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Auf großer 25-jähriger Jubiläumstour zieht das französischsprachige Kultmusical „Notre-Dame de Paris“ aktuell durch zahlreiche Arenen der frankophonen Welt. Das Bühnenspektakel setzt auf epische Bilder und großartige Gesangsstimmen, die auch außerhalb der Musicalwelt über Strahlkraft und Bekanntheit verfügen. Fest steht: Auch nach 25 Jahren hat die poppig vertonte Geschichte um Victor Hugos Glöckner nichts von ihrer Faszination verloren.
Das Musical aus dem Jahr 1998 von Luc Plamondon und Richard Cocciante ist wahrscheinlich die größte französische Erfolgsstory seines Genres. Das Stück wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und bisher in mehr als 20 Ländern ausgesprochen opulent aufgeführt – auf der Liste stehen bisher leider weder Deutschland noch Österreich, in denen das thematisch ähnliche Disney-Musical populärer ist.
Dass „Notre-Dame de Paris“ Kultstatus hat, ist bereits beim Opener „Le temps des cathédrales“ offenkundig, als das rappelvoll besetzte Stadion in Straßburg unisono und textsicher zum Sing-Along anstimmt. Die Originalbesetzung der Uraufführung wird von Fans heiß geliebt und immer wieder zu diversen TV-Formaten eingeladen, um Hits aus dem Stück wie „Belle“ zu singen. Dass in der aktuellen Jubiläumstour einer dieser Fanlieblinge – Daniel Lavoie als Frollo – wieder mit von der Partie ist, begeistert das Straßburger Publikum hörbar bei seinen Auftritten.
Insgesamt ist Plamondons Buch deutlich näher an Victor Hugos gleichnamiger Romanvorlage orientiert als beispielsweise „Der Glöckner von Notre-Dame“ aus der Feder von Alan Menken und Stephen Schwartz: Die Figur des Pierre Gringoire, ein erfolgloser Dramatiker, steht sowohl in der Erzählung Hugos im Zentrum der Handlung um Quasimodo und die schöne Esmeralda, als auch im Musical, in dem er als Erzähler fungiert. Neben der allseits bekannten Liebesgeschichte fungiert auch das Thema Ausgrenzung von Minderheiten und das „Fremdsein“ als zentrales Motiv des Musicals. Die oftmals als Protagonist dargestellte Rolle des Phoebus ist in diesem Werk, dem Original entsprechend, eher ambivalent als Ehebrecher und Opportunist angelegt; als zusätzliche Schlüsselfigur tritt seine Angetraute Fleur-de-Lys in Erscheinung, während auch der Charakter des Romakönigs Clopin als aufständischer Bohémien mehr im Mittelpunkt steht wird. Das Liebesviereck zwischen Esmeralda, Phoebus, Quasimodo und Frollo wird somit hier noch um Gringoire und Clopin erweitert, die alle ganz eigene Interessen an der schönen Tänzerin hegen. Das komplett durchkomponierte Stück charakterisiert seine Figuren ausschließlich über Sololieder, was aber aufgrund von Plamondons bildreichen und lyrischen Texten vortrefflich gelingt.
Coccaintes Kompositionen sind an opernhafte Interpretationen angelehnt und haben einen satten, dröhnenden und im besten Sinne epochal-dramatischen Klang. Sie verlangen vor allem den männlichen Interpreten eine gewaltige Stimmkraft und einen großen Stimmumfang ab, da sie nahezu ausnahmslos in großen Belting-Passagen gipfeln, die auch eine rockig-poppige Stimmfärbung und zuweilen eine markante Rauhheit fordern, um sie adäquat zu intonieren. Die Ensemblenummern sind ebenso episch angehaucht und ausgesprochen dynamisch, während die Lieder für die zwei Frauenfiguren Esmeralda und Fleur-de-Lys eher zurückhaltend und gefühlvoll daherkommen. Gerade bei Esmeraldas Titeln und den Songs der Roma mischt Coccainte auch folkloristisch-orientalisch anmutende Klänge in seine Partitur. Alle Lieder gehen dabei gut ins Ohr und haben wunderbare Texte, die zwar nicht frei von jeglichen Plattitüden sind, aber eine eingängige Rhythmik mit ästhetischen Reimen verbinden.
