Die deutsch-französische Verfilmung des Theater-Dauerbrenners aus dem Jahr 1963 war ein Prestigeprojekt und sollte ein internationaler Erfolg werden. Doch der Streifen fuhr krachend an die Wand: Die Kritiker zerfetzten ihn in der Luft und das Publikum blieb aus. Die soeben erschienene „Special Edition“ mit einer restaurierten Fassung ermöglicht nun einen neuen Blick auf den mit so illustren Stars wie Curd Jürgens, Hildegard Knef, Lino Ventura, Gert Fröbe und Sammy Davis jr. besetzten Spielfilm.
Diese neue Ausgabe kann sich mehr als sehen lassen. Das Bild ist gestochen scharf, die Farben strahlen, die Extras sind üppig und informativ. Nur eins ist leider nicht besser geworden: der Film an sich.
Die Probleme begannen schon vor dem Dreh. Ende der 1950er Jahre hatte Produzent Kurt Ulrich die Idee, das international erfolgreiche Stück von Bertolt Brecht und Kurt Weill neu zu verfilmen. Die Witwen von Weill und Brecht, Lotte Lenya und Helene Weigel, verkauften ihm schließlich die Rechte für 80.000 Dollar – damals stolze 320.000 D-Mark. Ulrich holte französische Co-Produzenten ins Boot und wollte ein internationales Ensemble. Doch nicht nur die Besetzung gestaltete sich schwierig, auch mehrere Drehbuchautoren und Regisseure winkten ab, bis schließlich Wolfgang Staudte zusagte. Staudte war Experte für zeit- und sozialkritische Filme („Die Mörder sind unter uns“, „Rosen für den Staatsanwalt“) und hatte Brecht-Erfahrung. Wenn auch keine gute, denn seine Verfilmung von „Mutter Courage und ihre Kinder“ für die DEFA (das Filmunternehmen der DDR) musste wegen Streitigkeiten zwischen Staudte und Brecht abgebrochen werden. Staudte wollte „Die Dreigroschenoper“ aktualisieren und in die 1960er Jahre verlegen, biss aber bei Weigel auf Granit, die das Werk ihres verstorbenen Mannes mit Argusaugen überwachte. Ihre Ansage: „Alles soll so bleiben, wie Brecht es gemacht hat“. Staudte versuchte aus seinem Vertrag auszusteigen, musste das Projekt aber jetzt durchziehen. Je nach Quelle hatte der Film am Ende ein Budget von 3 bis 5,5 Millionen Mark und war zu dieser Zeit die kostspieligste deutsche Produktion.
Brecht und Weill bezeichneten ihr Werk als „Theaterstück mit Musik“; den Begriff „Musical“ gab es zur Zeit der Uraufführung 1928 in Deutschland noch nicht. Staudtes Verfilmung macht aber eindeutig ein Musical im heutigen Sinne daraus. Er filmte in Breitwand mit großen Settings, setzte viel Statisterie ein und ließ zusätzliche Tanzeinlagen einbauen. Die Musik, die Kurt Weill für sieben Musiker mit 25 Instrumenten in einem charakteristischen Schepper-Sound komponierte, wurde von Peter Sandloff ganz nach dem damaligen Musikgeschmack für ein großes Orchester mit jeder Menge Streicher weichgespült. Ein paar verwegene Bläsersätze lassen an die zur gleichen Zeit populären Edgar-Wallace-Filme denken. Die musikalische Untermalung klingt, als sei die Spelunken-Jenny Wirtin im „Gasthaus an der Themse“. Weills Lieder werden durch die süßliche Bearbeitung verschlagert. Das haben sie nicht verdient.
Das Drehbuch von Wolfgang Staudte und Günther Weisenborn musste sich eng an die Vorlage halten. Die Dialoge sind hier und da gekürzt, aber 100% Brecht. Einige Songs sind umgestellt oder werden nicht in voller Länge gesungen, aber das ist eine gängige Praxis bei Musicalverfilmungen.
Vorlagenbedingt ist der Film sehr wortlastig. Da sticht der neu erfundene Einstieg umso mehr heraus: Mackie Messer begegnet Polly und ihrer Mutter auf einem Jahrmarkt und macht ihr den Hof. Ein unnötiger und zäher Einstieg, denn es wird dabei kein Wort gesprochen.
Dafür entschädigt der gewollt theaterhafte Look des großen Jahrmarkt-Sets. Die Szenerie ist generell künstlich und selbst in der schäbigen Ganovenunterkunft üppig ausgestattet. Ein Hingucker! Dazu sind besonders die Szenen mit „Spelunken-Jenny“ Hildegard Knef atmosphärisch ausgeleuchtet und mit Sinn für ungewöhnliche Blickwinkel gefilmt. Trotzdem ist der Film mit seinen langen Einstellungen eher abgefilmtes Theater und ziemlich träge geschnitten.
