Stephanie J. Block (Lilli/Kate), Adrian Dunbar (Fred/Petruchio) © Johan Persson
Stephanie J. Block (Lilli/Kate), Adrian Dunbar (Fred/Petruchio) © Johan Persson

Kiss me, Kate (2024)
Barbican Centre, London

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Cole Porters bekanntestes Musical „Kiss me, Kate“ mit dem Buch von Bella und Samuel Spewack wird oftmals mit Operndarstellern besetzt und gleicht in vielen Inszenierungen eher einer Operette. Ganz anders in der aktuellen Londoner Version im Barbican Center: Hier wird das angestaubte Musical, großzügig mit hochkarätigen Tänzern und Darstellern besetzt, auf eine riesige Bühne gebracht, deren Ausstattung viel fürs Auge bietet.

Bartlett Sher inszeniert das Stück-im-Stück mithilfe eines überdimensionalen, 360 Grad drehbaren Bühnenbilds, das je nach Blickwinkel eine Hinterhof-Stagedoor, die Garderoben der Hauptdarsteller oder die große Showbühne freigibt. Jedes Set ist opulent ausgestattet. Besonders gelungen ist der Kontrast zwischen den Backstage-Bereichen, in denen die Hauptstory stattfindet, und der in weiß-beige und Aquarelloptik ausgekleideten Showbühne, auf der die Hauptcharaktere einen Shakespeare-Klassiker darbieten, der aufgrund der persönlichen Verstrickungen der Akteure im Chaos mündet. Fast schon filmisch werden die turbulenten Szenen dargestellt, in denen vor allem die Hauptfiguren von der Bühne in die Garderoben und dann nach draußen vors Theater wüten: Die gesamte Bühne dreht sich mit den Figuren mit, die sich durch das gesamte Set kämpfen. So wird eine tolle Dynamik erzeugt, die das Musical gehörig vom Staub der Zeit befreit.

Ein großes Highlight sind Anthony van Laasts ausufernde und dem Ensemble alles abverlangende Choreographien, die im Song „Too Darn Hot“ zu einem Showstopper kulminieren. Dass auf etwas in die Jahre gekommene Musik eine derart moderne und blitzschnelle Choreo voller Akrobatik so symbiotisch passt, ist überaus beeindruckend.

Das 16-köpfige Orchester begeistert – ihm gelingt es, jeden noch so kleinen Kniff aus Porters zeitloser Partitur herauszukitzeln und eine musikalische Tiefe zu erzeugen, die wie das Bühnenbild filmischen Charakter aufweist. Diesen Eindruck runden die fantastischen Kostüme von Catherine Zuber ab, die vor allem in den Theaterkostümen für das Shakespeare-Stück opulent erstrahlen.  Don Holders Licht- und Adam Fishers Sounddesign lassen keine Wünsche offen und zeugen von hochkarätiger Arbeit, die in Perfektion mündet. Alle Departments arbeiten optimal zusammen, sodass ein Hochgenuss entsteht, der das Musical kurzweilig und visuell wunderschön zeichnet, ohne es im Kern zu verändern. Leider kann die beste Präsentation nicht über die bei klassischen Musicals typischen Schwächen gänzlich hinwegtrösten, die sich oftmals in Nebencharakteren verlieren und durch schwache Konfliktauflösungen hinken.