Gilles Maheu fungiert wie bereits vor 25 Jahren abermals als Regisseur. Seine aktuelle Inszenierung bildet das ursprüngliche Set inklusive Lichtdesign im Grunde 1:1 ab, getreu dem Motto ‚Never change a winning team‘, denn die ikonischen Bilder und Momente des Stücks sind Teil des Kultstatus. Riesige ferngesteuert fahrende Wände in der Optik einer steinernen Fassade mit darauf thronenden Wasserspeiern bilden den Hauptteil des Bühnenbilds und erweisen sich als sehr variabel. Durch geschickte Beleuchtung und immer wechselnde Ausrichtung der monumentalen Requisite kommt nie Eintönigkeit auf. Um zusätzliche Tiefe und Perspektive zu gewinnen, wird in zahlreichen Szenen ein transparenter Vorhang heruntergelassen, der die Bühne in Vorder- und Hintergrund aufteilt und so unterschiedliche Handlungsabläufe einleitet. Alain Lorties Lichtdesign nutzt effektiv Lichtspots und den Wechsel von Helligkeit wie Dunkelheit und verschiedenfarbigen Ausleuchtungen, um sowohl Dramatik als auch Dynamik zu erzeugen. Die Kostüme von Caroline Van Assche haben selbst mittlerweile einen Kultstatus in der Szene erreicht: Jede Figur folgt einem Farbschema, das Wiedererkennungswert bildet: So tritt Quasimodo in der Farbe Rot auf, während Esmeralda grün, Gringoire blau, Phoebus silbern und seine Frau in Rosétönen gekleidet sind. Dabei haben alle Kostüme einen modernen Touch, der die Figuren zeitloser wirken lässt.
Schier atemberaubend sind Martino Müllers Choreographien, mit denen das Musical dem französischen Catchphrase „Spectacle“ alle Ehre macht. Es sind Akrobaten, Breakdancer sowie moderne und Ballet-Tänzer und -Tänzerinnen auf der Bühne im Dauereinsatz. Was hier an Bewegung geboten wird, ist allerhöchste Güteklasse und erinnert im besten Sinne an die großen Shows aus Las Vegas oder vom Circque du Soleil. Die Akrobaten vollführen die gewagtesten Kunstschritte in der Luft, senkrecht an den Wänden der Kathedrale schwebend oder an den großen Kirchenglocken schwingend. Breakdancer wirbeln über die Bühne, ein Salto folgt dem nächsten und extrem schnelle und doch ausdrucksstarke Tänze zieren die Szenen nahezu durchgehend. Es ist einfach beeindruckend, was hier präsentiert wird!
Die Musik lässt ganz einem Arena-Konzert gebührend die Wände wackeln und pustet die epischen Melodien über die Köpfe des Publikums hinweg. Einziger Wehrmutstropfen: Die musikalische Untermalung des Orchesters ist Konservenware, die allerdings hochkarätig und mit perfekter Qualität produziert wurde.
Die Stars des Abends sind neben dem akrobatischen Ensemble vor allem die Solisten in ihren stimmgewaltigen Rollen. Angelo Del Vecchio gibt Quasimodo bereits seit 2011 weltweit in verschiedenen Sprachen und verleiht ihm mit seiner markant-rauchigen Stimme große Dramatik. Rockig interpretiert er mit schier unerschöpflich wirkendem Stimmumfang „L’Enfant trouvé“, in dem Quasimodo beteuert, als Frollos Findelkind ihm wie ein Hund hörig zu sein. In „A Boire“ singt er an ein Folterrad gefesselt kopfüber von den Qualen seiner Tortur und verlang nach dem rettenden Tropfen Wasser. Im zweiten Akt steigern sich Del Vecchios stimmliche Einsätze noch mit „Dieu que le monde est injuste“, wo Quasimodo über das Unrecht seiner Existenz klagt, und beweist einfühlsame Emotionalität in „Danse mon Esméralda“, als der Glöckner den Tod seiner Freundin betrauert.