Die Besetzung ist aus heutiger Sicht kurios. Wenn man die internationalen Ambitionen des Produzenten bedenkt, macht sie aber durchaus Sinn. Curd Jürgens war seit „Des Teufels General“ (1955) ein Weltstar und drehte viel im Ausland. Überzeugen kann er als dandyhafter Mackie Messer nur bedingt. Mit seiner Perücke sieht er seltsam verkleidet aus.
Hildegard Knef hatte am Broadway gespielt und einige Hollywoodfilme gedreht, kehrte aber nach Streit mit den dortigen Studiobossen zurück nach Deutschland und war dort vor allem als Sängerin erfolgreich. Vom Typ her passt sie sehr gut als Spelunken-Jenny und ihre rauchige Stimme eignet sich für die Lieder. Vielleicht liegt es an der Art, wie Regisseur Staudte sie durchs Bild geistern lässt, aber richtig viel Energie versprüht sie nicht.
Als Polly wurde die heute vergessene Britin June Ritchie engagiert. Sie hatte 1961 mit ihrem ersten Film „Nur ein Hauch Glückseligkeit“ („A Kind of Loving“) großen Erfolg. Zwischen so vielen Schauspiel-Schwergewichten schlägt sie sich sehr gut. Auf den ersten Blick klein und mädchenhaft, tritt sie in der Konfrontation mit ihren Eltern oder auch, wenn sie während Mackies Abwesenheit die kriminellen Geschäfte übernehmen soll, überraschend selbstbewusst auf. Leider verlief ihre Karriere nach diesem Film im Sand.
Blass geschminkt und einäugig gibt Lino Ventura einen karikaturhaften Tiger-Brown. Er schießt übers Ziel hinaus, scheint dabei aber wenigstens Spaß zu haben.
Die überzeugendsten schauspielerischen Leistungen liefern Gert Fröbe und Hilde Hildebrand als Ehepaar Peachum ab. Etwas schmuddelig, verschlagen und hinterhältig treffen sie den komödiantischen Ton ihrer Figuren.
Für die berühmte „Moritat von Mackie Messer“ und den „Salomon Song“ hat man Sammy Davis jr. als Moritatensänger engagiert. Er singt die Lieder auf Englisch, eine deutsche Übersetzung wird danach aus dem Off hinterhergeschoben.
In dieser Ausgabe ist auch eine US-Version enthalten, für die zusätzliche Szenen mit Davis jr. gedreht wurden. Die Originalversion wurde dafür wenig elegant radikal von 122 auf 82 Minuten gekürzt und Sammy Davis jr. tritt zwischendrin als Erzähler in Erscheinung. Es ist interessant zu sehen, welche Szenen der US-Verleih als verzichtbar angesehen hat. Besser machen die Kürzungen den Film nicht, nur holpriger. Obwohl der Film in drei Sprachversionen (Deutsch, Englisch, Französisch) gedreht wurde, synchronisierte man ihn für den US-Markt mit anderen Sprechern.
In den Extras findet man neben dem „Liebeslied“ in verschiedenen Sprachen (darunter auch eine, in der June Ritchie selbst singt – und das tut sie überraschend gut) mehrere Fernsehbeiträge, die während der Dreharbeiten bzw. zur Premiere entstanden. Da berichtet etwa ein sympathischer Curd Jürgens wie viel Freude ihm die Rolle macht – und er sagt das so, dass man es ihm glauben möchte. Lotte Lenya ist dagegen sichtlich darum bemüht, sich halbwegs freundliche Worte abzuringen, nachdem sie den Film gesehen hat. Sie berichtet aber auch, dass sie gerade ein Drehbuch zugeschickt bekommen hätte, ein Spionagefilm: „From Russia With Love“.
Diese „Dreigroschenoper“-Verfilmung steht sowieso in Verbindung zu den James-Bond-Filmen. Fröbe und Jürgens sollten später in „Goldfinger“ (1964) und „Der Spion, der mich liebte“ (1977) die finsteren Gegenspieler von 007 werden. Hätte man Lenya als Jenny besetzt, wie es in einem frühen Stadium mal im Gespräch war (sie hatte die Rolle bei der Uraufführung gespielt und entscheidend geprägt), dann wären sogar drei Bond-Bösewichte in diesem Film gewesen.
Man merkt dieser „Dreigroschenoper“ an, wie verzweifelt sie ein Ereignis sein möchte, letztendlich aber an den eigenen Ambitionen scheitert. Dass man sich sklavisch an die Vorlage halten musste, hat sicher nicht geholfen.
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