk.

Viele deiner populärsten Rollen sind stark melancholisch geprägt – beispielsweise Johanna, Elsa, Natalie und Marian. Ist das „dein Ding“?

Ich mag Entwicklung, ich mag Vielschichtigkeit und ich mag Geschichten starker Frauen, ich mag intensive Geschichten, die nicht nur an der Oberfläche kratzen. Das muss nicht immer melancholisch geprägt sein. Einer meiner schönsten Theatersommer zum Beispiel war „Bussi – das Munical“ in München unter der Regie von Thomas Hermanns. Das hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Herausfordernd und lehrreich mit allen Höhen und Tiefen – ich würde sagen, das ist wohl mein Ding. [lächelt]

Als Künstlerin bist du Inspiration für viele. Von wem schöpfst du selbst Inspiration? Gibt es auch bekannte Sänger*innen, von denen du dich selbst als großen Fan bezeichnen würdest?

Es gibt so viele Künstler und Künstlerinnen, die ich tolle finde. Ich habe eher das Problem, dass ich zu viel inspiriert bin und mich dann in zu vielen verschiedenen Projekten verliere. Ich hatte schon von klein auf immer eine wahnsinnige Begeisterung für verschiedenste Dinge. Die schönste Errungenschaft in diesem Business ist, denke ich, wenn man nicht mit Neid auf andere und deren Erfolg schaut, sondern sich davon inspiriert fühlt. Natürlich gelingt das nicht immer, deshalb liebe ich die Bezeichnung „positiver Neid“, denn es ist nichts falsch daran, etwas zu bewundern und das selbst haben zu wollen. Die Crux liegt allerdings da begraben, dass es ein gesundes Maß an Selbstreflektion braucht – und auch Empathie.

Die Gefahr bei Unzufriedenheit in unserem Beruf ist, dass man in vernichtenden Gedankengefängnissen festsitzt und dann seine Unzufriedenheit auf andere projiziert. Man muss immer versuchen, bei sich zu bleiben und seinen Weg zu gehen, in seinem Tempo. Mich inspirieren vor allen Dingen Menschen, die wahrhaftig und authentisch sind. Ich war immer sehr inspiriert von älteren Kolleginnen und ihrer Souveränität, vielleicht auch unangenehme Themen anzusprechen, für sich einzustehen, oder eben auch einfach auf Augenhöhe behandelt zu werden –auch in der Arbeit mit Regisseuren. Ich habe es geliebt und liebe es bis heute, von großartigen Kollegen umgeben zu sein, wo man voneinander auch lernen kann und wo neben Professionalität auch das Herz am rechten Fleck sitzt und man respektvoll miteinander umgeht.

Wenn ich eine Person nennen müsste, dann wäre das sicherlich eine meiner Lieblingssängerinnen Pink. Sie ist so unfassbar gut in dem, was sie tut und als Mensch wahrlich inspirierend.

Sabrina Weckerlin als Marian in „Robin Hood“ © Spotlight Musicals GmbH

Deine Bekanntheit nutzt du auch für wohltätige Zwecke. Welche Bereiche liegen dir dabei besonders am Herzen?

Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag Tiere aus Sheltern oder Tierheimen vermitteln. Mit behinderten Menschen arbeiten und weiter kämpfen für mehr Unterstützung und mehr Gehalt für Pflegekräfte. Ich würde den ganzen Tag im Kinderhospiz „Lass jetzt los“ singen und jedem Pädophilenring den Garaus machen – und endlich ein Medikament gegen Krebs erfinden. Die Flut an Missständen, Not und grauen Zonen war und ist immer groß. Ich versuche rechts und links zu schauen und in meinem Rahmen zu helfen. Und ich bin dankbar, dass mein Beruf mir dabei hilft, wenigstens auch nur kleine Tropfen auf heiße Steine zu gießen.

In vielen Interviews bezeichnest du dich als Workaholic, die das Arbeiten, Singen und Spielen sehr liebt. Was machst du, wenn du doch mal länger frei hast?