Das Ensemble ist bis in die kleinste Rolle stimmgewaltig, schauspielerisch souverän, gesanglich virtuos und tänzerisch überwältigend besetzt. Josie Benson glänzt stimmlich als Lillis Assistentin Hattie in „Another Op’nin, Another Show“, während Jack Butterworth als Paul bei der halsbrecherischen Choreographie zu „Too Darn Hot“ das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißt und dabei, wundersamerweise nicht komplett außer Atem, eine starke Gesangsstimme beweist. Die beiden Gangster, gespielt von Hammed Animashaun und Nigel Lindsay, sind in ihrer ruppigen und ungeahnt theateraffinen Art der komödiantische Höhepunkt des Stücks, was sie im Lied „Brush up your Shakespeare“ mit mehreren frenetisch gefeierten Encores immer wieder zur Schau stellen können. Peter Davison als General Harrison Howell hat gegen Ende des Stückes seinen großen Moment, in dem das Publikum allein durch die schauspielerische Präsenz zu spüren bekommt, dass hier ein großer Bühnenveteran vor ihm steht. Charlie Stemp gibt in „Why can’t you behave?“ und „Bianca“ seinen Bill mit jugendlichem Schmachte-Charme, während Georgina Onuorah in der Rolle der Lois Lane als heimlicher Star des Musicals gesehen werden sollte: In ihrer Bühnenrolle der Bianca zeigt sie ihr Comedy-Talent im Lied „Tom, Dick or Harry“, während sie hinter der Bühne mit „Always true to You in My Fashion“ und mehreren Encores dem Auditorium stimmgewaltig einheizt. Mit Adrian Dunbar steht ein weiterer Theaterveteran auf der Bühne, den eine besondere Aura umgibt. Mit Sinatra-esquer Stimmführung singt er sich durch seine eher ruhigeren, jedoch immer gefälligen Songs wie „So in Love“ und in seiner Bühnenrolle Petruchio „Where is the Life that late I led?“ sowie „I’ve come to wive it wealthy in Padua“, wobei er seine Bühnen-Person und seine Privatperson eindrucksvoll durch unterschiedlichen Duktus, Akzent und Körpersprache voneinander differenziert.

Die Rolle der Lilli Vanessi lebt komödiantisch davon, sich auch in ihrer Theaterrolle der Katherine aka Kate nicht von privaten Gefühlen trennen zu können, was bei der Premiere des Shakespeare-Stücks für gehörig Unruhe sorgt. Diesen Titelpart trägt Broadway-Legende Stephanie J. Block mit Leichtigkeit. Ihre markante, schier unendlichen Umfangs beschenkte Stimme kann sie zwar songbedingt nicht in Gänze einsetzen, doch beeindruckt sie mit klassischem Sopran in „Wunderbar“ und sonorem Musical-Belt in „I hate Men“ allemal. Jeder Auftritt von Block wird durch ihre übergroße Präsenz zum Highlight und das Publikum wickelt sie um ihren Finger. Vor allem die komödiantischen Parts ihrer Figur Kate, die ständigen Wutausbrüche, sind großes Kino. Es ist fast schon bedauerlich, dass eine so große Broadway-Künstlerin in einem Stück glänzen muss, das ihr nur wenig gesangliche Chancen bietet und sich im Fokus auf die Nebencharaktere verliert, doch Block macht das Beste aus den Gegebenheiten und generiert mithilfe des perfekten Stagings und des wunderbaren Ensembles einen erinnerungswürdigen Theaterabend, der sogar die verblüffend zahlreich im Publikum vertretenen Kinder diesen doch eher alten Schinken anstandslos verfolgen lässt und sie in ihre Theatersitze fesselt. Unbedingt empfehlenswert!

 
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KREATIVTEAM
Musik / TextCole Porter
BuchBella Spewack
Sam Spewack
InszenierungBartlett Sher
ChoreographieAnthony van Laast
BühneMichael Yeargan
KostümeCatherine Zuber
LichtDonald Holder
 
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CAST (AKTUELL)
Lilli / KateStephanie J. Block
Fred / PetruchioAdrian Dunbar
Lois / BiancaGeorgina Onuorah
Bill / LucentioCharlie Stemp
GangsterNigel Lindsay
Hammed Animashaun
GeneralPeter Davison
HattieJosie Benson
PaulJack Butterworth
Harry Trevor / BaptistaJude Owusu
Hortensio / EnsembleCarl Au
Gremio / EnsembleJordan Crouch
Ralph / EnsembleGary Milner
Pops / EnsembleJames Hume
EnsembleAlisha Capon
Shani Cator
Maya de Faria
Amelia Kinu Muus
Jacqui Jameson
Lucas Koch
Alex Lodge
Nell Martin
Anna McGarahan
John Stacey
Harrison Wilde
SwingsRobin Kent
Barry Drummond
Emily Goodenough
Maddie Harper
  
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TERMINE
keine aktuellen Termine
 
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TERMINE (HISTORY)
Di, 04.06.2024 19:30Barbican Centre, LondonPreview
Mi, 05.06.2024 19:30Barbican Centre, LondonPreview
Do, 06.06.2024 19:30Barbican Centre, LondonPreview
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