Die gefeierte libanesische Sängerin und Schauspielerin Hiba Tawaji verkörpert in der Tour eigentlich die Rolle der Esmeralda. Da sie während der Spielzeit in Straßburg allerdings bei der Grammy-Verleihung in den USA war, übernahm die Rolle dort die albanische ESC-Sängerin Elhaida Dani, die Esmeralda bereits im amerikanischen Teil der Tournee gespielt hatte. Ihr Gesang ist geprägt von Sinnlichkeit und einer orientalischen Stimmfärbung, die der Rolle gut zu Gesicht stehen. Besonders im zweiten Akt, in dem Esmeralda an Kraft und Präsenz gewinnt, blüht Dani auf und beeindruckt gesanglich wie schauspielerisch vor allem in den Szenen, in denen die verfolgte Roma großes Leid erfährt. Ihr großes Solo „Vivre“ berührt, wenn Esmeralda sich entscheidet, für ihre Liebe in den Tod zu gehen.
Eric Jetner stattet seinen Phoebus mit hohem Rocktenor aus und überzeugt in seiner Interpretation von „Déchiré“ mit emotionaler Zerrissenheit zwischen Verlobter und Geliebter.
Die Erstbesetzung des Gringoire teilen sich der in Deutschland als „Tarzan“-Darsteller bekannte Gian Marco Schiaretti und der Italiener Flo Carli, der in Straßburg zur besuchten Vorstellung den Dichter verkörpert. Ihm gehört der Publikumsmoment „Le temps des cathédrales“, der in die Zeit und Geschichte einführt. Carli kann vor allem in den interaktiven Liedern trumpfen, beispielsweise in „Ananké“, in dem Gringoire den Priester Frollo konfrontiert oder in „Florence“, als er mit Frollo über alte Sitten und Werte streitet.
Fleur-de-Lys wird charmant von Salomé Dirmann gegeben, fällt rollenbedingt aber vergleichsweise wenig präsent in den Hintergrund. Trotzdem gelingen ihr mit dem temperamentvollen „La Monture“ und dem anrührenden Duett „Le Mot Phoebus“ erinnerungswürdige Bühnenmomente, in denen sie ihre große Popstimme einsetzen kann. Stimmlich wie tänzerisch weiß auch Jay als Clopin zu begeistern. Seine Rockröhre füllt den Saal und zeugt in Liedern wie „La Cour de Miracles“ und „Condamnés“ von seinen gesanglichen Fähigkeiten.
Der bald 75-jährige Daniel Lavoie hat die Rolle des Frollo vor einem Viertel-Jahrhundert kreiert und ist auf der aktuellen Tour ein heimlicher Star. Mit markerschütternder, dramatischer Stimme füllt er seine Figur mit Ehrfurcht gebietender Präsenz. Sein überdramatisches Sehnsuchtslied „Tu vas me détruire“ brüllt Lavioe mit rauer Stimme so kraftvoll heraus, dass dieser Bühnenmoment zum Showstopper wird. Die großen Momente, in dem die beiden großen Stimmen von Del Vecchio und Jetner von Lavoie im Terzett „Belle“ ergänzt wird und die Rockstimmen von Jay und Carli sich in „Où est-elle“ mit Lavoies vollem Vibrato mischen, sind unvergesslich. Ebenso das Ende des Stücks, als das gesamte Publikum zu einem Encore die Hymne „Le temps des cathédrales“ anstimmt und dieses großartige Spekakel beschließt. Unbedingt sehenswert und jede Reise wert!
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KREATIVTEAM |
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Musik | Riccardo Cocciante |
Text | Luc Plamondon |
Inszenierung | Gilles Maheu |
Choreographie | Martino Müller |
Bühnenbild | Christian Retz |
Licht | Alain Lortie |
Kostüme | Caroline van Assche |
Musikal. Leitung / Arrangements | Serge Perathoner Jannick Top |
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CAST (AKTUELL) |
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GALERIE |
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TERMINE |
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TERMINE (HISTORY) |
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Fr, 23.02.2024 20:30 | Arena Genève, Le Grand-Saconnex | |
Sa, 24.02.2024 15:00 | Arena Genève, Le Grand-Saconnex | |
Sa, 24.02.2024 20:30 | Arena Genève, Le Grand-Saconnex |