Ich liebe es dann normale und – wahrscheinlich für viele – langweilige Dinge zu tun, die ich mir sonst verkneife, weil ich Angst habe, krank zu werden oder meine Stimme zu verlieren. Mit meinen Freunden was trinken gehen und mich laut über die Musik hinweg zu unterhalten in einer Bar. Jede Klimaanlage ignorieren und nicht die Luft anhalten, wenn jemand hustet – wobei wohl jeder, der mich kennt, weiß, dass ich das trotzdem mache! [lacht]… Guilty!

Hast du Tipps oder eigene Strategien, wie man seine mentale Gesundheit in so einem turbulenten und fordernden Beruf wahren kann?

Großes und wichtiges Thema! Ich würde mir wünschen, es würde in diese Richtung noch viel mehr Support und Bewusstsein von den Theatermachern geben. Vor allem junge Kollegen, die erstmals in Hauptrollen in einer Ensuite-Produktion auf der Bühne stehen, sollten begleitet werden. Ich erlebe es oft und weiß es auch leider aus eigener Erfahrung, dass da zu viele Dinge auf einen einprasseln, die meist ungut enden oder auch ein Trauma entstehen lassen, das dich die ganze Karriere begleiten kann. Und welch ein unfassbar emotionaler Druck auf den Darstellern lastet – bei Vorsingen, Finals, Premieren, auch im laufenden Spielbetrieb und medial von außen. Der Druck ist enorm. Ich liebe mein Handwerk, aber mein Schauspiellehrer hatte recht, als er am ersten Semestertag meiner Ausbildung sagte: „Dieser Beruf kann pures Glück sein, aber er ist auch schweinemäßig schwer.“ Damals mit 17 habe ich das nicht verstanden, aber ich habe bis heute viel Lehrgeld bezahlt. Daher ist das ein Riesen-Thema, das mehr Aufmerksamkeit und auch Sichtbarkeit verdient. Aber wenn ich ehrlich bin, könnten wir untereinander auch mehr füreinander tun. Ich merke, dass es vielen oft schwerfällt, eine gesunde Balance zum Beruf und zu sich selbst zu finden. Es ist und bleibt am Ende des Tages ein Teamsport und wir funktionieren nur zusammen. Aber bei einer Audition sind wir wie Rennpferdchen, die gegeneinander antreten, weil jeder zuerst über die Ziellinie kommen will. Daher sollte auch schon mehr Unterstützung und Aufklärung in den Schulen stattfinden zum Thema „Mentale Gesundheit“.

Sabrina Weckerlin © Julian Freyberg

Dass du als eingefleischte Schwarzwälderin gerne daheim bist, ist genauso bekannt wie deine Liebe zum Reisen. Welche Länder und Orte stehen noch auf deiner Bucket-List ganz oben für eine Reise?

Sooo viele Orte und Länder! Ich durfte schon viel von der Welt sehen, aber meist war ich beruflich dort und habe dann natürlich auch diese Orte nicht so richtig tiefgreifend erkunden können. Aber mein Problem ist oft, dass – wenn es mir irgendwo gefallen hat – ich dann immer und immer wieder dorthin zurück will. Das steht dann in Diskrepanz zu meiner Reiselust, die sich auch danach sehnt, neue Länder zu erkunden. Bis dato hab ich wirklich wenig „reinen“ Urlaub gemacht…. Aber ich spiele einfach so gerne Theater, was will man machen! [lächelt]

Wo siehst du dich, wenn alles so läuft wie du es dir wünschst, in 30 Jahren? In Ruhe daheim oder immer noch aktiv auf der Bühne?

Ich hoffe einfach, dass ich immer noch Liebe und Freude empfinde für mein Handwerk und dass ich dann gesund bin. Und ja, vielleicht bin ich dann nicht mehr ganz so verrückt und mache auch mal länger Pause und genieße die Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden!

Liebe Sabrina, vielen Dank für Deine Offenheit und das schöne Interview! Wir wünschen Dir natürlich weiterhin viel Erfolg und hoffen, dass wir Dich demnächst wieder zu einem Interview treffen können! Nun erst einmal viel Spaß als Johanna in Fulda!

 
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